Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** Aktiengesellschaft, Ingolstadt, Auto Union Straße 1, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Rudolf Jahn und Dr. Harald R. Jahn, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, Automobilvertriebs-Aktiengesellschaft, Wien 10., Laaerbergstraße 66, vertreten durch Dr. Martin Binder ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert S 1,500.000,-) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 18. Jänner 1990, GZ 2 R 230/89-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 10. August 1989, GZ 18 Cg 50/88-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 20.017,80 (darin enthalten S 3.336,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin stellt ua Personenkraftwagen mit permanentem Allradantrieb her und verwendet dafür seit dem Jahr 1980 - neben ihren Marken- und Modellbezeichnungen - die Bezeichnung "quattro". Am 9. 8. 1986 wurde zugunsten der Klägerin die internationale Marke Nr. 505 307 "quattro" für die Warenklasse 12 (Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und auf dem Wasser) registriert. Der Schutz der Marke wurde ua auch für Österreich beantragt. Mit Beschluß des Österreichischen Patentamts vom 4. 11. 1988 wurde diese Marke infolge Vorlage eines Verkehrsgeltungsnachweises zum Schutz in Österreich zugelassen. Die Beklagte ist die österreichische Vertriebsgesellschaft der französischen Regie Nationale des Usines Renault. Sie vertreibt seit dem Frühjahr 1988 ein Kraftfahrzeug unter den Bezeichnungen "R*** Espace QUADRA" oder "Espace QUADRA".
Im Zuge einer - bei Betrieben, die mit Kraftfahrzeugen im Bereich des Handels, des Gewerbes und der Industrie befaßt sind, vorgenommenen - Umfrage der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft gaben 98,7 % der Befragten an, daß ihnen die Bezeichnung "quattro" bekannt ist; 74,4 % der Befragten gaben an, daß ihnen die Bezeichnung "quattro" als Kennzeichen für die Produkte der Klägerin bekannt ist. Weitere 16,4 % der Befragten nannten als Benützer dieses Kennzeichens "Volkswagen", "VW", "AUDI und Volkswagen", "VW und AUDI" oder "VW-Konzern".
Als Hinweis auf einen Allradantrieb sind ua die Bezeichnungen "4 x 4", "4 WD", "4-Matic" oder "AWD" gebräuchlich. Die Klägerin beantragt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Verwendung der Bezeichnung "Quadra" im geschäftlichen Verkehr beim Anbieten und beim Vertrieb von sowie bei der Werbung für Kraftfahrzeuge, inbesondere von Personenkraftwagen, zu unterlassen; weiters erhebt sie ein Rechnungslegungs-, Zahlungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren. Sie verwende seit März 1980 für die von ihr hergestellten, mit einem schnellaufenden, permanenten Allradantrieb versehenen Fahrzeuge das Kennzeichen "AUDI quattro". Mit Beschluß des Österreichischen Patentamtes vom 4. 11. 1988 sei ihre internationale Marke Nr. 505 307 "quattro" infolge eines Verkehrsgeltungsnachweises zum Schutz in Österreich zugelassen worden. "quattro" sei in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen für die allradgetriebenen PKW der Klägerin in einem hohen Grad bekannt. Der Bekanntheitsgrad bei den "einschlägigen Interessenten" habe bereits Anfang des Jahres 1986 74 % betragen. Dieses Zeichen habe daher - ungeachtet des Umstandes, daß es in der italienischen Sprache das Zahlwort "vier" sei - eine überaus starke Kennzeichnungskraft. Ein Freihaltebedürfnis an dem Wort "quattro" für die Bezeichnung von Kraftfahrzeugen mit Allradantrieb bestehe dagegen nicht. Das Wort "quattro" werde in Österreich weder als Zahlwort noch sonst zur Kennzeichnung verwendet; es sei daher im Rahmen des Kennzeichengebrauches durch die Klägerin als Phantasiewort aufzufassen. Für die Bezeichnung von Kraftfahrzeugen mit Allradantrieb stünden dem Verkehr zahlreiche andere Ausdrücke zur Verfügung. Wegen seiner hohen Verkehrsdurchsetzung genieße das Kennzeichen der Klägerin erhöhten Schutz.
