TE OGH 1990/11/15 8Ob722/89

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Veröffentlicht am 15.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Schwarz Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans S***, Privater, 1030 Wien, Marxergasse 10/5, vertreten durch Dr. Wilfried Haslauer, Rechtsanwalt, 5020 Salzburg, Pfeifergasse 8, wider die beklagten Parteien 1) N***-W***-R*** A*** Schuheinkaufs-Gesellschaft m. b.H., 5082 Grödig, Oberfeldstraße 22, 2) N***-W***-R*** Schuheinkaufsgenossenschaft e. Gen.m.b.H., D-7000 Frankfurt, Schaumainkai 69, Bundesrepublik Deutschland, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Rechtsanwalt, 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55, wegen S 12,654.730, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4. September 1989, GZ 1 R 88/89-72, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 21. September 1988, GZ 14 Cg 457/85-64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Auf Antrag der beklagten Parteien wurde im Jahre 1977 über das Vermögen des Klägers das Konkursverfahren eröffnet; nach Verteilung des Massevermögens wurde der Konkurs im Jahre 1983 aufgehoben. Am 29. September 1983 brachte der damals durch Rechtsanwalt Dr. G*** vertretene Kläger gegen die beklagten Parteien die vorliegende Klage auf Schadenersatz in der Höhe von S 53,311.861 mit der Begründung ein, die beklagten Parteien hätten trotz einer von ihnen gegenüber dem Kläger abgegebenen Finanzierungszusage den Antrag auf Konkurseröffnung gestellt und er habe durch dieses vereinbarungswidrige Verhalten sein gesamtes Vermögen und damit seine Existenz verloren sowie schwere gesellschaftliche Nachteile erlitten.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und erhoben u.a. die Einrede der Verjährung. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4. Oktober 1984 erschien der Kläger ohne Rechtsvertreter, der Beklagtenvertreter entfernte sich und es trat Ruhen des Verfahrens ein. Am 14. November 1985 beantragte der Kläger die Fortsetzung des Verfahrens und schränkte die Klage auf den Betrag von S 18,035.000 ein.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil vom 8. Jänner 1987 rechtskräftig einen Klageteilbetrag von S 3,870.000 und schließlich mit Endurteil vom 21. September 1988 auch das restliche Klagebegehren von S 12,655.730 sA ab. In diesem Urteil führte es aus:

Der Kläger legte am 3. Juli 1981 den Offenbarungseid ab. Im damals vorgelegten Vermögensverzeichnis führte er die Schadenersatzforderung gegen die beklagten Parteien in der Höhe des ursprünglichen Klagebetrages von S 53,311.861 an. Bei Einbringung der gegenständlichen Klage stellte er den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Rahmen der Bestimmungen des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis lit e ZPO. Das Erstgericht gab diesem Antrag mit Ausnahme des Begehrens nach § 64 Abs 1 Z 1 lit f ZPO statt (ON 7). In Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses bewilligte das Rekursgericht mit Beschluß vom 17. August 1984 die Verfahrenshilfe für die Zeit ab 29. September 1983 hinsichtlich der Begünstigungen nach § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis lit e ZPO wegen offenbarer Überklagung jeweils nur zu einem Viertel. Am 4. Oktober 1984 (an diesem Tag trat Ruhen des Verfahrens ein) überreichte der Kläger einen weiteren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Dieser Antrag, dem ein eingeschränktes Klagebegehren von S 40,639.861 zugrundelag, wurde, soweit er über die mit dem rekursgerichtlichen Beschluß vom 17. Juli 1984 bewilligte Verfahrenshilfe hinausging, vom Erstgericht abgewiesen. Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs hatte keinen Erfolg. Das Rekursgericht führte aus, auch die offenbar beabsichtigte Einschränkung des Klagebegehrens könne nicht davon überzeugen, daß die Klageführung in der Höhe von S 40,639.861 unbedenklich im Sinne des § 63 Abs 1 ZPO sei, und die noch immer zugrundezulegende offenbare Überklagung rechtfertige nicht die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang. Die vorläufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwaltes dürfe gemäß § 64 Abs 2 ZPO nur im vollen Ausmaß und nur zusammen mit einer vollen Begünstigung nach § 64 Abs 1 Z 1 lit a ZPO gewährt werden. Am 2. Mai 1985 brachte der Kläger einen weiteren Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang unter Zugrundelegung eines Klagebegehrens von S 27,052.730 ein. Mit dem erstgerichtlichen Beschluß wurde dem Kläger Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis lit e ZPO jeweils zu zwei Drittel bewilligt und das Mehrbegehren abgewiesen. Die dagegen von allen Prozeßparteien erhobenen Rekurse hatten keinen Erfolg. Am 17. Oktober 1985 brachte der Kläger abermals einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 und 3 ZPO ein; diesem Antrag lag nur noch ein Klagebegehren von S 18,035.000 zugrunde. Mit Beschluß vom 17.Oktober 1985 wurde dem Kläger hierauf vom Erstgericht die Verfahrenshilfe nach § 64 Abs 1 Z 1 und 3 ZPO im vollen Ausmaß bewilligt. Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß (ON 33). In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht im Endurteil aus, als Beginn der Verjährungszeit sei im vorliegenden Fall jedenfalls der 3. Juli 1981 anzusehen. Zu diesem Zeitpunkt sei dem Kläger nicht nur die Person des angeblichen Schädigers, sondern auch der Eintritt des Schadens und die Schadenshöhe bekannt gewesen. Die Klageführung unterbreche die Verjährung nur dann, wenn die Klage gehörig fortgesetzt werde. Hier habe das Verfahren aber vom 4. Oktober 1984 bis zum 14. November 1985 geruht, sodaß keine gehörige Fortsetzung vorliege. Das Klagebegehren sei daher wegen Verjährung abzuweisen.

