Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Walter Holzer (Arbeitgeber) und Mag. Wilhelm Patzold (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Olga J***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Reimsstraße 2, vertreten durch Dr. Berndt Sedlazeck, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*** G***, 5020 Salzburg, Faberstraße 19-23, vertreten
durch Dr. Erich Meusburger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Rückforderung von Krankengeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Mai 1990, GZ 12 Rs 37/90-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 22. Jänner 1990, GZ 20 Cgs 207/88-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 2. Februar 1929 geborene Klägerin war vom 5. Februar 1973 bis zum 31. Dezember 1984 Angestellte der beklagten Partei. Seit 18. November 1983 war sie infolge Krankheit arbeitsunfähig. Das Dienstverhältnis wurde von der Klägerin wegen Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer aufgelöst; diese Pension wurde ihr mit Bescheid vom 6. März 1985 ab 1. Jänner 1985 gewährt. Ursprünglich wollte die Klägerin, daß sie von der beklagten Partei - zwecks Erlangung einer höheren Abfertigung - zum 17. November 1984 gekündigt werde; noch unter Zugrundelegung dieser Absicht wurde sie vom Chefarzt der beklagten Partei mit 30. November 1984 gemäß § 100 Abs 1 lit a ASVG vom Krankenstand abgeschrieben. Nachdem die beklagte Partei eine Kündigung abgelehnt hatte, löste die Klägerin das Dienstverhältnis von sich aus auf; ihr Krankenstand wurde dann bis 31. Dezember 1984 verlängert. Am 16. Jänner 1985 wurde sie von einem Internisten neuerlich krankgeschrieben. Es ist zwar möglich, daß am 15. Jänner 1985 durch einen aktuten Ischiasanfall eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eintrat; die Klägerin war jedoch zufolge ihrer chronischen Erkrankung auch in der Zeit vom 1. bis 15. Jänner 1985 nicht gesund und deswegen auch nicht arbeitsfähig. Sie bezog für die Zeit vom 16. Jänner bis 28. Februar 1985 (44 Tage) Krankengeld im Ausmaß von S 17.916,80. Mit Bescheid vom 27. Oktober 1988 forderte die beklagte Partei die Rückzahlung dieses Krankengeldes gemäß § 107 Abs 1 ASVG als zu Unrecht bezogen: die Klägerin habe sich einer Scheinkonstruktion bedient und eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit innerhalb der Schutzfrist vorgetäuscht, um neben der ungekürzten Pension auch das Krankengeld zu beziehen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren auf Abstandnahme von der Rückforderung. Die Klägerin sei tatsächlich anläßlich ihrer Pensionierung kurzfristig gesund und arbeitsfähig gewesen. Im übrigen sei der Parallelbezug einer ungekürzten Pension und des Krankengeldes der beklagten Partei bekannt gewesen; er habe auch ihrer damaligen Rechtsauffassung entsprochen. Das Rückforderungsbegehren sei schließlich verjährt, weil der beklagten Partei die genauen Umstände der Krankengeldzahlungen schon damals bekannt gewesen seien.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und stellte ihrerseits den Antrag, die Klägerin zum Rückersatz des genannten Betrages zu verpflichten. Die Abschreibung aus dem Krankenstand mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses sei keineswegs aus medizinischen Gründen erfolgt, sondern habe nur dazu gedient, zum Zeitpunkt des Pensionsanfalls kein Krankengeld zu beziehen, weil andernfalls die Pension geruht hätte. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging davon aus, daß die Klägerin durchgehend erkrankt und arbeitsunfähig war. Die davon abweichenden Abschreibungsvermerke seien von ihr aber weder durch bewußt unwahre Angaben, noch durch bewußte Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung von Meldevorschriften herbeigeführt worden. Der davon unabhängige Tatbestand des Erkennenmüssens, daß die Leistung nicht gebühre, sei zum Verjährungstatbestand des § 107 Abs 2 lit b ASVG in Beziehung zu setzen. Der beklagten Partei sei schon bei Gewährung des Krankengeldes der wesentliche Sachverhalt so bekannt gewesen, wie er nun feststehe. Die Abschreibungen vom Krankenstand seien "routinemäßig" und ohne medizinische Indikation erfolgt. Das Krankengeld sei trotz Vorliegens einer chronischen fortdauernden Erkrankung bzw. eines Gebrechens als Versicherungsfall der Wiedererkrankung iSd § 122 Abs 2 Z 2 ASVG gewährt worden. Der Bescheid sei erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist erlassen worden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die Klägerin habe das Krankengeld nicht zu Unrecht bezogen, weil sie auch im Zeitpunkt des Pensionsanfalles und Beendigung ihres Dienstverhältnisses infolge Krankheit arbeitsunfähig gewesen sei und Anspruch auf Krankengeld nach dem Fortleistungsprinzip des § 122 Abs 1 letzter Satz ASVG gehabt hätte (SSV 23/53). Auf den Doppelbezug von Krankengeld und Pension wäre dies nur insoweit von Einfluß gewesen, als während der Dauer des Krankengeldbezuges die Pension gemäß § 90 ASVG (aF) im Ausmaß des Krankengeldes geruht hätte. Zu Unrecht bezogene Pensionsleistungen könne die beklagte Partei aber nicht zurückfordern. Daran ändere auch die Argumentation der beklagten Partei nichts, daß der Krankengeldanspruch in einem Schutzfristfall ein anderer wäre als im Fortleistungsfall; lediglich die Anspruchsgrundlage wäre eine andere, die Leistung jedoch in beiden Fällen dieselbe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens und Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz des zu Unrecht bezogenen Krankengeldes. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der oben dargestellten Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß der Klägerin wegen durchgehender Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit auch nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und Gewährung der (vorzeitigen) Alterspension Anspruch auf Krankengeld zugestanden wäre (§ 122 Abs 1 und 4 jeweils letzter Satz ASVG) und sie daher das Krankengeld nicht zu Unrecht bezogen habe, in seiner Entscheidung vom 20. November 1990, 10 Ob S 145-165/90, eingehend auseinandergesetzt und diese Rechtsansicht für richtig befunden. Sowohl der Klagsvertreter wie die beklagte Partei und ihr Vertreter waren an diesem Verfahren beteiligt, sodaß es ausreicht, auf diese Entscheidung zu verweisen. Auch im vorliegenden Fall räumt die Revisionswerberin ein, daß das ASVG nur einen einheitlichen Krankengeldbegriff kenne; sie hält aber ebenso wie im Fall der E 10 Ob S 145-165/90 den Ausführungen des Berufungsgerichtes entgegen, daß es unzulässig sei, die Verschiedenheit der Anspruchsgrundlage zu vernachlässigen. Zu diesem Argument wurde in der genannten Entscheidung Stellung genommen. Da die Klägerin also auch nach dem Anfall der Alterspension nicht "zu Unrecht" Krankengeld bezogen hat, liegt schon deshalb ein Rückforderungstatbestand des § 107 Abs 1 ASVG nicht vor, ohne daß noch geprüft werden müßte, ob das Rückforderungsrecht nach § 107 Abs 2 lit a ASVG nicht bestehe oder nach § 107 Abs 2 lit b ASVG verjährt wäre.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Ein Kostenzuspruch an die beklagte Partei kommt schon wegen deren Unterliegens nicht in Betracht; die Klägerin hingegen hat Kosten des Revisionsverfahrens nicht verzeichnet.
Anmerkung
E22507European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00266.9.1120.000Dokumentnummer
JJT_19901120_OGH0002_010OBS00266_9000000_000