TE OGH 1990/11/20 10ObS145/90 (10ObS146/90, 10ObS147/90, 10ObS148/90, 10ObS149/90, 10ObS150/90, 10Ob

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Veröffentlicht am 20.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer (Arbeitgeber) und Mag. Wilhelm Patzold (Arbeitnehmer) in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Parteien 1. Helga G***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Virgilgasse 10, 2. Rupert A***, Pensionist, 5020 Salzburg, Schwesternweg 9, 3. Josef G***, Pensionist, 5400 Hallein, Seethalerstraße 10, 4. Georg P***, Pensionist, 5110 Oberdorf, Kreuzerleiten 18, 5. Maria R***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Virgilgasse 8, 6. Viktor S***, Pensionist, 5020 Salzburg, Anton Brucknerstraße 13, 7. Johann K***, Pensionist, 5082 Salzburg, Gartenstraße 4, 8. Judith M***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Rettenpacherstraße 1,

9.

Max B***, Pensionist, 5580 Tamsweg, Vordertullnberg 128,

10.

Margarethe L***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Hans Sachsgasse 20, 11. Anna G***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Franz Josefstraße 30, 12. Berta K***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Fasaneriestraße 8, 13. Dr. Josef D***, Pensionist, 5020 Salzburg, Pegiusgasse 20, 14. Gerda G***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Friesachstraße 17, 15. Albert H***, Pensionist, 5411 Oberalm, Schloßstraße 7, 16. Dr. Ernst R***, Pensionist, 5541 Flachau, Hoech 70, 17. Luise M***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Virgilgasse 12, 18. Theodor R***, Pensionist, 5020 Salzburg, Ignaz Harrerstraße 95, 19. Hildegard W***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Linzergasse 24, 20. Kurt A***, Pensionist, 5541 Abtenau 194, 21. Maria N***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Rettenpacherstraße 19, alle vertreten durch Dr. Berndt Sedlazeck, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*** G***, 5020 Salzburg,

Faberstraße 19-23, vertreten durch Dr. Erich Meusburger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Rückforderung von Krankengeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 1990, GZ 12 Rs 197-217/89-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22. September 1989, GZ 20 Cgs 176/88-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit S 35.175,60 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 5.862,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Alle Kläger waren Arbeitnehmer der beklagten Partei. Sie beendeten in den Jahren 1981 bis 1988 (zu den im Ersturteil jeweils genannten Zeitpunkten) ihr Dienstverhältnis; unmittelbar im Anschluß daran wurde ihnen die Berufsunfähigkeitspension bzw. Alterspension zuerkannt. Alle Kläger waren vor der Beendigung ihres Dienstverhältnisses (vor ihrer Pensionierung) wegen Krankheit unterschiedlich lang (zwischen 41 und 548 Tagen) arbeitsunfähig. Ihr Anspruch auf Krankengeld ruhte in dieser Zeit gemäß § 143 Abs 1 Z 3 ASVG, weil sie Anspruch auf Entgeltfortzahlung hatten. Mit dem letzten Tag ihres Dienstverhältnisses wurden sie (gemäß § 100 Abs 1 lit a ASVG) vom Krankenstand abgeschrieben. Innerhalb der dreiwöchigen Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG wurden alle Kläger neuerlich wegen Krankheit arbeitsunfähig geschrieben und erhielten dann, unterschiedlich lange, zum Teil sogar durch 78 Wochen, neben ihrem ungekürzten Pensionsbezug jenes Krankengeld, das die beklagte Partei nunmehr mit den angefochtenen Bescheiden gemäß § 107 ASVG rückforderte. Im Einzelfall handelt es sich dabei um Beträge zwischen S 6.930 (im Fall des Neuntklägers) und S 253.638 (im Fall der Erstklägerin). Alle verbundenen Klagen zusammengerechnet beträgt das Rückforderungsbegehren S 2,771.784,81.