Das Berufungsgericht gab der auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Berufung nicht Folge. Es trat der Ansicht des Erstgerichtes bei, daß der Kläger spätestens am 3. Juli 1981 anläßlich der Anführung des späteren Klagebetrages in dem im Offenbarungseidesverfahren vorgelegten Vermögensverzeichnis von sämtlichen für die Einbringung einer Schadenersatzklage erforderlichen Voraussetzungen Kenntnis hatte, sodaß zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu laufen begonnen habe. Durch die am 29. September 1983 erfolgte Klageeinbringung sei die Verjährung unter der Voraussetzung gehöriger Fortsetzung unterbrochen worden. Das Verfahren habe jedoch vom 4. Oktober 1984 bis 14. November 1985 geruht und der Kläger hätte daher triftige Gründe für eine derart lange prozessuale Untätigkeit dartun müssen. Als triftige Gründe kämen nach der Rechtsprechung nur Umstände in Frage, die nicht in seinem persönlichen Bereich, sondern im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien gelegen seien. Er habe derartige Umstände nicht anzugeben vermocht. Davon abgesehen sei die Abweisung der vom Kläger gestellten Anträge auf Gewährung der vollen Verfahrenshilfe auf das Übermaß seiner Forderung zurückzuführen, von dem er nur zögernd abgerückt sei, sodaß er sich die Untätigkeit im Verfahren durch mehr als ein Jahr selbst zuzuschreiben habe.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrage auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an eine der Vorinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung. Der Revisionswerber beschränkt die Anfechtung ausdrücklich auf die Frage der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens und bringt hiezu vor:

Bis zur Streitverhandlung vom 4.Oktober 1984 habe er das Verfahren jedenfalls betrieben. Zu dieser Verhandlung sei er deshalb ohne anwaltlichen Vertreter erschienen, weil das Vollmachtsverhältnis zu seinem bisherigen Rechtsanwalt aufgelöst gewesen und es ihm nicht gelungen sei, einen anwaltlichen Vertreter zu finden. Er habe in der Folge immer wieder Verfahrenshilfeanträge mit jeweils eingeschränkten Klagebegehren gestellt und damit zum Ausdruck gebracht, daß er die Fortsetzung des Verfahrens anstrebe. Es sei diesen Anträgen schließlich auch stufenweise stattgegeben und nach Bewilligung der Beistellung eines Rechtsvertreters am 14. November 1985 auch der Fortsetzungsantrag gestellt worden. Eine nicht gehörige Fortsetzung der Klage liege nur dann vor, wenn das Verhalten des Klägers auf sein mangelndes Interesse an der Verfahrensfortsetzung schließen ließe. Davon könne hier aber nicht die Rede sein, denn er habe sich kontinuierlich und verzweifelt bemüht, die Fortsetzung des Verfahrens und insbesondere die Beigebung eines Verfahrenshelfers zu erlangen. Da es ihm nicht möglich gewesen sei, einen gewillkürten Vertreter zu finden - dies erscheine angesichts seiner nach der Insolvenz vorliegenden Vermögenssituation und der Höhe des Streitwertes auch verständlich - sei ihm zu konzedieren, daß er alles in seiner Macht stehende versucht habe, das Verfahren fortzusetzen. Im Sinne der Entscheidung 1 Ob 49/87, JBl 1988, 527 ff hätten die vom Kläger ab 4. Oktober 1984 gesetzten Maßnahmen als verbesserungsfähige Schriftsätze gewertet werden müssen, um dem Ziel des Verfahrenshilfegesetzes zu entsprechen. Er, der Kläger, habe hiemit unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er das Verfahren fortsetzen wolle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsausführungen sind im Ergebnis berechtigt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 19/69; Arb 9907; 5 Ob 533/88; 2 Ob 533/90 ua) wird zwar durch die Stellung eines Antrages um Gewährung der Verfahrenshilfe zum Zwecke der Einbringung einer Klage durch den zu bestellenden Verfahrenshelfer der Lauf der Verjährungsfrist nicht unterbrochen. Im vorliegenden Falle war die Klage - verbunden mit einem Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe gemäß § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis f ZPO und unter Anschluß eines Vermögensbekenntnisses - jedoch prozeßordnungsgemäß innerhalb der Verjährungsfrist eingebracht worden und hatte daher deren Lauf gemäß § 1497 ABGB unterbrochen. In der Tagsatzung zur fortgesetzten mündlichen Streitverhandlung vom 4. Oktober 1984 erschien der Kläger allein und gab bekannt, daß ihm sein bisheriger Rechtsvertreter tags zuvor die Vollmacht gekündigt habe und er die Bestellung eines Verfahrenshelfers anstrebe (ON 12 AS 49); am gleichen Tage langte das Kündigungsschreiben des bisherigen Vertreters des Klägers und ein auf Beistellung eines Verfahrenshelfers gerichteter Antrag des Klägers beim Erstgericht ein. Da sich der Beklagtenvertreter nach Aufruf der Sache aus dem Gerichtssaal entfernte (siehe ON 12 AS 49), trat hierauf im Sinne der Bestimmungen der §§ 73 Abs 1, 133 Abs 3 und 170 ZPO Ruhen des Verfahrens als Folge des Nichterscheinens beider Parteien - auf Seite des Klägers wegen Nichterscheinens seines Vertreters - ein (vgl. Fasching II 812 Anm 3 zu § 170).

