Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ilaz S*** und Afiz A*** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG als Beteiligte nach dem § 12 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ilaz S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. April 1990, GZ 6 a Vr 3595/89-105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ilaz S*** wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch dieses Angeklagten sowie im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Ilaz S*** auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde ua der jugoslawische Staatsangehörige Ilaz S*** des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach dem § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG als Beteiligter nach dem § 12 StGB schuldig erkannt.
Den Schuldspruch bekämpft der genannte Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Schon die Verfahrensrüge ist berechtigt.
Der Verteidiger des Rechtsmittelwerbers beantragte in der Hauptverhandlung vom 6. April 1990 (S 10/II) in offensichtlichem Zusammenhang mit der Verantwortung des in der Hauptverhandlung leugnenden Angeklagten Ilaz S***, zu seinen geständigen Angaben vor der Polizei durch Mißhandlungen veranlaßt worden zu sein, die Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Beischaffung der Krankengeschichte des Inquisitenspitals und die Einvernahme eines namentlich genannten Zeugen zum Beweis dafür, daß er anläßlich seiner Einlieferung in das gerichtliche Gefangenenhaus (des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) Verletzungen am Rücken und an der Stirn aufgewiesen habe (vgl auch den zum Teil weiterreichenden, in die gleiche Richtung gehenden Antrag ON 100/I).
Das Schöffengericht wies diesen Beweisantrag laut dem Hauptverhandlungsprotokoll "wegen Unerheblichkeit" ab (S 11/II). Da das Zwischenerkenntnis damit jeglicher substantieller Begründung entbehrt und eine solche auch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen ist, fehlt der Rechtsmittelinstanz jede Grundlage für die Prüfung, ob hier die Grundsätze eines die Verteidigung sichernden Verfahrens gewahrt wurden (vgl Mayerhofer-Rieder2, § 281 Z 4, EGr 63 ff).
Die unterlaufene - Nichtigkeit begründende - Formverletzung (§ 281 Abs. 1 Z 4 StPO) ist auch relevant iSd § 281 Abs. 3 StPO, weil nicht unzweifelhaft erkennbar ist, daß sie auf die Entscheidung des Schöffengerichtes, welches das angeblich durch Mißhandlung zustandegekommene Geständnis vor der Polizei ausdrücklich als Feststellungsgrundlage heranzog (vgl die US 14 und 15), keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (vgl in diesem Zusammenhang auch die Mißhandlungsbehauptungen des vom Erstgericht als Belastungszeuge bewerteten Gerhard S***, S 503, 506, 510/II). Schon allein dieser gravierende Verfahrensmangel des Urteils nötigt zur Urteilsaufhebung betreffend den Angeklagten Ilaz S*** und zur Zurückverweisung der Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an die erste Instanz. Damit erübrigt es sich auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen des Angeklagten Ilaz S*** näher einzugehen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten war daher - nach Anhörung der Generalprokuratur - gemäß dem § 285 e StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch zu erkennen. Mit seiner Berufung war der Rechtsmittelwerber auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E22255European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00121.9.1114.000Dokumentnummer
JJT_19901114_OGH0002_0110OS00121_9000000_000