Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Zoran M*** wegen des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 1 und 3 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3.August 1990, GZ 5 b E Vr 12.585/89-17/19 über die Verlängerung einer Probezeit nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser und des Verurteilten Zoran M*** zu Recht erkannt:
Spruch
Im Verfahren zum AZ 5 b E Vr 12585/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde am 3.August 1990 durch die Beschlußfassung dieses Gerichtes gemäß § 494 a Abs. 1 Z 2 und Abs. 7 StPO, ON 17/19, das Gesetz in dem aus § 17 Abs. 4 iVm § 16 Abs. 2 Z 12 StVG resultierenden Verbot, nach aufrechter (wenn auch noch nicht rechtskräftiger) Beschlußfassung über die Endgültigkeit einer bedingten Entlassung (§ 48 Abs. 3 StGB) nochmals in dieser Sache zu entscheiden, verletzt.
Der bezeichnete Beschluß wird aufgehoben.
Text
Gründe:
Zoran M*** wurde mit Beschluß des Kreisgerichtes
Wr. Neustadt vom 20.März 1989, GZ BE 104/89-7, aus zwei Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von achtzehn Monaten, die mit den Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Juli 1987, GZ 5 d E Vr 4768/87-59, (acht Monate) und vom 18. August 1988, GZ 5 d E Vr 5343/88-23, (zehn Monate) über ihn verhängt worden waren, gemäß § 46 Abs. 2 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt entlassen; der offene Strafrest betrug sechs Monate.
Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 18.Juli 1990, GZ BE 104/89-13, wurde die bedingte Entlassung gemäß § 48 Abs. 3 StGB für endgültig erklärt. Dieser Beschluß ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen.
Noch vor Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses wurde Zoran M*** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. August 1990, GZ 5 b Vr 12585/89-17, wegen innerhalb der eingangs erwähnten Probezeit (am 26.November 1989) begangener strafbarer Handlungen zu einer gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Zugleich wurde gemäß § 494 a Z 2 und Abs. 7 StPO zwar vom Widerruf der bedingten Entlassung abgesehen, die seinerzeit bestimmte einjährige Probezeit aber auf drei Jahre verlängert (ON 19).
Auch diese beiden Entscheidungen wurden rechtskräftig, weil der Verurteilte sogleich auf ein Rechtsmittel verzichtet und der öffentliche Ankläger ein solches nicht erhoben hat.
Rechtliche Beurteilung
Der schon vor der Beschlußfassung gemäß § 494 a StPO (am 3. August 1990) ergangene Beschluß vom 18.Juli 1990 über die Endgültigkeit der bedingten Entlassung hatte indessen, unabhängig vom Zeitpunkt des Eintrittes seiner Rechtskraft, bereits mit seiner Übergabe an die Gerichtskanzlei (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 4 zu § 77) am selben Tag (S 43 in BE 104/89) eine - obgleich vorerst nur temporäre (vgl SSt 54/57 sowie in bezug auf Urteile SSt 51/5 uva) - Sperrwirkung entfaltet. Denn ab diesem Zeitpunkt haben die Parteien - wie aus den Bestimmungen über die Anfechtung von (der materiellen Rechtskraft zugänglichen) Beschlüssen (hier: aus § 17 Abs. 4 iVm § 16 Abs. 2 Z 12 StVG) hervorgeht - einen Rechtsanspruch darauf, daß ein derartiger Beschluß (gemäß § 48 Abs. 3 StGB) nur mehr im Weg der in den Prozeßgesetzen vorgesehenen Rechtsmittel (oder Rechtsbehelfe) abgeändert wird. Das Landesgericht für Strafsachen Wien hätte daher unbeschadet des allfälligen Vorliegens der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Verlängerung der Probezeit auf Grund der neuerlichen Verurteilung wegen innerhalb der Probezeit begangener strafbarer Handlungen (§ 53 Abs. 1 und Abs. 2 StGB) nicht nochmals über den (identen) Entscheidungsgegenstand absprechen dürfen (vgl EvBl 1989/64, SSt 56/18; ebenso 11 Os 14/90, 15 Os 44,45/90 nv).
Die von der Generalprokuratur zutreffend aufgezeigte Gesetzesverletzung war demnach wie im Spruch festzustellen und nach § 292 letzter Satz StPO zu korrigieren.
Anmerkung
E22302European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00110.9.1030.000Dokumentnummer
JJT_19901030_OGH0002_0150OS00110_9000000_000