Die Beklagte vertreibe in Österreich seit dem Frühjahr 1988 ein Kraftfahrzeug mit permanentem Allradantrieb unter der Bezeichnung "R*** Espace QUADRA". Die Mutterfirma der Beklagten habe das Kennzeichen "Quadra" am 23. 6. 1987 in Frankreich und später auch international registrieren lassen. Das Österreichische Patentamt habe dieses Kennzeichen aber bisher noch nicht anerkannt. Die Kennzeichen "quattro" und "Quadra" seien geeignet, miteinander im Verkehr verwechselt zu werden. Sie seien einander im Wortbild, Wortklang und Wortsinn verwechselbar ähnlich. Vor allem bestehe eine Verwechslungsgefahr in weiterem Sinn, weil wegen der Verwendung so ähnlicher Zeichen für allradgetriebene Kraftfahrzeuge tatsächlich nicht vorhandene Zusammenhänge wirtschaftlicher oder organisatorischer Art, insbesondere im Bereich der Entwicklung des Allradantriebes, zwischen den Unternehmen der Streitteile vermutet würden. Es könnte der unrichtige Eindruck entstehen, daß die Beklagte Lizenznehmerin der Klägerin oder der Allradantrieb der Beklagten eine Fort- oder Weiterentwicklung des Allradantriebes der Klägerin sei. Die von den Streitteilen jeweils verwendeten Marken- und Modellbezeichnungen fielen dagegen nicht ins Gewicht und könnten nicht der Unterscheidung dienen. Außerdem verwendeten die Streitteile die jeweiligen Kennzeichen in ihrer Werbung auch allein ohne ihre Marken- und Modellbezeichnungen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. An dem Wort "quattro" bestehe für Kraftfahrzeuge mit Allradantrieb ein erhebliches Freihaltebedürfnis. Auch die für die Erlangung der Kennzeichnungskraft bei bloß beschreibenden Angaben erforderliche hohe Verkehrsdurchsetzung sei nicht gegeben; die von der Klägerin behauptete Verkehrsdurchsetzung ihres Zeichens reiche dafür nicht aus. Die Marke der Klägerin sei daher in der Bundesrepublik Deutschland auf Antrag der Firma B*** bereits einmal gelöscht worden; nur wegen einer nachträglichen Einigung der dortigen Parteien sei diese Löschung wieder aufgehoben worden. In Österreich sei allgemein bekannt, daß das Wort "quattro" in der italienischen Sprache "vier" bedeute. Zahlen hätten aber, auch wenn sie in Worten ausgedrückt werden, überhaupt keine Kennzeichnungskraft. Auch eine Gefahr von Verwechslungen sei nicht gegeben: Bei schwachen Zeichen wie dem vorliegenden genügten schon geringe Abweichungen, um die Verwechslungsgefahr zu beseitigen. Dazu komme aber auch noch, daß die Beklagte das Kunstwort "Quadra" nie allein, sondern nur gemeinsam mit ihren Marken- und Modellbezeichnungen ihrer Kraftfahrzeuge verwende. Bei der Beurteilung von Ähnlichkeiten im Wortbild, Wortklang und Wortsinn sei eine zergliedernde Betrachtungsweise unzulässig. Unter Berücksichtigung des maßgebenden Gesamteindrucks beider Zeichen scheide die Gefahr von Verwechslungen aus. Schließlich verwende auch die Klägerin das Wort "quattro" immer nur gemeinsam mit ihrer Marke oder den einzelnen Modellbezeichnungen ihrer Fahrzeuge. Auch der Eindruck irgendeines Zusammenhanges zwischen den Streitteilen könne nicht entstehen. In den beteiligten Verkehrskreisen sei bekannt, daß der Allradantrieb der Klägerin auf rein mechanischer Basis funktioniere, wogegen
beim - hydrodynamischen - System der Beklagten eine Viskosekupplung verwendet werde.
Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Unterlassungs-, Rechnungslegungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren statt und behielt die Entscheidung über das Zahlungsbegehren der Endentscheidung vor. Neben den bereits eingangs wiedergegebenen Feststellungen traf es die weitere Feststellung, daß die Streitteile die Kennzeichen "quattro" und "Quadra" in ihrer Werbung auch allein ohne Hinzufügung von Marken- oder Modellbezeichnungen verwenden. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht folgendes aus:
An dem Ausdruck "quattro" bestehe kein absolutes Freihaltebedürfnis des Verkehrs zur Bezeichnung von Kraftfahrzeugen mit Allradantrieb, weil eine Reihe anderer Ausdrücke zur Kennzeichnung dieses Konstruktionsmerkmals zur Verfügung stünden. Die Klägerin habe für ihr Zeichen einen hohen Grad an Verkehrsgeltung nachgewiesen, so daß sie den Schutz ihres Zeichens "quattro" als nicht registriertes Warenzeichen im Sinne des § 9 Abs 3 UWG in Anspruch nehmen könne. Der hohe Zuordnungsgrad im Bereich der Unternehmen, die sich mit Kraftfahrzeugen im Handel, im Gewerbe und in der Industrie beschäftigen, reiche dafür aus; Feststellungen über die Zuordnung im Kreis der Letztverbraucher seien daher entbehrlich gewesen. Die Klägerin verwende dieses Kennzeichen in Österreich schon seit dem Jahr 1980. Die Beklagte habe die Benützung der Bezeichnung "Quadra" in Österreich erst im Frühjahr 1988 aufgenommen. Dem Kennzeichen der Klägerin komme daher gegenüber demjenigen der Beklagten die erforderliche Priorität zu. Da die Beklagte in ihrer Werbung das Wort "Quadra" auch allein zur Kennzeichnung ihres allradgetriebenen Fahrzeuges verwendet habe, seien beim Ähnlichkeitsvergleich nur die Wörter "quattro" und "Quadra" gegenüberzustellen. Diese beiden Zeichen seien einander im Wortklang, Wortbild und Wortsinn verwechselbar ähnlich. Im Zusammenhang damit verwendete Zusätze, wie Marken- oder Modellbezeichnungen, könnten die Verwechslungsgefahr nicht mehr ausschließen. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Unterlassung der Verwendung der Bezeichnung "Quadra" durch die Beklagte. Gemäß § 56 MSchG, § 151 PatG habe sie auch Anspruch auf Rechnungslegung. Im Hinblick auf die weite Verbreitung der Werbung der Beklagten sei schließlich auch das Urteilsveröffentlichungsbegehren berechtigt. Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige und die Revision zulässig sei. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm im wesentlichen - mit Ausnahme der Feststellung, daß die Beklagte das Wort "Quadra" auch allein zur Kennzeichnung des "R*** Espace" verwende - die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:
Der Ansicht des Erstgerichtes, daß an dem Wort "quattro" zur Bezeichnung eines allradgetriebenen Kraftfahrzeuges kein absolutes Freihaltebedürfnis bestehe, sei beizutreten. Wenn auch Zahlen grundsätzlich nicht registrierbar seien, so könne das für fremdsprachige Zahlwörter nur dann gelten, wenn sie im Inland bekannt und auch als Zahlwort verwendet werden. "quattro" sei jedoch kein Wort, auf das der inländische Verkehr angewiesen wäre; für die Bezeichnung allradgetriebener Kraftfahrzeuge stehe eine Anzahl anderer Begriffe zur Verfügung. Auch treffe es nicht zu, daß das Wort "quattro" im Verkehr - zum Unterschied von einem zuschaltbaren Allradantrieb - als Hinweis auf einen permanenten Allradantrieb verstanden werde.
