TE OGH 1990/11/21 2Ob589/90

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Veröffentlicht am 21.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Zehetner und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Ing. Helmut R***, Bundesbeamter, 2213 Wallsee 19, 2) Reingard M***, Volksschullehrerin, Neugebäudeplatz 4, 3100 St. Pölten, und 3) Ruth K***, Lehrerin, Burgweg 37, D-7311 Erkenbrechtsweiler, Bundesrepublik Deutschland, alle vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1) Reinhold R***, Finanzbeamter, H. Schnaidmadlstraße 18, 3100 St. Pölten,

2) Eleonora R***, Angestellte, ebendort wohnhaft, und 3) Hans R***, Angestellter, Breitenfurterstraße 467-471/4/1, 1238 Wien, die erst- und zweitbeklagte Partei vertreten durch Dr. Richard Wandl, Rechtsanwalt in St. Pölten, die drittbeklagte Partei vertreten durch Dr. Heinz Barazon und Dr. Brigitte Birnbaum, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung der Ungültigieit eines Testamentes (Streitwert S 100.000), infolge Revision der erst- und zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Februar 1990, GZ 14 R 270/89-31, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 26. Juni 1989, GZ 6 Cg 313/87-24, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erst- und die zweitbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 5.555,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 925,92, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 25. Mai 1895 geborene Johann R*** errichtete am 7. Juni 1979 ein fremdhändiges Testament, mit dem er seine Ehegattin Marianne Erika R*** zur Universalerbin einsetzte und anordnete, daß nach dem Ableben seiner Ehegattin seine Kinder, und zwar die drei Kläger und der Erst- und der Drittbeklagte, Erben seines Nachlasses sein sollten. Die Ehegattin des Johann R*** verstarb am 18. Februar 1986. Zu SW 20/86 des Bezirksgerichtes St. Pölten wurde, da sich im Verlassenschaftsverfahren nach Marianne Erika R*** Anhaltspunkte für eine geistige Behinderung des Johann R*** ergaben, das Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters für ihn eingeleitet. Nach der am 15. Juli 1986 erfolgten Erstanhörung des Betroffenen wurde mit Beschlüssen vom 16. Juli 1986 Dr. Hans K*** für ihn zum einstweiligen Sachwalter nach § 238 Abs 1 und Abs 2 AußStrG bestellt. In dem Beschluß nach § 238 Abs 2 AußStrG (SW 20/86-9) wurde ausgeführt, daß der einstweilige Sachwalter nur folgende dringende Angelegenheiten zu besorgen hat:

"Abhandlungsverfahren nach der am 18. Februar 1986 verstorbenen Marianne R*** und damit zusammenhängende Verfahren". Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß der Betroffene auf Grund seines hohen Alters geistig nicht mehr in der Lage sei, die im Zuge der Abhandlung voraussichtlich notwendigen Verhandlungen zu führen. Am 23. Februar 1987 errichtete Johann R*** ein fremdhändiges Testament, mit dem er alle bisher errichteten letztwilligen Anordnungen widerrief und seine beiden Söhne Reinhold und Hans R*** (den Erst- und den Drittbeklagten) sowie seine Schwiegertochter Eleonora R*** (die Zweitbeklagte) zu gleichen Teilen zu seinen Erben einsetzte; seine übrigen Kinder beschränkte er auf den gesetzlichen Pflichtteil. Am 25. Februar 1987 verstarb Johann R***, ohne daß das gegen ihn eingeleitete Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters eingestellt oder der für ihn in diesem Verfahren bestellte einstweilige Sachwalter enthoben worden wäre. In dem zu 2 A 119/87 des Bezirksgerichtes St. Pölten anhängigen Verlassenschaftsverfahren nach Johann R*** gaben die Kläger auf Grund des Testamentes vom 7. Juni 1979 bedingte Erbserklärungen zu je einem Fünftel des Nachlasses ab. Die Beklagten gaben auf Grund des Testamentes des Erblassers vom 23. Februar 1987 bedingte Erbserklärungen (zu je einem Drittel des Nachlasses) ab; der Drittbeklagte erklärte darüber hinaus, für den Fall der Ungültigkeit des Testamentes vom 23. Februar 1987 auf Grund des Testamentes vom 7. Juni 1979 zu einem Fünftel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung abzugeben. Alle diese Erbserklärungen wurden zu Gericht angenommen; den Klägern wurde die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zugeteilt.