Die beklagte Partei führte in ihren Bescheiden zur Begründung aus, das Krankengeld sei schon deswegen zu Unrecht bezogen worden, weil die Kläger nach ihrer Pensionierung nie mehr die Absicht gehabt hätten, wieder in ein Erwerbsleben einzutreten; es könne daher gar nicht mehr von einer Arbeitsunfähigkeit gesprochen werden. Vielmehr sei auf Grund einer Scheinkonstruktion, nämlich der Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit innerhalb der Schutzfrist unrechtmäßig Krankengeld bezogen worden. Wären die Kläger hingegen durchgehend krank gewesen, so hätten sie zwar auch Anspruch auf Krankengeld unmittelbar im Anschluß an das Dienstverhältnis gehabt. Einen solchen Anspruch auf Fortgewährung des Krankengeldes hätten sie jedoch niemals geltend gemacht; darauf könnten sie sich auch jetzt wegen seines Verfalles nicht mehr berufen. Daß es unrechtmäßig sei, neben der uneingeschränkten Pension noch das Krankengeld zu beziehen und auf diese Weise mehr zu erhalten als während des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses, hätte den Klägern, die alle langjährige Sozialversicherungsbedienstete gewesen seien, auch auffallen müssen. Die Erstklägerin, der Zweitkläger und der Drittkläger hätten überdies weit über die für Schutzfristfälle gemäß § 31 Abs 2 der Satzung der beklagten Partei vorgesehene gesetzliche Höchstdauer von 26 Wochen Krankengeld bezogen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Klagen mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, von der jeweils mit dem Bescheid ausgesprochenen Rückforderung Abstand zu nehmen. Die Bestätigungen des Chefarztes der beklagten Partei über den Gesundheitszustand der Kläger hätten jeweils den Tatsachen entsprochen. Die Kläger seien daher tatsächlich alle anläßlich ihrer Pensionierung kurzfristig gesund gewesen, nachher jedoch wiederum wochenlang krank und arbeitsunfähig geworden. Im übrigen sei der Parallelbezug einer unverminderten Pension und des Krankengeldes der beklagten Partei bekannt gewesen, er habe auch ihrer damaligen Rechtsauffassung entsprochen. Das Rückforderungsbegehren sei verjährt, weil der beklagten Partei die genauen Umstände der Krankengeldgewährung bekannt gewesen seien.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagen. Sie stellte ihrerseits den Antrag, die Kläger zum Rückersatz der im einzelnen genau bezeichneten Beträge schuldig zu erkennen. Die jeweilige Abschreibung aus dem Krankenstand mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses sei keineswegs aus medizinischen Gründen erfolgt, sondern habe lediglich dazu gedient, daß zum Zeitpunkt des Pensionsanfalles kein Krankengeld bezogen werde, weil sonst die Berufsunfähigkeits- bzw. Alterspension in Höhe des Krankengeldes geruht hätte.