Die Klägerin habe den Nachweis erbracht, daß sie für das Kennzeichen "quattro" in Österreich Verkehrsgeltung genießt. Dafür reiche das nach einer Umfrage innerhalb der Kraftfahrzeugbranche von der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft erstattete Gutachten aus. Nach der Rechtsprechung genüge die Verkehrsdurchsetzung in einem der beteiligten Kreise; daher müßten auch nicht alle beteiligten Verkehrskreise befragt werden. Die Beklagte genieße somit den Ausstattungsschutz nach § 9 Abs 3 UWG.
Die Verwechslungsgefahr im engeren Sinn sei wegen der jeweils von den Parteien verwendeten weiteren Zusätze von vornherein auszuschließen; es sei aber auch nicht anzunehmen, daß auf Grund einer Ähnlichkeit beider Bezeichnungen der Eindruck besonderer Beziehungen oder Zusammenhänge wirtschaftlicher oder organisatorischer Art zwischen den Streitteilen erweckt würden. Zusätze, wie sie die Beklagte verwende, könnten zwar eine derartige Vermutung nicht widerlegen. Da aber bei Autokäufern eine erhöhte Aufmerksamkeit vorausgesetzt werden müsse, fielen die Unterschiede der Kennzeichen der Streitteile eher ins Gewicht. Nur ein geringfügiger Teil der Interessenten könne unter diesen Umständen annehmen, daß die Streitteile wegen einer gewissen Ähnlichkeit ihrer Kennzeichen beim Allradantrieb irgendwie zusammenarbeiteten. Soweit jemand überhaupt einen derartigen Zusammenhang in Erwägung ziehe, könnte er nur durch die Verwendung des gleichen Zeichens erweckt werden. Da das Wort "quattro" im Hinblick auf seine beschreibende Natur nur schwache Kennzeichnungskraft habe, genügten schon geringe Abweichungen, um die Gefahr von Verwechslungen zu beseitigen. Unter diesem Gesichtspunkt schade die Übereinstimmung, die im Hinweis auf die Zahl "vier" liege, nicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Teilurteil des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung zulässig, weil der gleiche Sinngehalt zweier Kennzeichen und sein Einfluß auf die Verwechslungsgefahr nicht nur für den vorliegenden Fall von entscheidungswesentlicher Bedeutung ist; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Die Klägerin bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß ihr Zeichen "quattro" nur schwache Kennzeichnungskraft habe, so daß bereits geringfügige Unterschiede zur Beseitigung der Verwechslungsgefahr genügten. Schon wegen der überragenden Verkehrsdurchsetzung ihres Zeichens dürfe nicht mehr von einem "schwachen Zeichen" ausgegangen werden; vielmehr sei das Wort "quattro" zu einem besonders starken Zeichen für ihre allradgetriebenen Fahrzeuge mit erweiterter Schutzkraft geworden. Es bestehe sowohl Verwechslungsgefahr im engeren als auch im weiteren Sinn. Die Annahme einer Zusammenarbeit der Streitteile wegen der Ähnlichkeit ihrer Kennzeichen liege schon deshalb nahe, weil die Klägerin bei der Entwicklung des Allradantriebes Pionierarbeit geleistet habe. Die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn nur dann in Betracht käme, wenn dasselbe Zeichen verwendet werde, sei unrichtig. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:
Die Klägerin hat sich in erster Instanz auf den Ausstattungsschutz des § 9 Abs 3 UWG, welchem auch nicht registrierte Warenzeichen zugänglich sind, aber auch auf ihre internationale, mit Beschluß des Österreichischen Patentamtes vom 4. 11. 1988 zum Schutz in Österreich zugelassene Marke Nr. 505 307 berufen. Welches dieser Schutzrechte an dem Kennzeichen "quattro" gegenüber der von der Beklagten verwendeten Bezeichnung "Quadra" die erforderliche Priorität genießt, ob das Kennzeichen der Klägerin als starkes oder schwaches Zeichen zu beurteilen ist und ob sein Schutzumfang durch höheren Bekanntheitsgrad beeinflußt wird, braucht im vorliegenden Fall nicht beurteilt zu werden, weil selbst dann, wenn das Zeichen der Klägerin überragende Verkehrsgeltung hätte, keinerlei Gefahr von Verwechslungen bestünde.
