Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Oktober 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Anneliese U*** und Kurt C*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 3.April 1990, GZ 11 b Vr 149/89- 24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten darauf verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurde Anneliese U*** und Kurt C*** des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB schuldig erkannt.
Inhaltlich des Schuldspruches liegt ihnen zur Last, am 21.September 1988 in Straßhof im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten die U*** unrechtmäßig zu bereichern, Engelbert S*** durch die Vorspiegelung, U*** habe ihn gern, werde mit ihm eine Lebensgemeinschaft eingehen und sei zahlungswillig sowie ausreichend zahlungsfähig, um zumindest 4.000 S (zu ergänzen: monatlich) an Rückzahlungen leisten zu können, obwohl sie aus Gelegenheitsarbeiten lediglich ein monatliches Einkommen zwischen 4.000 S und 5.000 S bezog, das sie für ihren persönlichen Unterhalt benötigte, und keine weiteren Einkünfte oder sonstigen Zahlungen zu erwarten hatte, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich zur Aufnahme eines Kredites und Übergabe von 550.000 S (inhaltlich der Entscheidungsgründe allerdings:
540.000 S) an U*** verleitet, wodurch S*** mit diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Den gegen den Schuldspruch von beiden Angeklagten erhobenen, auf § 281 Abs. 1 Z 4 und 9 lit. a - von U*** auch auf Z 5 - StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden kann Berechtigung nicht versagt werden, soweit Verfahrensmängel (Z 4) geltend gemacht werden. Die in der Hauptverhandlung vom 3.April 1990 (teils als Substitutin) für die beiden Angeklagten einschreitende Verteidigerin beantragte damals die zeugenschaftliche Einvernahme der Hermine R*** zum Beweis dafür, daß S*** "zum damaligen Zeitpunkt" (gemeint: am 21.September 1988) über ihm von Hermine R***
anvertraute Sparbücher habe verfügen können (S 188), und des (namentlich erst auszuforschenden) Vorstandsmitgliedes der Z*** UND K*** W***, Zweigstelle Rennbahnweg (vgl. S 123), zum Beweis dafür, daß S*** - entgegen seiner Aussage (S 183, 189) - dort (bei seinem Versuch einer Kreditaufnahme) keineswegs etwas von einer Lebensgefährtin oder Frau vorgebracht habe, deretwegen er Geld brauche (S 190).
Diese Anträge wurden vom Schöffensenat "wegen hinlänglicher Klärung des Sachverhaltes" abgewiesen (S 192).
In der Urteilsbegründung führte das Erstgericht ergänzend aus, es könne möglich sein, daß S*** eine zeitlang über ihm anvertraute Sparbücher der R*** verfügen durfte und ihm diese Verfügungsbefugnis dann wieder entzogen wurde; dies sei für das gegenständliche Verfahren "nicht von Bedeutung". Es ließ auch dahingestellt, ob S*** dem Bankvorstand eine Mitteilung über eine Lebensgefährtin gemacht habe, weil sich daraus "für das Verfahren entscheidendes nicht gewinnen" lasse; dem Sparkassenbeamten werde außerdem nach dieser langen Zeit das Gespräch nicht mehr erinnerlich sein; zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit S*** werde die begehrte Aussage nicht benötigt (S 211).
Durch die Abweisung der in Rede stehenden Beweisanträge konnten allerdings in der Tat Verteidigungsrechte beeinträchtigt werden:
Nach der Verantwortung der beiden Angeklagten hätte S*** Sparbücher - augenscheinlich solche der Hermine R*** - zur Verfügung gehabt und zum Ausdruck gebracht, damit den von ihm am 21.September 1988 bei der V*** S*** aufgenommenen Kredit von 600.000 S, aus welchem U*** den Barbetrag von 540.000 S erhielt, abdecken zu wollen (S 180, 187, vgl. auch S 100).
