TE OGH 1990/11/14 1Ob11/90

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Veröffentlicht am 14.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A***-M*** Gesellschaft zur Wahrnehmung mechanisch-musikalischer Urheberrechte Gesellschaft mbH, Wien 3, Baumannstraße 10, vertreten durch Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 320.000 S), Urteilsveröffentlichung (Streitwert 32.000 S), Rechnungslegung (32.000 S), Zahlung (Streitwert 32.000 S) und Beseitigung (Streitwert 32.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 2. Jänner 1990, GZ 2 R 191/89-8, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 25. Juli 1989, GZ 39 Cg 424/89-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über die Klage und den Sicherungsantrag aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Verwertungsgesellschaft (im folgenden: klagende Partei) begehrt von der beklagten und Gegnerin der gefährdeten Partei (im folgenden: beklagte Partei) mit ihrer am 29. Juni 1989 eingebrachten Klage die sofortige Unterlassung, ohne Genehmigung der klagenden Partei Werke der Tonkunst und damit verbundene Sprachwerke zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten bzw vervielfältigen und/oder verbreiten zu lassen, auf denen Werke festgehalten sind, die durch die Zugehörigkeit des Komponisten, des Textdichters oder des Musikverlegers zur klagenden Partei oder zu einer mit ihr im Vertragsverhältnis stehenden ausländischen Verwertungsgesellschaft zum Werkbestand der klagenden Partei gehören; diese Unterlassungsverpflichtung erstrecke sich insbesondere auf Musikkassetten, die für Schulungszwecke im Bereich des österr. Bundesheeres, insbesondere für "Tonbildschauen" verwendet würden. Außerdem stellt die klagende Partei ein Urteilsveröffentlichungs-, ein Rechnungslegungs-, ein noch unbestimmtes Schadenersatzbegehren sowie das Begehren auf Herausgabe der im Eigentum der klagenden Partei stehenden und zur Verbreitung bestimmten Tonträger zur Vernichtung. Ferner stellt die klagende Partei einen Sicherungsantrag.

Dazu trägt die klagende Partei im wesentlichen vor, das B*** FÜR L*** (im folgenden BMLV) habe je

170 Stück von zwei verschiedenen Musikkassetten zur Verwendung in "Tonbildschauen" und Ausbildungsfilmen des österr. Bundesheeres, die ausschließlich Soldaten im Rahmen ihres Dienstes vorgeführt würden, vervielfältigen lassen. Diese Musikkassetten hätten überwiegend Ausschnitte von Soundträcks bekannter Spielfilme enthalten. Es bestehe die Vermutung, daß die klagende Partei die Rechte an diesen Werken habe, weshalb sie berechtigt und verpflichtet sei, die den Urhebern musikalischer Werke bzw den Musikverlegern zustehenden mechanisch-musikalischen Rechte treuhändig wahrzunehmen. Durch die Vervielfältigung von Werken des Repertoires der klagenden Partei habe die beklagte Partei in deren mechanisch-musikalische Vervielfältigungsrechte eingegriffen und durch die Weitergabe der Musikkassetten an Ausbildungseinrichtungen des österr. Bundesheeres habe das BMLV auch das Verbreitungsrecht der klagenden Partei verletzt.

Die beklagte Partei wendet in ihrer Äußerung zum Sicherungsantrag ua die Unzulässigkeit des Rechtsweges ein. Das österr. Bundesheer sei ein Vollzugsbereich, in dem nur Hoheitsakte gesetzt werden könnten. Die allfällige Verletzung von Urheberrechten durch den Ankauf (Vervielfältigung) und das Abspielen der Musikkassetten im Zuge der Ausbildung von Soldaten sei ausschließlich nach dem AHG, das nur Schadenersatz, nicht auch Unterlassungsansprüche kenne, zu beurteilen.

Das Erstgericht wies die Klage und den Sicherungsantrag wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Das österr. Bundesheer stelle eine Einrichtung der Hoheitsverwaltung dar, die Schulung von Soldaten zur Herbeiführung oder Erhaltung ihrer Einsatzbereitschaft sei ein Hoheitsakt. Das Unterlassungsbegehren der klagenden Partei sei darauf gerichtet, der beklagten Partei die Ausführung eines Hoheitsaktes zu untersagen; für ein solches Begehren sei einschließlich des Sicherungsverfahrens der Rechtsweg unzulässig. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand 50.000 S übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist in Ansehung der Bestätigung der Zurückweisung des Sicherungsantrages gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 528 Abs 2 Z 2 erster Satz ZPO zulässig, weil zwar die Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 zwetier Satz ZPO nur Klagen nennt, aber sinngemäß auch auf Sicherungsanträge anzuwenden ist (Petrasch in ÖJZ 1989, 752) und in Ansehung der Bestätigung der Zurückweisung der Klage gemäß § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Satz ZPO zulässig. Er ist auch berechtigt.

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges sind in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Entscheidend ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Es kommt nur darauf an, ob ein privatrechtlicher Anspruch iS des § 1 JN nach dem Inhalt der Klage geltend gemacht wird, über den die Zivilgerichte im streitigen Verfahren zu entscheiden haben (JBl 1988, 594; SZ 58/156; JBl 1986, 441 ua; Fasching I 62 f und Lehrbuch2, Rz 101). Dies ist hier der Fall. Nach dem maßgeblichen Inhalt der Klage erhebt die klagende Partei einen auf das Urheberrecht gestützten privatrechtlichen Anspruch wegen behaupteter unzulässiger Vervielfältigung und Verbreitung geschützter Werke der Tonkunst. Sie hat ihren Anspruch weder auf das AHG gestützt noch die Klage als Amtshaftungsklage bezeichnet, obwohl sie verpflichtet war, die dazu erforderlichen zuständigkeitsbegründenden Angaben zu machen, noch vorgebracht, daß das Aufforderungsverfahren durchgeführt worden sei (SZ 44/122) und schließlich in keiner Weise zu erkennen gegeben, daß sie ihren Anspruch im Amtshaftungsverfahren geprüft wissen will, lomit inhaltlich keinen Amtshaftungsanspruch erhoben. Selbst wenn Organe der beklagten Partei in Vollziehung der Gesetze (§ 1 AHG) gehandelt haben, dann würde es dem nicht auf das AHG gegründeten Klagebegehren diesbezüglich an einer sachlichen Berechtigung fehlen, was zu einer Klagsabweisung führen müßte (RZ 1981/50; JBl 1973, 155; MietSlg 23.613; 1 Ob 5/90; Schragel AHG2, Rz 254; vgl auch ecolex 1990, 607). Die Vorinstanzen durften damit die Klage nicht wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückweisen.

Demgemäß ist spruchgemäß zu entscheiden. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E22333

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00011.9.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19901114_OGH0002_0010OB00011_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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