TE OGH 1990/10/24 9ObA130/90

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Veröffentlicht am 24.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Elmar Peterlunger und Walter Benesch in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Anton G***, Angestellter, Linz, Hauptstraße 33, vertreten durch Dr.Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei V*** A*** AG, Linz, Muldenstraße 5, vertreten durch Dr.Harry Zamponi und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15.Februar 1990, GZ 13 Ra 105/89-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5.Juli 1989, GZ 15 Cga 36/89-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 603,84 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist am 26.5.1934 geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 11 und 7 Jahren. Die Gattin ist Hausfrau und hat kein Einkommen. Der Kläger bewohnt mit seiner Familie eine Eigentumswohnung, die er Anfang 1986 gekauft hat. Er finanzierte diese Wohnung über ein Darlehen und zahlt dafür monatlich 7.200 S zuzüglich Betriebskosten zurück. Der Kläger studierte an der Technischen Hochschule Graz technische Chemie und beendete sein Studium im Jahr 1963. Nach Absolvierung des Wehrdienstes arbeitete er zuerst in einem anorganischen Chemielaboratorium im Innenministerium in Athen und anschließend im Gaswerk Athen. Dort war er Chef des Laboratoriums und dann Betriebsleiter. Seit 1.10.1972 ist der Kläger im Bereich Industrieanlagenbau der beklagten Partei als technischer Angestellter tätig. Er war vorerst als Sachbearbeiter in der Abteilung petrochemische Anlagen eingesetzt und war in den ersten Jahren mit verfahrenstechnischen Berechnungen für diverse Vorprojekte und Aufträge, wie zB die Raffinerie Kongo, betraut. In der Folge leitete er für den Auftrag Äthylenoxidanlage Buna/DDR für das Teilobjekt Rückstandsverbrennung das Engineering, wobei chemische und verfahrenstechnische Probleme zu lösen waren. Darüber hinaus war er Abwicklungsleiter für den Zukauf von Equipment sowie die Koordination der Lieferung dieser Teilanlage und leitete deren Inbetriebsetzung. Im Oktober 1981 wechselte der Kläger auf eigenen Wunsch in die Abteilung anorganische Chemie- und Düngemitteltechnik, wo seine Tätigkeit die Mitarbeit an Vorprojekten auf dem Gebiet der Kohlechemie umfaßte. Er war mit Koordinationsaufgaben für die Anboterstellung sowie mit prozeß- und verfahrenstechnischen Berechnungen befaßt. Unter anderem bearbeitete er Vorprojekte für eine Kohlemahlanlage, für Gasaufbereitungsanlagen (LNG/LPG) und Gasgeneratoren sowie den internen Kokereiausbau. Die Chemieabteilung, in der der Kläger arbeitete, wurde mit 1.10.1986 wegen mangelnder Auslastung mit einer anderen Abteilung zusammengelegt. Der Kläger arbeitete zuletzt in der Abteilung ECC 3, und zwar vom 1.10.1986 bis 15.4.1987. In dieser Abteilung werden Vorprojekte erstellt, dh Unterlagen zusammengetragen und Offerte zusammengestellt. Dafür ist eine chemische Ausbildung wie jene des Klägers nicht erforderlich. In dieser Abteilung waren bis Oktober 1986 3 Personen beschäftigt, dann wurde der Stand auf 6 aufgestockt; Arbeit war jedoch nur für 2 Personen vorhanden. Die Abteilung wird in Zukunft mit 2 Mitarbeitern weiterbestehen. Der Kläger hat im EDV-Bereich bisher nicht gearbeitet und auch keine EDV-Ausbildung erworben. Er sowie seine Kinder sind österreichische Staatsbürger. Der Kläger war zuletzt in der Verwendungsgruppe V/18 beschäftigt. Das kollektivvertragliche Mindestgehalt betrug 33.752 S. Tatsächlich bezog der Kläger ein Bruttogehalt von 36.080 S. Nachdem interne Vermittlungsversuche gescheitert waren, wurde der Kläger von der beklagten Partei mit 15.1.1987 gekündigt.

Ing. Thomas B*** war zum Kündigungszeitpunkt 25 Jahre alt; er hat zwei Kinder und ist verheiratet. Eine Sorgepflicht trifft ihn jedoch nur für die beiden Kinder, da seine Gattin über ein eigenes Monatseinkommen von rund 14.000 S brutto verfügt. Ing. B*** war in der Angebotszusammenstellung (ECC 2) tätig, hatte dort Koordinationsaufgaben zu erfüllen, war in die Verwendungsgruppe IV/2 eingestuft und verdiente monatlich brutto 18.400 S. Der kollektivvertragliche Mindestbezug betrug 15.941 S. Ing. B*** führt lediglich Hilfstätigkeiten für die im Zeugnis des Klägers beschriebenen Tätigkeiten aus, jedoch könnte auch der Kläger diese Tätigkeiten verrichten. "Überdurchschnittliche" Schulden hat Ing. B*** nicht.

