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43/01 Wehrrecht allgemein;Norm
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in 8430 Leibnitz, Kadagasse 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 28. Juli 2005, Zl. P844140/1-PersC/2005, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1985 geborene Beschwerdeführer, der anlässlich seiner Stellung am 1. April 2003 für "vorübergehend untauglich" erklärt worden war, wurde anlässlich seiner neuerlichen Stellung am 18. Mai 2004 für "tauglich" erklärt.
Mit Schreiben vom 25. August 2004 beantragte der Beschwerdeführer, ihn von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes zu befreien. Er und seine Eltern bewirtschafteten Weingärten im Ausmaß von 5,2 ha auf teilweise sehr steilen Hängen. Die Arbeit erfordere starken körperlichen Einsatz. Sein Vater habe am 17. Februar 1999 einen schweren Arbeitsunfall erlitten und sei zu 20 % erwerbsgemindert, beide Elternteile seien auch an Bluthochdruck erkrankt. Schon im Sommer 2003 habe er nach Abschluss der Weinbaufachschule die gesamte Verantwortung für die Kellerwirtschaft und den Verkauf übernehmen müssen. Ohne Befreiung vom Grundwehrdienst sei "der gesamte Betrieb langfristig gefährdet".
Mit Bescheid vom 4. Mai 2005 wies das Militärkommando Steiermark den Antrag des Beschwerdeführers ab und begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass wirtschaftliche Interessen an der Befreiung im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 Wehrgesetz 2001 nur bei den Eltern des Beschwerdeführers als Eigentümer des Betriebes gegeben seien, nicht aber beim Beschwerdeführer selbst. Es fehle auch an besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen, weil solche nur dann vorlägen, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung des Wehrpflichtigen bedürfe, die ihm dieser aber wegen der Leistung des Grundwehrdienstes nicht gewähren könne, und wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde. Eine notwendige Pflege der Eltern des Beschwerdeführers durch diesen sei gar nicht vorgebracht worden, eine Gefährdung sonstiger lebenswichtiger Interessen (am Betrieb als Existenzgrundlage der Eltern) könne in der präsenzdienstbedingten Abwesenheit des Beschwerdeführers für acht Monate nicht erblickt werden, zumal dem Beschwerdeführer auch die Absolvierung der Weinbaufachschule (von September 1999 bis April 2003) möglich gewesen sei, obwohl die gesundheitlichen Einschränkungen seiner Eltern schon damals bestanden hätten. Der Beschwerdeführer hätte zudem seine Angelegenheiten so ordnen müssen, dass ihm die Leistung des Präsenzdienstes möglich sei, weil absehbar gewesen sei, dass sich der Gesundheitszustand seiner Eltern eher verschlechtern werde und der Beschwerdeführer nach seiner erstmaligen Stellung am 1. April 2003 nicht damit rechnen habe können, (auf Dauer) für untauglich erklärt zu werden. Im Übrigen sei zur Unterstützung eines Familienmitgliedes die gesamte Familie berufen, weshalb auch die Schwester des Beschwerdeführers, die neben ihrer beruflichen Tätigkeit als Hausfrau schon bisher stundenweise im elterlichen Betrieb mitgeholfen habe, zur vermehrten Unterstützung der Eltern verpflichtet sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, dass sich der Gesundheitszustand seines Vaters nach Absolvierung der Weinbaufachschule durch den Beschwerdeführer deutlich verschlechtert habe. Notwendige Ersatzarbeitskräfte könnten schon wegen des erforderlichen Spezialwissens und des häufig kurzfristig gebotenen Arbeitseinsatzes nicht erlangt werden. Der Hinweis auf die mögliche Unterstützung seiner Eltern durch seine Schwester übersehe, dass diese vorrangig für ihre eigene Familie zu sorgen habe. Schon auf Grund der notwendigen langfristigen Betriebssicherung (die eine Pachtung weiterer Weinbauflächen erfordert habe) und der vorgesehenen Übernahme des Betriebs durch den Beschwerdeführer habe auch er selbst ein eigenes wirtschaftliches Interesse.