§ 9 UWG schützt Inhaber von Unternehmen vor mißbräuchlichem, die Gefahr von Verwechslungen herbeiführendem Gebrauch ihrer Unternehmenskennzeichen. Verwechslungsgefahr im engeren Sinn ist anzunehmen, wenn durch den Kennzeichengebrauch der Anschein einer Identität der beiden Unternehmen erweckt wird; Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn liegt vor, wenn zwar die Verwechslungsgefahr im engeren Sinn ausgeschlossen wird, aber der Anschein besonderer Nahebeziehungen wirtschaftlicher oder organisatorischer Art zwischen den Benützern ähnlicher Zeichen erweckt wird (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 50; ÖBl 1977, 40; WBl 1987, 246 uva). Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist nicht das zergliedernde Betrachten der einzelnen Bestandteile, sondern der Gesamteindruck eines Zeichens maßgebend (ÖBl 1985, 105; ÖBl 1986, 92 ua). Im Regelfall kommt es dabei auf den Eindruck an, den der flüchtige Durchschnittskäufer in der Eile des geschäftlichen Verkehrs empfängt (ÖBl 1983, 83 ua). Wegen der geringeren Aufmerksamkeit, die der Verkehr beim Einkauf von Massenartikeln aufwendet, ist dort die Gefahr von Verwechslungen größer (SZ 39/45); sie ist hingegen bei Waren, die kritischer und mit erhöhter Aufmerksamkeit eingekauft werden, geringer (ÖBl 1986, 28). Wenn - wie hier - die Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder das Fachwissen des Richters genügen, wird die Beurteilung der Verwechslungsgefahr als Rechtsfrage angesehen (ÖBl 1985, 105).
Die Gefahr der Verwechslung zweier Bezeichnungen kann auf der Gleichheit oder Ählichkeit ihres Bildes, ihres Klanges oder ihres Sinnes beruhen; besteht sie auch nur in einer dieser Richtungen, dann muß sie bejaht werden (Hohenecker-Friedl aaO). Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten zweier Zeichen können die Verwechslungsgefahr aber nur dann begründen, wenn sie an sich geeignet sind, betriebliche Herkunftsvorstellungen auszulösen (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 1202 Rz 49 zu § 16 dUWG, 1205 Rz 58 zu § 16 dUWG, 1207 Rz 59 c zu § 16 dUWG, 1232 Rz 114 zu § 16 dUWG, ÖBl 1988, 41 betreffend den gemeinsamen Wortstamm mehrerer Zeichen). Das gilt insbesondere auch für den gemeinsamen Sinngehalt mehrerer Zeichen (Baumbach-Hefermehl, Warenzeichenrecht12, 891 Rz 52 zu § 31 WZG).