Das Erstgericht hat allen Klagebegehren stattgegeben und die beklagte Partei schuldig erkannt, von der Rückforderung Abstand zu nehmen; weiters hat es die Urteilsgegenanträge der beklagten Partei abgewiesen. Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurden die Kläger mit dem Ende ihres Dienstverhältnisses gleichsam "automatisch" vom Krankenstand abgeschrieben, ohne daß im einzelnen die Gesundschreibung nochmals medizinisch überprüft worden wäre. Die neuerliche Krankschreibung innerhalb der Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG erfolgte jeweils auf Grund ärztlicher Untersuchungen und angegebener Diagnosen. Alle Kläger waren in der Zeit des zweiten Krankenstandes infolge Krankheit arbeitsunfähig, sie befolgten auch die jeweiligen Kontrolluntersuchungen bis zur zweiten und endgültigen Abschreibung.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht für den klagsgegenständlichen Zeitraum die grundsätzliche Rechtmäßigkeit eines Doppelbezuges von Pension und Krankengeld in Schutzfristfällen. Da die Kläger Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung gehabt hätten, hätten sie auch zu Recht Krankengeld bezogen, zumal ihnen bewußte unrichtige Angaben, ein bewußtes Verschweigen maßgeblicher Tatsachen, die Verletzung von Meldevorschriften oder gar ein doloses Zusammenwirken mit dem chefärztlichen Dienst nicht nachgewiesen werden könne. Den Klägern könne auch nicht vorgeworfen werden, gegen die Abschreibung zum Beschäftigungsende und gegen die neuerliche Krankschreibung nicht remonstriert zu haben, zumal auch die Chefärzte, die Direktion und die Leistungsabteilung der beklagten Partei ein Abstellen dieser Praxis nicht für erforderlich gehalten hätten. Da die festgestellten Vorgänge im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen "Pensionskrankenständen" im Betrieb der beklagten Partei seit Jahrzehnten praktiziert worden und allen Verantwortlichen und Beteiligten bekannt gewesen seien, sei die Rückforderung letztlich auch deswegen verjährt, weil die beklagte Partei es unterlassen habe, die Rückforderung in angemessener Frist zu betreiben. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Der Anspruch auf Leistung von Krankengeld mit jenem auf eine Pension könne sowohl in den Schutzfristfällen (§ 122 Abs 2 Z 2 ASVG) als auch in den Fortleistungsfällen (§ 122 Abs 1 letzter Satz ASVG) zusammenfallen (SSV 23/53, 25/105). Für diesen Fall sehe § 139 Abs 5 ASVG vor, daß die Dauer des Anspruches auf Krankengeld durch das Entstehen eines Pensionsanspruches nicht berührt werde, was ebenfalls klar erkennen lasse, daß die Leistung des Krankenversicherers gegenüber jener des Pensionsversicherers jedenfalls vorgehe. Der Anspruch auf Krankengeld bis zur gesetzlichen oder satzungsmäßigen Höchstdauer nach dem Fortleistungsprinzip gehe daher so weit, daß selbst nach Anfall einer Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung das Krankengeld weiter zu gewähren sei; dann ruhe nach § 90 ASVG die Pension mit dem Betrage des Krankengeldes. Die Ruhensbestimmung stelle darauf ab, daß im Zeitpunkt des Pensionsanfalles Krankengeld bezogen werde bzw. der Pensionsanfall auf einen Karenztag falle. Ein Krankengeldbezug nach Pensionsanfall (ausgelöst durch das Entstehen eines Anspruchs in der dreiwöchigen Schutzfrist des § 122 Abs 2 Z 2 ASVG) habe jedoch nach der vor dem 1. Jänner 1989 geltenden Fassung des § 90 ASVG ein Ruhen des Pensionsanspruches nicht bewirken können. Diese Konsequenz ergebe sich aus dem Wortlaut des § 90 Abs 1 ASVG idgF und finde seine Bestätigung darin, daß es der Gesetzgeber mit der 46. ASVG-Novelle für notwendig erachtet habe, diese Lücke durch Einfügung des ab 1.Jänner 1989 in Kraft getretenen § 90 Abs 2 ASVG zu schließen; erst seit dieser Novelle ruhe