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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des Z Q in H, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Bahnhofstraße 21, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 14. April 2003, Zl. Ia 370-895/2002, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. April 2003 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers - eines 1969 geborenen pakistanischen Staatsangehörigen - auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.
Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer habe seit 26. September 1991 ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich. Am 10. Februar 1995 habe er mit einer um 42 Jahre älteren österreichischen Staatsbürgerin die Ehe geschlossen. Der Fremdenakt enthalte Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer seine österreichische Gattin nur geheiratet habe, damit er die österreichische Staatsbürgerschaft erhalte bzw. ohne das Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung eine Arbeit in Österreich aufnehmen könne. Die Ehe sei mit Urteil vom 1. Juni 2001 geschieden worden; im Scheidungsurteil sei festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer seit der Verehelichung von seiner Gattin getrennt lebe und seine Unterhaltsverpflichtung vernachlässigt habe. Anlässlich einer Vorsprache des Beschwerdeführers am 20. März 2003 sei festgestellt worden, dass er mit starkem Akzent spreche. Aus der beim Amt der Vorarlberger Landesregierung aufgenommenen Niederschrift vom 20. März 2003 gehe hervor, dass "der Satzaufbau grammatikalisch falsch ist und es praktisch nicht möglich war mit dem Antragsteller ein Gespräch zu führen, das für den Gegenüber nicht als mühevoll empfunden wird; Fragen wurden nur mit einzelnen Schlagworten oder Bruchstücken eines Satzes beantwortet".
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 25. September 1996 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe im Ausmaß von 80 Tagessätzen verurteilt worden, weil er "seine Ehefrau I Q im Jänner 1996 durch Versetzen von Faustschlägen gegen deren Nase am Körper verletzt hat. Im Februar 1996 hat der Antragsteller durch einen Biss gegen die linke Wange seiner Ehegattin, diese neuerlich am Körper verletzt". Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1999 mit fünf näher bezeichneten Bescheiden jeweils wegen Verwaltungsübertretungen nach dem KFG 1967 bestraft worden.
Aufgrund der Dauer des Hauptwohnsitzes in Österreich komme eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 StbG in Frage. Der Beschwerdeführer habe seit 1999 immer wieder saisonweise als Helfer im Stahlbau gearbeitet, und er sei seit etwa drei Jahren bei einem Sparverein in Hörbranz, bei dem er sich einmal in der Woche mit den Vereinsmitgliedern treffe. Trotz seiner langjährigen Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen verfüge er nicht über Kenntnisse der deutschen Sprache, die über die Beantwortung von Fragen hinausgehen und es ermöglichen würden, eine Gespräch mit ihm zu führen. Weiterreichende Fähigkeiten, wie etwa einen vorgegebenen Text zu lesen und etwas Schriftliches auszuarbeiten, seien praktisch nicht vorhanden. Bei dem für die Verleihung der Staatsbürgerschaft maßgeblichen Kriterium der Integration komme den "Deutschkenntnissen" besonderes Gewicht zu. Der Beschwerdeführer sei wegen Körperverletzung an der "eigenen Gattin" verurteilt worden; in diesem Zusammenhang sei die besondere Verwerflichkeit von Gewalttaten innerhalb des Familienverbandes zu erwähnen und darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer eine im Tatzeitpunkt 69 Jahre alte Person geschlagen habe. Dieses Verhalten zeige deutlich seinen Charakter auf.
Ausgehend von diesen Überlegungen könne wegen seiner mangelnden Integration eine Ermessensübung nach § 11 StbG nicht zugunsten des Beschwerdeführers erfolgen. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 leg. cit. scheide daher ebenso aus wie eine solche nach den §§ 11a, 12, 13 und 14 StbG.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde geht davon aus, dass der Beschwerdeführer die Einbürgerungserfordernisse des § 10 Abs. 1 StbG erfülle, und dass auch § 10a leg. cit. - ungeachtet der Probleme, sich in deutscher Sprache zu verständigen - der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht entgegenstehe (vgl. insoweit das ausdrückliche Vorbringen in der Gegenschrift der belangten Behörde, wonach der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht gemäß § 10a StbG abgewiesen worden sei).
Insoweit im Rahmen der Ermessensübung nach § 11 StbG die Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers als mangelhaft beurteilt und als Integrationshindernis angesehen wurden, entspricht der angefochtene Bescheid nicht den Begründungserfordernissen des § 60 AVG, weil die Grundlagen für diese Beurteilung dem Bescheid nicht entnehmbar sind. Schon aus diesem Grund ist das darauf gestützte Integrationshindernis einer nachprüfenden Kontrolle nicht zugänglich (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2003/01/0481, und die darin angegebene Judikatur).
Die auf die Deutschkenntnisse gestützte Beurteilung der Integration erweist sich aber zudem aus den im hg. Erkenntnis vom 9. September 2003, Zl. 2002/01/0459, genannten Gründen als fehlerhaft. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen (vgl. überdies die hg. Erkenntnisse vom 12. April 2005, Zl. 2003/01/0107, und vom 16. Juli 2003, Zl. 2002/01/0186).
Vorliegend hat die belangte Behörde ihre Ermessensübung - lediglich unter dem Gesichtspunkt der Integration - zulasten des Beschwerdeführers auch damit begründet, dass er mit einem Urteil vom 25. September 1996 wegen Körperverletzung an seiner (damaligen) Ehegattin verurteilt und bestraft worden sei. Der Tatzeitraum der Straftaten (Jänner und Februar 1996) liegt mehr als sieben Jahre vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides. Insoweit sich das Argument einer "mangelnden Integration" des Beschwerdeführers, das die belangte Behörde ihrer Ermessensübung ausschließlich zugrunde gelegt hat, auf diese Straftaten stützt, ist dem entgegenzuhalten, dass die Begehung strafbarer Handlungen bezüglich der Frage der Integration eines Einbürgerungswerbers - in der Regel - keine Aussagekraft besitzt (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. April 2004, Zl. 2003/01/0429, und vom 8. März 2005, Zl. 2004/01/0166). Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Andere integrationshindernde Umstände sind nicht hervorgekommen. Nach dem Gesagten wurde somit das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand ein Ersatz von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 13. Dezember 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003010303.X00Im RIS seit
12.01.2006