Der Kläger hat diesen einzigen Grund des - von einem vereinbarten Ruhen gemäß § 168 ZPO zu unterscheidenden - Ruhens des gegenständlichen Verfahrens nach § 170 ZPO, nämlich den Mangel eines ihn im Prozeß vertretenden Rechtsanwaltes, durch seine Anträge um Beistellung eines Verfahrenshelfers sofort und auch in der Folge immer wieder zu beheben und solcherart die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens zu erreichen versucht. Er hat also das Verfahren zur Erlangung der vollen Verfahrenshilfe, das unter den konkreten Umständen die notwendige Voraussetzung für die Fortsetzung des Rechtsstreites bildete, und damit auch das Prozeßverfahren über den Klageanspruch gehörig betrieben.

Die von der Rechtsprechung zu § 1497 ABGB entwickelte Regel, daß im Bereiche des Klägers gelegene Umstände nicht als Rechtfertigungsgründe für eine Untätigkeit im Prozeß herangezogen werden dürfen, kann jedenfalls dann nicht gelten, wenn - wie hier - die Fortsetzung des Verfahrens von der Beistellung eines Verfahrenshelfers abhängt, weil andernfalls der Zweck der Institution der Verfahrenshilfe, auch einem mittellosen Kläger die Rechtsverfolgung zu ermöglichen, vereitelt würde.

Mutwillige oder insgesamt aussichtslos erscheinende Rechtsverfolgung steht zwar der Bewilligung der Verfahrenshilfe gemäß § 63 Abs 1 ZPO entgegen; die für die Bewilligung der Verfahrenshilfe zuständigen Gerichte erster und zweiter Instanz erachteten die vorliegende Klage aber nicht als mutwillig, sondern nur teilweise als offenbar aussichtslos. Wenn sich der Kläger dieser vom richterlichen Ermessen getragenen Beurteilung nicht gleich anschloß und sich nicht mit der ursprünglichen Bewilligung der Verfahrenshilfe im Ausmaß von einem Viertel, sondern erst mit jener zu einem Drittel des ursprünglichen Klagebetrages zufriedengab, so kann dies nicht auch schon als vorwerfbare Verzögerung der Anspruchsverfolgung und damit als Verstoß gegen seine Pflicht zur ehesten Fortsetzung des Streitverfahrens gewertet werden. Das Verhalten des Klägers läßt auch insgesamt keinesfalls, wie von der ständigen Rechtsprechung für den Verlust der Unterbrechungswirkung der Klage vorausgesetzt wird (SZ 49/106; JBl 1980, 98; EvBl 1985/149; SZ 60/137 ua), den Schluß auf sein mangelndes Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens zu, es steht einem solchen Schluß vielmehr geradezu entgegen.

Durch das 11-monatige Ruhen des Verfahrens wurde somit entgegen der Ansicht der Vorinstanzen die in § 1497 ABGB normierte Unterbrechungswirkung der Klage nicht beseitigt. Die Abweisung des Klagebegehrens wegen Verjährung erfolgte daher rechtsirrtümlich. In Stattgebung der Revision des Klägers waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Die Rechtssache ist vor dem Erstgericht neu zu verhandeln und zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E22467

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00722.89.1115.000

Dokumentnummer

JJT_19901115_OGH0002_0080OB00722_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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