Der Kläger ist bereit, die Tätigkeit Ing. B*** auszuführen und zu einem Gehalt in der Verwendungsgruppe IV/18 (kollektivvertraglicher Mindestgehalt 23.653 S) unter Aufrechterhaltung der ihm in seinem letzten Gehalt gewährten Überzahlung von 6,9 % zu arbeiten. Dieses Gehalt betrug zum Kündigungszeitpunkt 25.285 S. Bei Einstufung in die Verwendungsgruppe IV entspricht das Gehalt der Verwendungsgruppe IV/18 der dienstrechtlichen Stellung des Klägers im Hinblick auf seine bisherige Verwendungsdauer im Betrieb. Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang der Klage statt. Ausgehend von der Aufhebungsentscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang führte es aus, bei Vornahme des Sozialvergleiches sei grundsätzlich von der Verwendung des Klägers entsprechend seinem Anstellungsvertrag auszugehen, doch seien auch minder qualifizierte Arbeitnehmer in den Sozialvergleich einzubeziehen, wenn der zu kündigende höher qualifizierte Arbeitnehmer sowohl willens als auch fähig sei, eine minder qualifizierte Arbeit auszuführen und bereit sei, auch entgeltmäßig in die arbeitsrechtliche Stellung der Vergleichsperson einzutreten, also einer vertraglichen Änderung seines Arbeitsentgeltes zustimme. Da dem Kläger vor seiner Kündigung keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und auch ein außergerichtlicher Sozialvergleich nicht durchgeführt worden sei, sei seine erst im zweiten Rechtsgang erklärte Bereitschaft für das nach den oben angeführten Richtlinien reduzierte Gehalt in einer minder qualifizierten Position zu arbeiten, zulässig und keinesfalls verspätet. Ing. B*** sei zum Kündigungszeitpunkt erst 25 Jahre alt gewesen, er sei verheiratet und habe zwei Kinder; seine Ehefrau verfüge über ein eigenes Einkommen von 14.000 S monatlich brutto. Da der Kläger bereits 53 Jahre alt sei, für eine Frau und zwei Kinder sorgepflichtig und außerdem mit einer finanziellen Verbindlichkeit für eine erst kurz vor der Kündigung angeschaffte Eigentumswohnung belastet sei, da er ferner wesentlich länger als Ing. B*** im Unternehmen der beklagten Partei beschäftigt sei und durch das höhere Alter geringere Chancen habe, eine neue Beschäftigung zu finden, bedeute die Kündigung für den Kläger eine größere soziale Härte als für Ing. B***. Der Kläger habe seine Bereitschaft erklärt, eine minder qualifizierte Tätigkeit für ein Gehalt der Verwendungsgruppe IV/18 unter Beibehaltung der ihm gewährten Überzahlung von 6,9 % zu verrichten. Dies ergebe ein Einkommen von 25.285,40 S. Dieser Betrag liege - ausgehend von der diesem gewährten Überzahlung - deutlich unter dem fiktiven Einkommen Ing. B*** in der Verwendungsgruppe IV/18, weshalb der Sozialvergleich zwischen Ing. B*** und dem Kläger zugunsten des Klägers ausfalle. Da die Kündigung für den Kläger eine größere soziale Härte als für Ing. B*** sei und der Kläger auch fähig und willens sei, die Arbeit Ing. B*** unter entsprechender Gehaltsverminderung durchzuführen, komme der Kündigungsanfechtung Berechtigung zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wobei es im wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes beitrat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nicht mehr strittig ist im Revisionsverfahren, daß die Kündigung betriebsbedingt war und durch sie wesentliche Interessen des Klägers beeinträchtigt wurden. Bezüglich der Einbeziehung Ing. B*** in den Sozialvergleich im Hinblick auf dessen gegenüber der bisherigen Verwendung des Klägers untergeordnete Tätigkeit ist auf die Entscheidung im ersten Rechtsgang zu verweisen.

Die Revisionswerberin macht im wesentlichen nur geltend, daß die erst im zweiten Rechtsgang abgegebene Erklärung des Klägers, daß er bereit sei, gegen ein Gehalt von 25.285 S zu arbeiten, wegen Verspätung nicht rechtswirksam gewesen sei. Wenn ein Dienstnehmer die Vornahme eines Sozialvergleiches beantrage, sei es seine Sache, die entsprechenden, seinen Anfechtungsanspruch unterstützenden Tatsachenbehauptungen aufzustellen. Auch die Behauptung, der Anfechtende sei in der Lage, die Arbeit der von ihm namhaft gemachten Vergleichspersonen zu leisten, und er sei auch bereit, zum relativ gleichen Entgelt wie die im Sozialvergleich namhaft gemachte Person zu arbeiten, sei spätestens bei der Kündigungsanfechtung abzugeben. Der Kläger habe im ersten Rechtsgang erklärt, eine Reduzierung seiner Bezüge auf 30.000 S, jedoch nicht auf einen geringeren Betrag, zu akzeptieren. Von dieser Erklärung sei auch für den zweiten Rechtsgang auszugehen; der Kläger habe von dieser Erklärung nicht rechtswirksam abgehen können. Da der fiktive Gehalt bei Ausübung der Tätigkeit Ing. B*** wesentlich darunter liege, könne nicht davon ausgegangen werden, daß er bereit sei, dessen Tätigkeit mit allen Konsequenzen zu übernehmen.