Das Schöffengericht ging bei seiner Konstatierung, daß dem Zeugen S*** nicht nur vorgegaukelt wurde, U*** werde eine Lebensgemeinschaft mit ihm eingehen, sondern überdies 4.000 S monatlich auf die an die V*** S*** zu leistenden Rückzahlungsraten beitragen (US 2, 10, 11, 14), ersichtlich davon aus, daß es für den außerordentlich stark sehbehinderten (US 4) und daher häufig einer Unterstützung bedürftigen, über nur 13.000 S Monatseinkommen verfügenden (S 107) S*** wirtschaftlich völlig unvernünftig gewesen wäre, sich mit Kreditrückzahlungsraten von 7.500 S monatlich (US 10 iVm S 135) zu belasten und unmittelbar nach der Darlehensgewährung den Großteil der in bar erhaltenen Darlehensvaluta der Angeklagten U*** zu schenken. Unter dem Aspekt einer allenfalls zur Verfügung stehenden anderweitigen Deckung der Verpflichtung S*** zur Darlehensrückzahlung hätten jedoch möglicherweise andere Schlußfolgerungen gezogen werden können. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes ist daher der Umstand, ob dem Zeugen S*** Sparbücher über namhafte Beträge zur Verfügung standen, sehr wohl von Bedeutung.
Das Schöffengericht konstatierte weiters, der Aussage S*** folgend, daß die Angeklagte U*** ihm das Eingehen einer Lebensgemeinschaft versprochen hatte und hielt die ein derartiges Versprechen negierende Verantwortung der beiden Angeklagten für unglaubwürdig.
In Anbetracht der Aussage S***, daß er anläßlich einer Vorsprache bei der sein Pensionskonto führenden Bank eine Lebensgefährtin als Grund für einen - von dieser Bank abgelehnten - Kreditwunsch genannt habe, weswegen er vom Angeklagten C*** gerügt worden sei (S 183), konnte eine Prüfung dieser Behauptung durch Vernehmung des Gesprächspartners nicht abgelehnt werden. Eine - unmißverständliche und für glaubwürdig gehaltene - gegenteilige Aussage könnte in der Tat geeignet sein, die Glaubwürdigkeit S*** zu erschüttern, dessen Aussage auch das Schöffengericht nicht voll folgte. Denn es stellte fest, daß er im Juli 1988 gegenüber der Angeklagten U*** (sexuell) zudringlich wurde und sie diese "Annäherungsversuche" zurückwies (US 7, 14), wiewohl S*** derartiges ausdrücklich in Abrede stellte (S 108); es folgte damit insoweit der Verantwortung der Angeklagten U*** (S 91), ohne hiezu im übrigen zu begründen, warum es in diesem Punkt S*** nicht für glaubwürdig befand.
Die Begründung, wonach dem beantragten Zeugen das "Gespräch nicht mehr erinnerlich sein wird", stellt sich als Vorwegnahme eines möglichen Inhaltes einer Zeugenaussage dar und ist für die Abweisung des Beweisantrages nicht tragfähig und unzureichend. Bereits aus dem aufgezeigten Verfahrensmangel war nach Anhörung der Generalprokuratur sofort bei einer nichtöffentlichen Beratung mit Aufhebung des angefochtenen Urteils und Anordnung der Verfahrenserneuerung vorzugehen (§ 285 e StPO), ohne daß es noch eines näheren Eingehens auf die weiteren geltend gemachten Beschwerdegründe bedurfte. Nur am Rande sei zu den Ausführungen in den Rechtsrügen darauf hingewiesen, daß das Vortäuschen, eine Lebensgemeinschaft eingehen zu wollen - ebenso wie die Täuschung über die Ernsthaftigkeit eines Heiratswillens (Kienapfel BT II2 Rz 29 zu § 146) -, sehr wohl eine Täuschung über Tatsachen darstellt.
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E22246European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00106.9.1024.000Dokumentnummer
JJT_19901024_OGH0002_0110OS00106_9000000_000