eine Pension auch bei Krankengeldbezug in Schutzfristfällen. In allen Rückforderungsfällen sei unbestritten, daß die Kläger ab dem Zeitpunkt der neuerlichen Krankschreibung nach dem Pensionsanfall arbeitsunfähig infolge Krankheit gewesen seien. Sie hätten daher ab diesem Zeitpunkt jedenfalls Anspruch auf den Bezug von Krankengeld gehabt, weil der Umstand, daß sie eine Pension bezogen, den Schutzfristfall nicht ausschloß (SSV 25/21). Diesen Anspruch hätten sie aber auch dann gehabt, wenn das Erstgericht jenen Sachverhalt festgestellt hätte, den die beklagte Partei mit ihrer Berufung anstrebe, nämlich daß die Kläger auch im Zeitpunkt des Pensionsanfalles und darüber hinaus bis zum Tag der tatsächlichen jeweiligen Krankschreibung innerhalb der Schutzfrist infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen seien. Auch im Fall einer durchgehenden und ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit hätte die beklagte Partei nach dem Fortleistungsprinzip des § 122 Abs 1 letzter Satz ASVG Krankengeld bezahlen müssen (SSV 23/53). Wenn also die konkrete Feststellung getroffen worden wäre, daß die Kläger, obwohl sie weiterhin krank und arbeitsunfähig waren, sich nur kurzfristig gesundschreiben hätten lassen, um zu einem ungerechtfertigten Doppelbezug zu gelangen, so wäre auch dadurch nicht ein unrechtmäßiger Bezug von Krankengeld erreicht worden; die Kläger hätten lediglich zu Unrecht Pensionsleistungen in Anspruch genommen, die von der beklagten Partei nicht zurückgefordert werden könnten. Daran könne auch die Argumentation der beklagten Partei nichts ändern, daß der Krankengeldanspruch auf Grund eines Schutzfristfalles ein anderer wäre als jener im Fortleistungsfall. Das ASVG kenne im Leistungskatalog der Krankenversicherung nur ein Krankengeld (§§ 138 bis 143 ASVG), das allenfalls nach § 107 ASVG rückforderbar sei, nicht jedoch verschiedene Krankengeldleistungen auf Grund unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen. Es werde nicht übersehen, daß einige der Kläger weit über die in Schutzfristfällen vorgesehene Höchstdauer von 26 Wochen hinaus Krankengeld bezogen hätten. Auf ein allfälliges Rückforderungsrecht im Zusammenhang mit einem Überbezug nach § 31 Abs 2 der Satzung habe sich die beklagte Partei im gerichtlichen Verfahren aber nicht mehr bezogen. Sie stehe nunmehr ohnedies auf dem Standpunkt, daß das Krankengeld als Fortleistung zu beziehen gewesen wäre und Schutzfristfälle gar nicht vorgelegen hätten; damit falle der im Bescheid noch geltend gemachte Rückforderungsanspruch aus § 31 Abs 2 der Satzung weg.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Abweisung der Klagebegehren und Verpflichtung der Kläger zum Rückersatz der zu Unrecht bezogenen Leistungen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen nach § 107 Abs 1 ASVG setzt in jedem Fall voraus, daß die gewährte Leistung "zu Unrecht" erbracht wurde. § 107 ASVG regelt allerdings nicht, wann eine Leistung "zu Unrecht" erbracht worden ist. Der Wortlaut dieser Bestimmung zeigt deutlich, daß nur geregelt werden soll, wann eine unrechtmäßige Vermögensverschiebung mißbilligt wird und daher nicht mehr aufrecht erhalten werden soll. Die Unrechtmäßigkeit der Leistung wird in § 107 ASVG vorausgesetzt; sie muß aus jenen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes abgeleitet werden, die sich mit den Ansprüchen auf Versicherungsleistungen befassen (Schrammel, Rückforderung und Entziehung von zu Unrecht erbrachten Sozialversicherungsleistungen, ZAS 1990, 73/74). Dabei sind die Wörter "zu Unrecht" im § 107 Abs 1 ASVG im materiellen Sinn auszulegen, d.h. es kommt für die Rückforderung darauf an, ob die Erbringung der Leistung den gesetzlichen Vorschriften entsprach (vgl. SSV-NF 3/9 = ZAS 1990, 95/10).

