TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/13 2005/11/0172

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Veröffentlicht am 13.12.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §7 Abs1 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §7 Abs1 Z2 idF 2002/I/081;
FSG 1997 §7 Abs3 idF 2002/I/081;
StGB §127;
StGB §129 Z1;
StGB §15;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. Michael Jägerndorfer, Rechtsanwalt in 2560 Berndorf, Hernsteinerstraße 17, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 9. Mai 2005, Zl. UVS-FSG/48/3505/2005/2, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 7. März 2005 auf Erteilung einer Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 FSG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus:

Nach der Aktenlage sei der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. November 2004 wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchdiebstahls nach den §§ 15, 127 und 129 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden. Im selben Urteil sei die bedingte Nachsicht eines "Teiles einer Strafe von 12 Monaten", die ebenso wegen Einbruchdiebstahls verhängt worden sei, widerrufen worden. Wenn auch in der beispielsweisen Aufzählung von bestimmten Tatsachen im § 7 Abs. 3 FSG in Ziffer 11 von den "Diebstahlstatbeständen des StGB" nur § 131 StGB genannt sei, könnten doch auch andere Diebstähle bei Zusammentreffen mit anderen strafbaren Taten oder besonders gelagerte schwere Diebstähle, insbesondere Einbruchdiebstähle, die Annahme der Gleichwertigkeit mit den in § 7 Abs. 3 FSG beispielsweise aufgezählten Straftaten rechtfertigen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen des Diebstahls qualifiziert sei und es sich bei ihm um einen Rückfallstäter handle, könne die Auffassung der Erstbehörde, das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen des Diebstahls stelle eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs. 1 FSG dar, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Deshalb sei "auf die umfangreichen Vormerkungen im Straßenverkehr" nicht mehr näher einzugehen.

Die belangte Behörde gehe davon aus, dass das zur Verurteilung führende Verbrechen schon für sich genommen eine erhebliche Verletzung der Eigentums- und Persönlichkeitsrechte Dritter darstelle und von der Einstellung des Täters zeuge, der sich um eigener materieller Vorteile willen nicht von schweren Eingriffen in rechtlich geschützte Interessen anderer abhalten lasse und auch bereit sei, Gewalt einzusetzen. Da seit den strafbaren Handlungen noch keine so lange Zeit verstrichen sei, dass mit Sicherheit auf eine Änderung der Sinnesart geschlossen werden könne, müsse der Beschwerdeführer "auch derzeit noch" als verkehrsunzuverlässig angesehen werden. Unerheblich sei, ob der Beschwerdeführer bei den Straftaten ein Kraftfahrzeug verwendet habe, zumal die Begehung derartiger Delikte durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen typischerweise erleichtert werde.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Führerscheingesetzes, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 151/2004 (FSG), lauten auszugsweise:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

...

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

11. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;"

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können auch Diebstähle bei Zusammentreffen mit anderen strafbaren Taten oder besonders gelagerte schwere Diebstähle (insbesondere Einbruchdiebstähle) die Annahme der Gleichwertigkeit mit den im § 7 Abs. 3 FSG beispielsweise aufgezählten Straftaten rechtfertigen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0038, mwN). Entscheidend ist dabei nicht, ob das jeweilige Delikt tatsächlich unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges begangen wurde, vielmehr ist wesentlich, dass die Begehung solcher Delikte durch die Verwendung von Kraftfahrzeugen typischerweise erleichtert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 99/11/0132, mwN).

Um aber beurteilen zu können, ob die strafbaren Handlungen, derentwegen der Beschwerdeführer verurteilt wurde, als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG qualifiziert werden können, wäre eine nähere Konkretisierung dieser strafbaren Handlungen durch die belangte Behörde erforderlich gewesen. Während die in § 7 Abs. 3 FSG ausdrücklich genannten strafbaren Handlungen schon ex lege als bestimmte Tatsachen anzusehen sind, ist es für die Qualifikation einer anderen - nicht ausdrücklich erwähnten - Verhaltensweise als bestimmte Tatsache erforderlich, dass sie im Einzelfall durch ihre Verwerflichkeit den beispielsweise bezeichneten strafbaren Handlungen an Unrechtsgehalt und Bedeutung im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen etwa gleich kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0201).

Die belangte Behörde hat sich - wie dargestellt - mit dem Hinweis darauf begnügt, der Beschwerdeführer sei wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt worden, wobei die bedingte Nachsicht eines Teils einer zuvor verhängten Strafe von 12 Monaten, die ebenso wegen Einbruchdiebstahls verhängt worden sei, im selben Urteil widerrufen worden sei.

Damit bleibt offen, wegen welcher Handlung(en) der Beschwerdeführer mit dem Urteil vom 19. November 2004 verurteilt wurde, wann er diese Handlung(en) begangen hat, welcher Teil der "Strafe von 12 Monaten", die zuvor bedingt nachgesehen wurde, mit dem genannten Urteil widerrufen wurde und welche wann begangenen Straftaten zu dem früheren Urteil geführt haben.

Indem die belangte Behörde es unterlassen hat, die notwendigen Feststellungen zu treffen, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. Dezember 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2005110172.X00

Im RIS seit

08.01.2006

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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