Mit dem nun beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung ab. Auch wenn der Beschwerdeführer als Nachfolger seiner Eltern als Betriebsführer vorgesehen sei und zur Existenzsicherung eine Neuanlage von Weingärten auf zugepachteten Flächen durchgeführt worden sei, ändere dies nichts daran, dass die wirtschaftlichen Interessen an der Befreiung derzeit nur bei den Eltern des Beschwerdeführers, die Eigentümer des Betriebes seien, lägen; auf allfällige in der Zukunft liegende Ereignisse sei nicht abzustellen. Wohl bestünden familiäre Interessen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 des Wehrgesetzes 2001, doch seien diese nicht besonders rücksichtswürdig und könnten daher nicht zu einer Befreiung des Beschwerdeführers von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes führen. Von einer Existenzgefährdung der Eltern des Beschwerdeführers könne nämlich schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil sein Vater eine Pension beziehe, also über ein geregeltes Einkommen verfüge. Die aus der Leistung des Grundwehrdienstes resultierenden wirtschaftlichen Nachteile für die Eltern des Beschwerdeführers seien nicht besonders rücksichtswürdig, weil in Kenntnis der noch zu erfüllenden Präsenzdienstverpflichtung zusätzliche betriebliche Verpflichtungen (Pachtung weiterer Weingartenflächen) eingegangen worden seien.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebliche Bestimmung des § 26 des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001), BGBl. I Nr. 146/2001 idF BGBl. I Nr. 58/2005, lautet auszugsweise:
"Befreiung und Aufschub
§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien
1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und
2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern. Als sonstige öffentliche Interessen gelten
insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung zu verfügen."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 zunächst voraus, dass der Wehrdienstpflichtige selbst Unternehmensinhaber (somit selbständiger Einzelunternehmer, Mitinhaber bzw. Gesellschafter im Falle des Betriebes des Unternehmens durch eine Gesellschaft) ist. Weiters ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der Wehrpflichtige gehalten ist, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinn der Bestimmungen des Wehrgesetzes angesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 2005, Zl. 2003/11/0026, mwN). Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer nicht selbst Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem er arbeitet; vielmehr sind dies seine Eltern. Im Lichte der eben dargestellten Rechtsprechung ist das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 daher auszuschließen. Die künftig vorgesehene Übernahme dieses Betriebes durch den Beschwerdeführer vermag nämlich ein wirtschaftliches Interesse des Beschwerdeführers an seiner Befreiung nicht zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 1995, Zl. 94/11/0402, mwN).
Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann gegeben, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewährleisten könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist. Zur Gefährdung sonstiger lebenswichtiger Interessen gehört auch die Gefährdung der Existenzgrundlage (vgl. auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis vom 29. September 2005).
Der Beschwerdeführer vertritt dazu - weiterhin - die Auffassung, ohne seine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes sei die Existenz des elterlichen Betriebes gefährdet. Auf Grund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen seiner Eltern könnten diese nicht mehr wie früher im Betrieb mitarbeiten. Seine eigene Arbeitskraft könne nicht durch Arbeitsleistungen einer landwirtschaftlichen Betriebshilfeorganisation ("Maschinenring") ersetzt werden, weil diesen Personen das entsprechende Fachwissen im Bereich der Kellerei fehle. Seine Schwester, auf deren Mithilfe ihn die belangte Behörde verwiesen habe, sei verheiratet, habe für einen eigenen schulpflichtigen Sohn zu sorgen und helfe ohnehin schon stundenweise im Buschenschankbetrieb aus; eine weitere Anspannung sei ihr nicht möglich.
Ausgehend davon, dass nicht nur der Wehrpflichtige selbst seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der absehbaren Leistung des Präsenzdienstes zu harmonisieren hat, sondern dies auch auf jene Familienangehörige zutrifft, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/11/0022), kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie einen Verstoß gegen die Harmonisierungsverpflichtung deshalb angenommen hat, weil in Kenntnis der bevorstehenden Präsenzdienstverpflichtung des Beschwerdeführers weitere Weingartenflächen gepachtet wurden. Spätestens nach Feststellung der Eignung des Beschwerdeführers mit "vorübergehend untauglich" im April 2003 konnte nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer für (dauernd) untauglich befunden werden würde. Die "Übernahme der Gesamtverantwortung für die Kellerwirtschaft" nach diesem Zeitpunkt kann daher keine besonders rücksichtswürdigen Interessen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 begründen.
Da es für die Befreiung des Beschwerdeführers vom Grundwehrdienst somit an den gesetzlichen Voraussetzungen fehlte, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. Dezember 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005110167.X00Im RIS seit
08.01.2006