Diese Auffassungen sind verfehlt. Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz schon im ersten Rechtsgang die Sozialwidrigkeit der Kündigung behauptet und unter anderem auch Ing. B*** zum Sozialvergleich namhaft gemacht. Die beklagte Partei hat dem bloß entgegengehalten, daß der Kläger nicht in der Lage sei, die Arbeit der zum Sozialvergleich namhaft gemachten Personen - darunter auch die Tätigkeit Ing. B*** - zu verrichten. Bereits zu diesem Zeitpunkt stand fest, daß der Tätigkeitsbereich des für den Sozialvergleich namhaft gemachten Ing. B*** unter dem Ausbildungsniveau des Klägers lag und dieser in einer niedrigeren Qualifikationsstufe als der Kläger beschäftigt war. Der Kläger hat mit der Namhaftmachung Ing. B*** daher seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, in dessen dienstrechtliche Stellung unter Berücksichtigung der bei ihm persönlich bestehenden Voraussetzungen einzutreten. Er brachte dies auch im Rahmen der Parteienaussage durch Erklärung seiner Bereitschaft zur Inkaufnahme einer - dort mit einem Pauschalbetrag angegebenen - Gehaltsreduktion zum Ausdruck. Eine genauere Beurteilung der Einkommenssituation Ing. B*** war ihm zu dieser Zeit nicht möglich. Eine diesen Dienstnehmer betreffende Datenliste lag nämlich nicht vor; diese wurde erst im zweiten Rechtsgang vorgelegt. Dem Kläger mangelte daher bei Abgabe seiner - nicht als Prozeßvorbringen, sondern als Parteienaussage - abgegebenen Erklärung, er sei mit der Herabsetzung seines Gehaltes auf 30.000 S einverstanden, die Kenntnis von der Höhe des Gehaltes, das sich aus der Einstufung Ing. B*** unter Berücksichtigung seiner eigenen dienstrechtlichen Stellung ergab. Die entsprechende Information stand nur der beklagten Partei zur Verfügung. Diese hat im Verfahren erster Instanz im ersten Rechtsgang - wie erwähnt - vorerst lediglich vorgebracht, daß der Kläger nicht in der Lage sei, die Arbeit Ing. B*** zu verrichten und führte unmittelbar vor Schluß der Verhandlung im ersten Rechtsgang aus, daß Ing. B*** auf Grund seiner Einstufung in die Verwendungsgruppe IV/3 einen aktuellen Gehalt von 18.400 S beziehe. Da dem Kläger daher im ersten Rechtsgang keine Grundlage für die Beurteilung der Höhe des bei Übernahme des Arbeitsplatzes Ing. B*** zustehenden Gehaltes zur Verfügung stand, kann seiner - im übrigen vor Erstattung des Vorbringens über die aktuellen Bezüge Ing. B*** durch die beklagte Partei abgegebenen - Parteienaussage einer Herabsetzung seiner Bezüge auf 30.000 S zuzustimmen, nicht das von der Revisionswerberin gewünschte Gewicht beigelegt werden. Die Möglichkeit, die mit der Übernahme des Arbeitsplatzes Ing. B*** verbundenen einkommensmäßigen Auswirkungen einigermaßen verläßlich zu beurteilen, bestand für den Kläger erst nach Vorlage des Ing. B*** betreffenden Personaldatenblattes sowie Erörterung der hierauf aufbauenden einkommensmäßigen Entwicklung im zweiten Rechtsgang. Ausgehend hievon war die in diesem Verfahrensstadium erklärte Zustimmung des Klägers, zu einer entsprechenden Änderung seiner dienstrechtlichen Stellung einschließlich der Reduktion seiner Bezüge auf den sich auf der Basis der Verwendung im Tätigkeitsbereich Ing. B*** ergebenden Betrag der Entscheidung zugrundezulegen. Die von der beklagten Partei vertretene Ansicht, Erklärungen, die nicht bereits in der zur Anfechtung der Kündigung erhobenen Klage abgegeben wurden, könnten im weiteren Verfahren nicht mehr nachgetragen werden, liefe auf die Geltung der Eventualmaxime im Anfechtungsverfahren hinaus. Hiefür besteht aber keine gesetzliche Grundlage. Wohl erfolgte die Erklärung des Klägers in einem relativ späten Verfahrensstadium, doch wäre es Sache der beklagten Partei gewesen, sofort nach Namhaftmachung Ing. B*** zum Sozialvergleich die mit einer Übernahme dieser Tätigkeit für den Kläger verbundenen gehaltsrechtlichen Folgen darzustellen und ihm damit eine Grundlage für seine Stellungnahme zu schaffen.

Zu Recht haben die Vorinstanzen daher im Sinne des Klagebegehrens entschieden, sodaß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 58 ASGG, 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E22028

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00130.9.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19901024_OGH0002_009OBA00130_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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