Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graz und Dr. Jelinek als Richter in der Pflegschaftssache des am 27.September 1973 geborenen mj. Herbert H*** infolge Revisionsrekurses des Vaters Erich H***, Kraftfahrer, Kahlspergweg 9, 5400 Hallein, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 9.August 1990, GZ 22 a R 102/90-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hallein vom 7.Mai 1990, GZ P 256/86-7, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
In Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt.
Text
Begründung:
Der in Obsorge der Mutter stehende Minderjährige verdient als kaufmännischer Lehrling monatlich durchschnittlich S 3.576. Der Vater verdient als Kraftfahrer monatlich durchschnittlich rund S 20.000 und hat auf Grund eines Scheidungsvergleiches für die Mutter Unterhalt im Ausmaß von 29 % dieses Einkommens zu zahlen. Für den Minderjährigen hatte er im Scheidungsvergleich die Unterhaltsverpflichtung in der Höhe von 17 % seines Nettoeinkommens übernommen.
Unter Hinweis auf das Lehrlingseinkommen des Minderjährigen beantragte der Vater die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung ab 1.4.1990 auf S 500.
Namens des Minderjährigen sprach sich die Mutter gegen den Herabsetzungsantrag aus, da der Minderjährige die Lehrlingsentschädigung zur Gänze selbst benötige und ihr kein Kostgeld gebe.
Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters statt. Es äußerte die Ansicht, der Minderjährige verdiene mit der Lehrlingsentschädigung etwas mehr als den mit S 3.470 anzunehmenden monatlichen Durchschnittsbedarf, so daß er mit der herabgesetzten Unterhaltsleistung des Vaters das Auslangen finde.
Das Gericht zweiter Instanz änderte diese Entscheidung über Rekurs des durch die Mutter vertretenen Minderjährigen derart ab, daß es die herabgesetzte monatliche Unterhaltsleistung des Vaters mit S 2.000 festlegte. Zur Begründung der Entscheidung führte es an:
Der Vater sei angesichts seiner weiteren Sorgepflicht mit 19 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage, d.s. rund S 3.800, leistungsfähig, so daß er auf Grund der vom Rekursgericht in ständiger Rechtsprechung nur zur Hälfte (mit rund S 1.800) als Eigeneinkommen im Sinne des § 140 Abs. 3 ABGB anrechenbaren Lehrlingsentschädigung des Minderjährigen, dem keine nennenswerten berufsausbildungsbedingten Kosten entstünden, zu dessen Unterhalt noch S 2.000 leisten müsse. Vom Prozenttitel des Scheidungsvergleiches sei schon wegen der Änderung der Verhältnisse abzugehen gewesen. Da in der Entscheidung bei der (nur halben) Anrechnung der Lehrlingsentschädigung auf den Unterhaltsanspruch und bei der prozentuellen Berücksichtigung der weiteren Sorgepflicht des Vaters von der Rechtsprechung anderer Rekursgerichte abgewichen worden sei, sei der ordentliche Revisionsrekurs im Sinne des § 14 Abs. 1 AußStrG für zulässig zu erklären.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt.
Zunächst ist zu bemerken, daß der Vater selbst in seinem Herabsetzungsantrag (der auf einen Schillingbetrag gerichtet ist) von der Prozentberechnung im Scheidungsvergleich abgewichen ist, so daß er nun schon deshalb nicht gegen die von den Vorinstanzen gewählte Form eines Geldtitels Einwände geltend machen kann. Der Vater geht in seinem Unterhaltsherabsetzungsantrag selbst davon aus, daß der Minderjährige trotz Bezuges der Lehrlingsentschädigung nicht selbsterhaltungsfähig ist; deshalb muß eine Beurteilung einer Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne der völligen Autarkie auch außerhalb des mütterlichen (elterlichen) Haushaltes nicht vorgenommen und auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, welche eine solche erst bei Erreichen oder Übertreffen einer Mindestpensionshöhe nach § 293 Abs. 1 lit. a/bb ASVG von derzeit monatlich S 5.574 (14mal jährlich) erkennen wollen (insbesondere 3 Ob 547/90, 1 Ob 594/90, 1 Ob 627/90), nicht eingegangen werden. Hat - wie im vorliegenden Fall mangels jeglicher konkreter Behauptung - der Minderjährige in seinem Lehrberuf keine nennenswerten berufsausbildungsbedingten Mehrauslagen, kann der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung nicht beigetreten werden, daß dessen ungeachtet nur ein fixer Prozentsatz (hier: 50 %) der Lehrlingsentschädigung auf den Unterhaltsbedarf (und damit auf den Unterhaltsanspruch) des Minderjährigen im Sinne des § 140 Abs. 3 ABGB anrechenbar sein soll. Vielmehr ist dann im Sinne der angeführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, denen insoweit beigepflichtet wird, die gesamte Lehrlingsentschädigung anrechenbar. Zusammen mit der vom Vater angebotenen eingeschränkten monatlichen Geldunterhaltsleistung wird mit monatlich über S 4.000 der vom Erstgericht richtig angeführte monatliche Durchschnittsbedarf bei der obsorgeberechtigten und daher auch im Sinne des § 140 Abs. 2 ABGB betreuungspflichtigen Mutter wohnenden Minderjährigen gedeckt. Auf die Beurteilung einer weiterreichenden Leistungsfähigkeit des Vaters kommt es bei dieser Sach- und Rechtsbetrachtung nicht mehr an, so daß es beim bloßen Hinweis auf die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes 4 Ob 532/90, 6 Ob 563/90 und 8 Ob 615/90 sein Bewenden haben kann, in denen die starre Anwendung der von vielen Gerichten zweiter Instanz bisher vertretenen Prozentberechnungsmethode bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners im Grunde abgelehnt wird.
In Stattgebung des Revisionsrekurses des Vaters ist daher die der dargestellten Sach- und Rechtslage entsprechende Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.
Anmerkung
E21979European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00650.9.1030.000Dokumentnummer
JJT_19901030_OGH0002_0080OB00650_9000000_000