TE OGH 1990/11/6 14Os74/90

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Veröffentlicht am 06.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz R*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. April 1990, GZ 24 Vr 1199/87-150, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Franz R*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB und demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche wegen einer Reihe weiterer Anklagepunkte enthält, wurde (u.a.) der am 1.Juli 1954 geborene Textilkaufmann Franz R*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB schuldig erkannt, weil er als Geschäftsführer der Firma "C*** M*** G*** mbH" in der Zeit zwischen 2.September 1985 und 7.August 1986 durch die Zusage, er wolle das aus der Konkursmasse der Hans-Peter S*** GesmbH & Co KG übernommene Textilwerk in Hainming/Tirol sanieren und ca 100 Arbeitsplätze erhalten, durch Vortäuschung seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit und teilweise auch durch die Vorgabe, er werde 2 Mio Schilling als dauerhafte Eigenmittel in das Unternehmen einbringen, dem Land Tirol ein Förderungsdarlehen von 2,5 Mio Schilling und der Raiffeisen-Zentralkasse Tirol von über insgesamt 6,5 Mio Schilling eingeräumten Kontokorrentkrediten 6,239.490,76 Schilling betrügerisch herauslockte, sowie dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Förderungsdarlehen von weiteren 2,5 Mio Schilling herauszulocken versuchte.

Seine Gattin Heidrun R*** wurde rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt, von einen weiteren Anklagevorwurf jedoch (ebenso wie zwei weitere Mitangeklagte) freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Franz R*** bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 5 a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Sie ist berechtigt.

Der Beschwerdeführer wendet sich im wesentlichen gegen die Feststellung, er habe es zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden, daß die Kreditgeber infolge der Nichtrückzahlung der Darlehen um die gesamten Kreditsummen geschädigt werden. Dabei bekämpft er die diesem Ausspruch zugrundeliegende Urteilsannahme, er sei seinem Tatplan folgend nicht um eine Sanierung des Unternehmens und um die Erhaltung der Arbeitsplätze bemüht gewesen. Es wäre vielmehr sein Vorhaben gewesen, aus den Krediten des Landes Tirol, der Raiffeisen-Zentralkasse und des Sozialministeriums für sich und seine Familie unrechtmäßige finanzielle Vorteile zu erlangen (US 19, 28, 32). Die Tatrichter begründeten diese Annahmen mit dem Umstand, daß sich der Angeklagte selbst ein monatliches Bruttogehalt von 125.000,-- Schilling und eine Provision von 5 % des Umsatzes bewilligte und er selbst sich durch aus Bestandnahme von Betriebsräumlichkeiten und deren Weitervermietung um ein das von ihm bezahlte vielfach übersteigende Entgelt zusätzliche Einkünfte sicherte. Als für seine mangelnde Redlichkeit bezeichnend wertete das Gericht seine Falschbehauptungen über angebliche private Eigenmittel (US 30, 31). Eine Zusage weiterer Förderungsmittel (durch Dr. F*** von der Tiroler Landesregierung) sei entgegen seiner Verantwortung nicht vorgelegen.

Der Argumentation des Beschwerdeführers, bei der Beurteilung der Schuldfrage seien wesentliche zu seinen Gunsten sprechende Verfahrensergebnisse unberücksichtigt und in den Urteilsgründen unerörtert geblieben, kann im Ergebnis Berechtigung nicht abgesprochen werdedn.

