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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
StbG 1985 §10a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des HY in H, vertreten durch Dr. Walter Geißelmann, Dr. Günther Tarabochia, Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Scheffelstraße 8, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 27. März 2003, Zl. Ia 370-1438/2002, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10, 10a, 11, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG)" ab.
Die belangte Behörde begründete dies damit, dass die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers, der seinen Hauptwohnsitz seit 1989 ununterbrochen in Österreich habe, nicht den Erfordernissen des § 10a StbG entsprächen. In eventu führte sie aus, wegen der schlechten Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers - für den Fall, dass die Anforderungen des § 10a StbG gerade noch erfüllt sein sollten - das ihr eingeräumte Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausüben zu können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
"Voraussetzungen jeglicher Verleihung" der Staatsbürgerschaft sind gemäß § 10a StbG "unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache".
Gemäß § 11 StbG hat sich die Behörde unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde - nach einem Hinweis darauf, schon ein im Jahr 2000 gestellter Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft sei wegen seiner schlechten Sprachkenntnisse abgewiesen worden - folgende Feststellungen über den bei Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides in dieser Hinsicht maßgeblichen Sachverhalt getroffen:
"Erhebungen der Bezirkshauptmannschaft haben am 17.02.2003 ergeben, dass eine Verständigung mit dem Antragsteller praktisch nicht möglich war. Ebenso ist das Lesen und die Wiedergabe eines vorgelegten Textes nicht möglich. Der Antragsteller besuchte beim Wifi Vorarlberg zwei Deutschkurse im Umfang von jeweils 20 Stunden. Trotz des Besuches der beiden Deutschkurse ist es nicht möglich, mit dem Antragsteller ein Gespräch zu führen. Es ist dem Antragsteller nicht möglich, an ihn gerichtete Fragen zu beantworten, die über seine persönlichstenen (sic) Verhältnisse (wie z.B. Sind Sie verheiratet? Wieviele Kinder haben Sie? Wo arbeiten Sie?) hinausgehen. So hat er beispielsweise auf die Frage: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie? geantwortet 'Welche Stadt'; auf die Frage: Wo sind Sie aufgewachsen? wurde als Antwort gegeben 'aufgewachsen in Straße oder wo'; oder auf die Frage: Was für Hobbies haben Sie? hat der Antragsteller geantwortet 'a i Straße meine Wohnung'. Aus diesen Antworten ergibt sich zweifelsfrei, dass der Antragsteller die an ihn gerichteten Fragen nicht verstanden hat. Inwieweit die Erhebungen unrichtig gewesen sein sollen - wie das der Verleihungswerber in der schriftlichen Stellungnahme vom 19.03.2003 vorgebracht hat - geht aus seiner Äußerung nicht hervor."
In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Behörde dazu aus, die Lebensumstände des als Arbeiter berufstätigen Beschwerdeführers erforderten die Notwendigkeit einer Verständigung nicht nur im Familienkreis, sondern auch darüber hinaus etwa bei Behördengängen, Arztbesuchen oder ähnlichen Gelegenheiten. Hieran fehle es beim Beschwerdeführer.
In der Eventualbegründung wird eingeräumt, der Beschwerdeführer halte sich seit 1989 in Österreich auf und sei seit 1990 beim selben Arbeitgeber beschäftigt, was als "positiv" zu werten sei. Seine Deutschkenntnisse seien aber sehr schlecht. Nach dem Willen des Gesetzgebers komme dem Integrationsmerkmal "Deutschkenntnisse" besonderes Gewicht zu. Da der Antragsteller auch keine "Kontakte zur österreichischen Bevölkerung" oder sonstigen "in besonderer Weise" auf eine Integration hindeutenden Umstände geltend machen könne und sich seine Familie in der Türkei befinde, scheide die Verleihung der Staatsbürgerschaft "wegen der mangelnden Integration" des Beschwerdeführers auch unter Ermessensgesichtspunkten aus.
Diese Beurteilung findet in den getroffenen Feststellungen - sowohl hinsichtlich der Erfüllung der Voraussetzungen des § 10a StbG als auch in Bezug auf eine dem Gesetz entsprechende Ermessensentscheidung - keine fehlerfreie Grundlage. Mit Recht weist die Beschwerde nämlich darauf hin, dass die belangte Behörde von den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nur selektiv Gebrauch gemacht und insbesondere eine aktenkundige Stellungnahme des Gendarmeriepostens Hard vom 2. Februar 2003, wonach der Beschwerdeführer sich nicht nur "den hiesigen Verhältnissen gut angepasst" habe, sondern auch "ein gutes Deutsch" spreche, unerwähnt gelassen hat. Auch eine Auseinandersetzung mit der Argumentation in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 19. März 2003, er habe "am Arbeitsplatz, Besuch des Hausarztes, Behördengänge, Einkauf usw. keine Probleme", unterblieb.
Wäre von der Richtigkeit der in den genannten Stellungnahmen wiedergegebenen Tatsachen auszugehen, stünde das in einem von der belangten Behörde aufzuklärenden Widerspruch zu jener Einschätzung, die sie in Bezug auf die Sprachkenntnisse des Beschwerdeführers aus der Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Bregenz über das mit ihm geführte Gespräch ableitete. Im Übrigen bedarf es mehr als der im angefochtenen Bescheid vorgenommenen auszugsweisen Wiedergabe der (nach Ansicht der belangten Behörde von Unverständnis zeugenden und unrichtigen) Antworten des Beschwerdeführers auf Fragen zu sehr eng begrenzten Themenbereichen (Staatsangehörigkeit, Hobbies), um einen nachvollziehbaren Eindruck vom Ausmaß der Sprachbeherrschung des Beschwerdeführers zu vermitteln (vgl. zu diesem Thema die im hg. Erkenntnis vom 23. März 2004, Zl. 2003/01/0481, dargestellte Vorjudikatur; darauf - bezüglich bloß auszugsweiser Wiedergabe des Gespräches - verweisend zuletzt das Erkenntnis vom 30. August 2005, Zl. 2004/01/0482).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 13. Dezember 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003010263.X00Im RIS seit
12.01.2006