Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anton P***, kfm. Angestellter, Mooskirchen, Stögersdorf 35, vertreten durch Dr. Wolfgang B***, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, Graz, Hans Resel-Gasse 8-10, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei Gustav V*** KG, Rosental, Packer Hauptstraße 8, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 68.334,11 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.Juni 1990, GZ 8 Ra 56/90-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Jänner 1990, GZ 31 Cga 136/89-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Im übrigen hat das Berufungsgericht die Frage, ob der Kläger am 1. April 1989 berechtigt entlassen wurde und ihm die geltend gemachten entlassungsabhängigen Ansprüche zustehen, zutreffend gelöst. Es reicht daher aus, insoweit auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist der Rechtsrüge der Revisionswerberin entgegenzuhalten, daß sie nur zum Teil vom maßgeblichen Sachverhalt ausgeht, soweit sie ausführt, der Kläger sei im Sinne des § 27 Z 6 AngG wegen erheblicher Verletzung der Ehre des Geschäftsführers Gustav V*** zu Recht entlassen worden. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen beabsichtigte V***, das Angestelltendienstverhältnis des Klägers einvernehmlich aufzulösen. Da er in der Frage des noch offenen Urlaubsanspruches mit Differenzen rechnete, bestellte er den Kläger für den 31. März 1989 zu einer Aussprache. Obwohl der Kläger nach der Urlaubskartei noch einen offenen Urlaubsanspruch von 48 Werktagen hatte, behauptete V***, dem Kläger stünden nur mehr 2 3/4 Tage Urlaub zu. V*** hatte nämlich bei seiner Berechnung einen aus dem Geschäftsumbau im Jahre 1987 stammenden (S 33 und 47) und bereits vorbehaltlos ausgezahlten Zeitausgleich für die seinerzeit geleisteten Überstunden als zu hoch einseitig und nachträglich vom Urlaubsanspruch des Klägers abgezogen.
Bei der von V*** angeordneten Aussprache am 1.April 1989, bei der jeder seine Urlaubs- und Zeitausgleichsaufzeichnungen vorlegen sollte, kam es zu einer Auseinandersetzung über die ersten in die Urlaubs- und Krankenkartei 1989 eingetragenen Zeitausgleichstage, die der Kläger nicht als Zeitausgleich anerkennen wollte. V*** fragte den Kläger, ob er glaube, daß er oder seine Sekretärin in der Urlaubs- und Krankenkartei "herumschmiere" und die Kartei "daher gefälscht" sei. Als der Kläger dies bejahte, sprach V*** die Entlassung aus.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin könne die Vorfälle vom 31.März 1989 und 1.April 1989 bei der Beurteilung des Verhaltens des Klägers nicht isoliert gesehen werden. Am 31.März 1989 versuchte V***, den bereits erworbenen Urlaubsanspruch des Klägers dadurch zu schmälern, daß er in unzulässiger Weise nachträglich eine Aufrechnung mit seiner Meinung nach seinerzeit zuviel verbrauchten Zeitausgleichsstunden vornehmen wollte. Dieser Zeitausgleich wurde nach dem Vorbringen der Beklagten dafür gewährt, daß der Kläger im Jahre 1987 anläßlich des Umbaus des Geschäftslokales viele Überstunden geleistet habe. Er sei aber "im Vorgriff auf künftige Mehrleistungen" um 229 Stunden zuviel entlohnt worden. Ein solcher Vorbehalt wurde aber nicht festgestellt. Es ist daher davon auszugehen, daß die Beklagte, die nach § 26 Abs. 1 AZG ohnehin zur Aufzeichnung der Arbeitsstunden verpflichtet war und überdies die ausgefüllten Vordrucke über die Inanspruchnahme des Zeitausgleichs durch den Kläger stets erhalten hatte, die diesbezüglichen Ansprüche des Klägers durch die Entgeltzahlung anerkannte (vgl. Arb 8162). Ob sie dies deshalb tat, weil sie mehr oder minder auf den Kläger angewiesen war, wie die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst vorbringt (S 15), ist dabei ohne Belang. Einer ergänzenden Feststellung, wieviele Zeitausgleichsstunden der Kläger "unberechtigt" in Anspruch genommen habe, bedarf es nicht. Der Kläger war vor der Aussprache am 1.April 1989 sohin bereits mit der Tatsache konfrontiert, daß V*** den ihm zustehenden Urlaubsanspruch bestritten hat. An diesem Tage erfuhr er zusätzlich, daß auf der Urlaubskartei Tage als Zeitausgleich eingetragen waren, die er nicht anerkannt hatte. In diesem Zusammenhang ist dem Berufungsgericht beizupflichten, daß V*** den Kläger zur Bejahung seiner Frage geraeezu aufforderte. Der Kläger wußte, daß der von V*** behauptete Urlaubsrest von 2 3/4 Tagen unrichtig ermittelt war und er war, wie das Erstgericht zutreffend ausführt, gezwungen, dem unberechtigten Standpunkt V*** mit aller Deutlichkeit entgegenzutreten. Soweit er dabei lediglich auf die von V*** vorformulierte Frage einging, liegt darin noch keine erhebliche Ehrverletzung im Sinne des § 27 Z 6 AngG, die eine im vorliegenden Fall nicht festgestellte Verletzungsabsicht als Tatbestandsmerkmal gefordert hätte (vgl. Kuderna, Das Entlassungsrecht 77 und 99; Arb 9804 ua).
Richtig ist, daß es sich bei den Ansprüchen nach § 29 AngG nicht um Entgeltansprüche, sondern um Schadenersatzansprüche handelt. Der Kläger war aber nicht verpflichtet, seine Ansprüche rechtlich zu qualifizieren. Wesentlich ist nur, daß er sein Begehren auch auf eine ungerechtfertigte Entlassung durch die Beklagte stützte, so daß der Streit darüber, wann diese Entlassung erfolgte, nicht zu einer Verkürzung seiner Ansprüche führen kann.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 40 ZPO begründet.
Anmerkung
E22195European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00286.9.1107.000Dokumentnummer
JJT_19901107_OGH0002_009OBA00286_9000000_000