Nach den Urteilsfeststellungen hat die vom Angeklagten und seiner Gattin errichtete "C*** M*** G*** mbH" den

(kurzfristig eingestellt gewesenen) Textilbetrieb der Firma K*** H*** S*** Gesellschaft mbH & Co KG mit

Sitz in Haiming am 1.Oktober 1985 übernommen und in den folgenden Monaten tatsächlich ca 100 Dienstnehmer beschäftigt. In der ersten Hälfte des Monats März 1986 wurde der Beschäftigtenstand jedoch auf 30 reduziert (US 14, 15). Der Angeklagte hat demnach bis zur Einleitung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der genannten Firma (am 22.August 1986) ein lebendes Unternehmen geführt, dessen Betrieb allerdings auf den Einsatz ausreichender öffentlicher Förderungsmittel und privater Kredite angewiesen war. In einem solchen Fall kann dem Unternehmer aber nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß er sich von vornherein mit einem für die Gläubiger nachteiligen Ereignisablauf abgefunden hat. Wegen der Atypizität einer solchen Handlungsweise müssen in einem solchen Fall vor der Annahme, der Täter habe bei der Aufnahme von Krediten zur Fortführung des Betriebes in seinen Vorsatz aufgenommen, daß die Kreditgeber durch Nichtrückzahlung der Darlehen zu Schaden kommen würden, die gesamte wirtschaftliche Situation und Entwicklung des Unternehmens und die Erwartungen des Täters in bezug auf den künftigen Geschäftsgang und die daraus resultierenden Gewinnmöglichkeiten geprüft werden (vgl ÖJZ-LSK 1984/91, 10 Os 92/83, 11 Os 141/86 u.a.) So gesehen waren für die Frage, ob der Beschwerdeführer die getäuschten Kreditgeber am Vermögen schädigen (und sich dadurch unrechtmäßig bereichern) wollte oder ob er, ohne einen wirtschaftlichen Fehlschlag des Sanierungsvorhabens hinnehmen zu wollen, eine Schädigung der Gläubiger bloß fahrlässig herbeigeführt hat, (insbesondere) die Zeugenaussage des Adolf K*** über die angeblich schlechte Qualität der übernommenen Arbeitskräfte und den darauf zurückzuführenden Entgang eines Großauftrags (Band VI, S 456), die Angaben über seine Erwartungen bezüglich weiterer Förderungsmittel des Landes Tirol, durch die der (offensichtliche) Mangel verfügbarer Eigenmittel hätte kompensiert werden können und zu deren Erlangen der Zeuge Dr. F*** immerhin Hilfestellung zugesagt hat (US 35), und die Darlegung der Gründe für das Scheitern seines Unternehmenskonzeptes von wesentlicher Bedeutung.

Ein - für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit

mitursächlicher - übermäßiger Aufwand in Form überhöhter Entgelte für die Geschäftsführung kann Fahrlässigkeit im Sinne des § 159 Abs. 1 Z 1 StGB indizieren. Inwiefern daraus aber im vorliegenden Fall auf ein Handeln mit Schädigungsvorsatz geschlossen werden kann, hängt von den konkreten Umständen, insbesondere von der Höhe der dem Unternehmen solcherart entzogenen Beträge im Verhältnis zum Geschäftsumfang, zu den vorhandenen liquiden Mitteln und des dem Unternehmen zugeführten Fremdkapitals ab. Die Beschwerde verweist zutreffend darauf, daß in diesem Zusammenhang auch die Behauptung des Angeklagten hätte erörtert werden müssen, er habe aus dem Titel übermäßiger Entgelte Ende April 1986 rund 1,000.000,-- Schilling an die Firma zurückbezahlt (Band VI, S 346).

Es zeigt sich sohin, daß der Ausspruch des Gerichts über entscheidende Tatsachen in Ansehung des zur Verwirklichung des Betrugstatbestandes erforderlichen Schädigungsvorsatzes des Angeklagten mit derart gravierenden Begründungsmängeln, die eine Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 5 StPO bewirken, behaftet ist. Demzufolge kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der Angeklagte schweren Betrug oder nur fahrlässige Krida, allenfalls iVm § 122 Z 1 GmbHG, zu vertreten hat.

Das angefochtene Urteil war daher im Schuldspruch des Franz R***, sowie demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E22287

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00074.9.1106.000

Dokumentnummer

JJT_19901106_OGH0002_0140OS00074_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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