Die Kläger haben Krankengeld nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG bezogen; nach dieser Gesetzesstelle ist Krankengeld für Versicherungsfälle, die nach dem Ende der Versicherung eintreten, an Personen zu gewähren, die innerhalb der letzten 12 Monate vor dem Ausscheiden aus der durch eine Beschäftigung begründeten Pflichtversicherung mindestens 26 Wochen oder unmittelbar vorher mindestens 6 Wochen versichert waren und sogleich nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung erwerbslos geworden sind, wenn der Versicherungsfall während der Erwerbslosigkeit und binnen 3 Wochen nach dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung eintritt. Der letzte Satz des § 122 Abs 4 ASVG sieht vor, daß unter anderem die Krankenversicherung wegen Bezuges einer Pension aus der Sozialversicherung den Anspruch auf Leistungen nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG unberührt läßt.

Die Revisionswerberin geht jedoch davon aus, daß die Kläger deshalb das Krankengeld nach § 122 Abs 2 Z 2 ASVG zu Unrecht bezogen hätten, weil sie auch bei Beendigung ihres Dienstverhältnisses arbeitsunfähig infolge Krankheit gewesen seien und deshalb der in der zuletzt genannten Bestimmung geregelte Versicherungsfall gar nicht eintreten hätte können. Dieser Argumentation hat aber das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, daß die Kläger auch im Falle ihrer fortwährenden Arbeitsunfähigkeit Krankengeld nicht zu Unrecht bezogen hätten. Gemäß § 122 Abs 1 ASVG hat der Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn der Versicherungsfall während der Versicherung oder vor dem auf das Ende der Versicherung nächstfolgenden Arbeitstag eingetreten ist. Die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Krankheit werden auch gewährt, wenn die Krankheit im Zeitpunkt des Beginnes der Versicherung bereits bestanden hat. Die Leistungen sind in allen diesen Fällen auch über das Ende der Versicherung hinaus weiter zu gewähren, solange die Voraussetzungen für den Anspruch gegeben sind. Die Dauer des Anspruches auf Krankengeld wird gemäß § 139 Abs 5 ASVG durch das Entstehen eines Anspruches auf Pension aus dem Versicherungsfall des Alters oder aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder eine Versehrtenrente aus der Unfallversicherung nicht berührt. Daraus ergibt sich, daß der Träger der Krankenversicherung innerhalb der gesetzlichen und auch der allenfalls satzungsmäßig erweitertern Höchstdauer den Anspruch auf Krankengeld zu prästieren (leisten) hat, auch wenn während der Dauer des Krankengeldanspruches eine Pension anfällt (Teschner/Fürböck ASVG MGA 47. ErgLfg. 805 Anm 11 zu § 139; Binder in Tomandl, SV-System, 4. ErgLfg. 240). Daß in diesem Fall gemäß § 90 ASVG in der vor dem 1.Jänner 1989 geltenden Fassung der Pensionsanspruch für die weitere Dauer des Krankengeldanspruches mit dem Betrag des Krankengeldes ruhte, hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt. Im vorliegenden Rechtsstreit ist jedoch ausschlaggebend, ob das Krankengeld zu Unrecht bezogen wurde; diese Frage ist unabhängig von einem allfälligen Ruhen der Pensionsansprüche zu lösen. Durch die 46. ASVG-Novelle wurde dem § 90 ASVG ein zweiter Absatz angefügt, wonach die Ruhensbestimmungen des Abs 1 entsprechend gelten sollen, wenn nach Anfall eines Pensionsanspruches aus eigener Pensionsversicherung aus davorliegenden Versicherungszeiten ein Anspruch auf Krankengeld gemäß § 122 Abs 1 lit b ASVG oder § 122 Abs 2 Z 2 ASVG entsteht. Es wurde sachlich als nicht gerechtfertigt angesehen, daß das Ruhen gemäß § 90 ASVG nur dann eintritt, wenn der Pensionsanspruch nach Eintritt des Versicherungsfalles der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit anfällt. Ein Ruhen gemäß § 90 ASVG sollte daher auch dann eintreten, wenn nach Anfall der Pension innerhalb der Schutzfrist wegen Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld geltend gemacht wird und der Krankengeldanspruch mit jener Beschäftigung