Im vorliegenden Fall ist zunächst davon auszugehen, daß dem Kauf von Kraftfahrzeugen regelmäßig ein kritischer Vergleich der in Frage kommenden Fabrikate und Typen vorangeht, so daß wegen der dabei aufgewendeten Aufmerksamkeit auch kleinere Unterschiede der Kennzeichen der Hersteller auffallen und die Gefahr von Verwechslungen beseitigen können. Die Verwechslungsgefahr im engeren Sinn besteht hier schon deshalb nicht, weil die Parteien ihre Fahrzeuge nicht nur mit dem auf einen Allradantrieb hinweisenden Zeichen, sondern auch mit ihren Marken- und Modellbezeichnungen versehen haben. Aber auch der Vergleich der strittigen Bezeichnungen "quattro" und "Quadra" allein ergibt nicht die Gefahr von Verwechslungen. Bei reinen Wortmarken ohne typische Schriftzeichen kommt der Bildwirkung nur geringe Bedeutung zu (Baumbach-Hefermehl, Warenzeichenrecht12, 889 Rz 51 zu § 31 WZG). Die Verwendung gleichartiger Schriftzeichen wurde im vorliegenden Fall nicht behauptet; sie liegt auch nicht vor. Die Bildwirkung der Worte "quattro" und "Quadra" ist jedoch - bei Verwendung von Druckbuchstaben - trotz der gleichen Anfangsbuchstaben und der Ähnlichkeiten der Buchstaben "a" und "o" wegen der Unterschiede im Schriftbild der Buchstaben "tt" und "d" als unterschiedlich zu beurteilen. Stellt man aber das Schriftbild der von der Klägerin generell verwendeten Druckbuchstaben des Wortes "quattro" dem Schriftbild des Wortes "QUADRA" in Blockbuchstaben (die Beklagte verwendet auf ihren Kraftfahrzeugen für dieses Zeichen Blockbuchstaben) gegenüber, dann ergibt sich ein völlig anderes Schriftbild. Auch im Wortklang führen die Konsonanten "tt" und "d" zu einem wesentlchen Unterschied: Während die Betonung beim Wort "quattro" auf der ersten Silbe liegt und die Buchstaben "tt" hart ausgesprochen werden, liegt die Betonung beim Wort "Quadra" auf beiden Silben; der Buchstabe "d" wird dagegen weich ausgesprochen. Wegen dieser unterschiedlichen Betonung wird auch der Unterschied beim Klang der Buchstaben "a" und "o" hervorgehoben. Schließlich ergibt auch der Wortsinn keine Übereinstimmung. "quattro" ist in der italienischen Sprache das Zahlwort für "vier"; das ist in Österreich weitesten Kreisen der Bevölkerung bekannt. Das Kunstwort "Quadra" hingegen hat keine Bedeutung. Schon darin liegt ein wesentlicher Unterschied. Wollte man aber aus der Ähnlichkeit mit dem Wort "Quadrat" und der dadurch ausgelösten Assoziation zur Zahl "vier" einen gleichen Sinngehalt der Zeichen ableiten, dann wäre diese Übereinstimmung mangels ihrer Eignung, auf die Herkunft der Ware auf einen bestimmten Begriff hinzuweisen, für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr unbeachtlich. Die Zahl "vier" ist in den wesentlichen im Verkehr zur Bezeichnung des Allradantriebes gebräuchlichen Kennzeichen "4 WD", "4 x 4" und "4-Matic" enthalten, ohne daß daraus Herkunftsvorstellungen abgeleitet würden. Dieser - zur Erweckung von Herkunftsvorstellungen
ungeeignete - gleiche Sinngehalt der Kennzeichen ist für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ohne Bedeutung. Auch ein Hinweis auf eine - im Automobilbau häufig gepflogene - Zusammenarbeit der Streitteile (Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn) auf dem Gebiet des Allradantriebes ergibt sich daraus nicht; auch ist nicht zu sehen, warum der Verkehr daraus ableiten könnte, daß der von der Beklagten verwendete Allradantrieb aus dem Allradantrieb der Klägerin weiterentwickelt worden sei. Daß die Klägerin bei der Entwicklung des permanenten Allradantriebes Pionierarbeit geleistet hat, kann die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn ebenfalls nicht begründen. Das wäre im übrigen ein nicht in einer gewissen Ähnlichkeit der Kennzeichen der Streitteile liegender Umstand. Durch die Verwendung der Zahl "4" oder von Zeichen mit diesem Sinngehalt als Kennzeichenbestandteil für einen Allradantrieb besteht daher wegen der Vielzahl von Unternehmen, die allradgetriebene Personenkraftwagen bauen und in ihren Kennzeichen dafür ua die Zahl "4" verwenden, nicht die Gefahr, daß Zusammenhänge zwischen einzelnen von ihnen vermutet werden. Worin sonst aber ein Anhaltspunkt für die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn liegen sollte, hat die Klägerin nicht dargetan.
Aus den dargelegten Erwägungen war der Revision daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E22140European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00061.9.1023.000Dokumentnummer
JJT_19901023_OGH0002_0040OB00061_9000000_000