Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Tamara H***, geboren am 26. Juni 1985, 9064 Pischeldorf, Otmanach Nr. 38, vertreten durch den besonderen Sachwalter Bezirkshauptmannschaft St. Veit a.d.Glan (Jugendamt), infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 15. März 1990, GZ 3 R 79/90-83, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Veit a. d.Glan vom 6. Februar 1990, GZ 1 P 269/85-79, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Johann K***, der uneheliche Vater der minderjährigen Tamara H***, war auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 24. März 1988 (ON 49) zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.500 verpflichtet.
Mit dem am 10. Jänner 1990 beim Erstgericht eingelangten Schreiben (ON 76) beantragte der im Gefangenenhaus des Landesgerichtes Klagenfurt einsitzende Johann K*** unter Hinweis auf den Umstand, daß er eine Zusatzstrafe von 3 Monaten bekommen habe und somit erst vorau sichtlich am 25. März 1990 aus der Haft entlassen werde "für diesen Zeitraum die Freistellung von der Unterhaltspflicht". Tatsächlich war Johann K*** bereits am 25. September 1989 in Strafhaft.
Das Erstgericht gab dem Antrag des Johann K*** - im Einklang mit der Stellungnahme des Jugendamtes - für die Zeit vom 1. Februar 1990 bis 31. März 1990 Folge und wies das Mehrbegehren ab. Da der Unterhaltsbefreiungsantrag erst am 10. Jänner 1990 bei Gericht eingelangt sei und einem solchen Antrag grundsätzlich erst mit dem auf den Tag der Antragstellung folgenden Monatsersten stattgegeben werden könne, habe der Antrag des Johann K*** nur für die Zeit vom 1. Februar 1990 bis 31. März 1990 erfolgreich sein können. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Johann K***, gerichtet auf Unterhaltsenthebung für die ganze Haftzeit (25.September 1989 bis 25. März 1990) teilweise Folge, in dem es die Unterhaltsbefreiung für die Zeit vom 1. Oktober 1989 bis 31. März 1990 aussprach und lediglich das Mehrbegehren für die Zeit vom 25. September 1989 bis 30. September 1989 abwies. Es sprach die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses nach § 14 Abs 1 AußStrG aus.
Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß eine Unterhaltsherabsetzung auch für einen in der Vergangenheit gelegenen Zeitraum erfolgen könne. Die Befreiung komme allerdings nicht schon mit 25. September 1989 in Betracht, weil der Unterhaltsbeitrag für September 1989 nach dem Inhalt des Unterhaltstitels bereits am 1. September 1989 fällig geworden sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der minderjährigen Tamara H*** ist nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, daß Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens nur die Enthebung von der Unterhaltspflicht für die Zeit ab 1. Oktober 1989 ist, nicht jedoch der die Zeit vom 25. September 1989 bis 30. September 1989 betreffende, rechtskräftig gewordene abweisende Teil der rekursgerichtlichen Entscheidung. Mit den diesbezüglichen Rechtsausführungen des Rekursgerichtes hat sich daher der Oberste Gerichtshof nicht zu befassen.
Seit der zu 6 Ob 544/87 ergangenen Entscheidung eines verstärkten Senates des Obersten Gerichtshofes (SZ 61/143 = JBl 1988, 586 = EvBl 1988/123 = ÖAV 1988, 79 = AnwBl 1989, 294) können Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit gestellt werden. Zutreffend folgerte daraus die Lehre (so Pichler in ÖAV 1988, 69), daß nun auch Einstellung oder Herabsetzung der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit möglich ist, sofern sich der hiefür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklichte. Dem ist beizupflichten, und zwar umso mehr, als auch schon bisher im Falle der Exekutionsführung seitens des Unterhaltsberechtigten über Oppositionsklage des Unterhaltsverpflichteten solche vergangene Zeiträume betreffende Einstellungen oder Herabsetzungen der Unterhaltspflicht möglich waren (EFSlg 44.165 ua). Es ist nicht einzusehen, warum der Unterhaltspflichtige gehalten sein sollte, erst eine Exekutionsführung seitens des Unterhaltsberechtigten abwarten zu müssen, um die von ihm behauptete Minderung der Unterhaltspflicht für die Vergangenheit geltend machen zu können. Die Zulässigkeit des Verfahrens Außerstreitsachen für derartige Anträge wurde vom erkennenden Senat bereits ausgesprochen (EvBl 1990/2). Überdies sprach der erkennende Senat - allerdings im Rahmen eines Unterhaltserhöhungsverfahrens - ganz allgemein aus (5 Ob 610/89), daß unabhängig davon, ob die seinerzeitige Unterhaltsbemessung durch gerichtlichen Vergleich oder gerichtliche Entscheidung erfolgte, eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit immer dann erfolgen darf, wenn wegen Änderung der Verhältnisse (ganz allgemein!) die seinerzeitige Unterhaltsbemessung wegen der ihr innewohnenden Umstandsklausel nicht mehr bindend blieb. An diesen Grundsätzen hält der Oberste Gerichtshof auch in dem nunmehr, die Unterhaltsenthebung für die Vergangenheit betreffenden Fall fest.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E22144European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00564.9.1023.000Dokumentnummer
JJT_19901023_OGH0002_0050OB00564_9000000_000