zusammenhängt, aus der das Erwerbseinkommen resultierte, das durch die Pension ersetzt werden soll (AB 853 BlgNR 17. GP 3). Diese Bestimmung trat mit dem 1. Jänner 1989 in Kraft. Wäre sie im Falle der Kläger bereits wirksam geworden, hätte sie in jedem Fall zu einem Ruhen ihrer Pensionsansprüche geführt. Auf die Frage, ob die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten von den Klägern Pensionsbezüge (als zu Unrecht erbracht) hätte zurückfordern können, braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht eingegangen zu werden. Die Revisionswerberin räumt nunmehr ein, daß das ASVG nur einen einheitlichen Krankengeldbegriff kennt; sie hält aber den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes entgegen, daß es rechtlich keineswegs zulässig sei, die Verschiedenheit der Anspruchsgrundlagen zu vernachlässigen. Die Kläger hätten sich bei der Geltendmachung des Krankengeldanspruches nur auf die eine konkrete Anspruchsgrundlage berufen; wenn nunmehr nachträglich festgestellt würde, daß diese konkrete Anspruchsgrundlage nicht gegeben gewesen sei, dann wären die Kläger verpflichtet gewesen, das zu Unrecht bezogene Krankengeld zurückzuzahlen. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Wie bereits oben dargelegt wurde, ist bei Beurteilung der Unrechtmäßigkeit einer Leistung iS des § 107 Abs 1 ASVG zu prüfen, ob die Leistung materiell den Vorschriften entsprach. Grundsätzlich bedarf es nicht der Anführung eines Rechtsgrundes, auf den sich ein Begehren stützt. Wenn ein Versicherter dennoch sein Begehren ausdrücklich auf einen bestimmten Rechtsgrund gestützt hat, ist dies für den Versicherungsträger oder für das Gericht nicht bindend, soweit sich nur aus dem Vorbringen des Klägers eine andere, wenn auch nicht ausdrücklich genannte Anspruchsgrundlage ergibt (vgl. Kuderna ASGG 424 Erl 5 zu § 82). Daraus folgt, daß die Kläger selbst dann das Krankengeld nicht zu Unrecht bezogen hätten, wenn sie sich, obwohl weiterhin krank und arbeitsunfähig, nur kurzfristig gesundschreiben hätten lassen, um zu einem ungerechtfertigten Doppelbezug zu gelangen: In diesem Fall hätten die Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, lediglich zu Unrecht Pensionsleistungen in Anspruch genommen, deren Rückforderung der beklagten Partei nicht zukommt. Auch aus der zulässigen Höchstdauer des Krankengeldanspruches (§ 139 Abs 1 und 2 ASVG) ergeben sich keine anderen Gesichtspunkte. In allen vorliegenden Fällen ruhte der Krankengeldanspruch gemäß § 143 Abs 1 Z 3 erster Halbsatz ASVG, weil die Kläger Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von mehr als 50 vH der vollen Geldbezüge vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hatten. Zeiten, für die der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 143 Abs 1 Z 3 erster Halbsatz ASVG beruht, sind aber auf die Höchstdauer gemäß § 139 ASVG nicht anzurechnen (§ 140 Z 1 ASVG nennt ausdrücklich nur die nach dem zweiten Halbsatz der genannten Bestimmung erfaßten Zeiten). Daraus folgt, daß der Fortbezug des vollen Arbeitsentgelts die Dauer des sozialversicherungsrechtlich eingeräumten Krankengeldanspruchs nicht kürzt; in Verbinung mit § 143 Abs 1 Z 3 ASVG kommt es somit lediglich zu einem zeitlichen Hinausschieben des Leistungsanfalls, was für den Versicherten allerdings nur bei entsprechend langer Krankheitsdauer von Bedeutung ist (Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche 211). Die Kläger hätten folglich auch im Fortleistungsfall die Höchstdauer des Krankengeldbezuges ausschöpfen können.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASVG. Ein Zuspruch von Kosten an die beklagte Partei nach § 77 Abs 3 ASGG kommt schon wegen deren völligem Unterliegen nicht in Betracht.

Anmerkung

E22498

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00145.9.1120.000

Dokumentnummer

JJT_19901120_OGH0002_010OBS00145_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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