Im vorliegenden Rechtsstreit stellten die Kläger das Begehren, mit Urteil zu erkennen, daß das schriftliche Testament des Erblassers vom 23. Februar 1987 ungültig sei und daß den Klägern sowie dem Erst- und dem Drittbeklagten auf Grund des Testamentes des Erblassers vom 7. Juni 1979 zu je einem Fünftel das Erbrecht zum Nachlaß des Erblassers zustehe. Sie stützten dieses Begehren im wesentlichen darauf, daß Johann R*** am 23. Februar 1987 infolge seines damals bereits fortgeschrittenen geistigen Abbaues nicht mehr testierfähig gewesen sei. Im übrigen sei das Testament vom 23. Februar 1987 nicht formgerecht errichtet worden. Der Erst- und die Zweitbeklagte wendeten im wesentlichen ein, der Erblasser sei am 23. Februar 1987 im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und vollkommen handlungsfähig gewesen. Das Testament des Erblassers von diesem Tag sei rechtsgültig zustandegekommen. Der Drittbeklagte erklärte, er sei nicht in der Lage, das Klagevorbringen zu bestreiten, weil er zum Erblassers keinen ausreichenden Kontakt gehabt habe, um dessen Testierfähigkeit im Februar 1987 auch nur annähernd beurteilen zu können. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es traf Feststellungen über den Gesundheitszustand des Erblassers, deren Wiedergabe hier im einzelnen unterbleiben kann, und beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich im wesentlichen dahin, daß das Testament des Erblassers vom 23. Februar 1987 unter Einhaltung der Formvorschriften des § 579 ABGB errichtet worden sei und daß auch die Testierfähigkeit des Erblassers zu bejahen sei, weil unabhängig vom Vorhandensein einer im allgemeinen die Testierfähigkeit ausschließenden geistigen Erkrankung des Erblassers am 23. Februar 1987 ein sogenanntes lucides Intervall vorgelegen sei, in dessen Verlauf der Erblasser nicht nur in der Lage gewesen sei, eine entsprechende freie Willensbildung vorzunehmen, sondern auch den Testiervorgang zu erfassen und den wesentlichen Inhalt des von ihm unterfertigten Testamentes zur Kenntnis zu nehmen.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Kläger gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes, das es im Umfang der Abweisung des Begehrens, es werde festgestellt, daß den Klägern sowie dem Erst- und dem Drittbeklagten das Erbrecht nach Johann R*** auf Grund des Testamentes vom 7. Juni 1979 zu je einem Fünftel zustehe, bestätigte, im übrigen dahin ab, daß es feststellte, daß das vom Erblasser am 23. Februar 1987 errichtete schriftliche Testament ungültig sei. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, gemäß § 568 ABGB könnten Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt sei, nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren, wobei diese Anordnung auch jene Personen betreffe, für die nur ein einstweiliger Sachwalter bzw. für die nur für eine einzige Angelegenheit ein Sachwalter bestellt worden sei. Da für Johann R*** im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes vom 23. Februar 1987 ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt gewesen sei, habe er nur die im § 568 ABGB bezeichneten Testamente wirksam errichten können. Da das von Johann R*** am 23. Februar 1987 errichtete Testament schon aus diesem Grund ungültig sei, könne die Frage, ob er im Augenblick der Testamentserrichtung testierfähig gewesen sei und die Vorschriften des § 579 ABGB eingehalten worden seien, dahingestellt bleiben.

Da aber bei einem Erbrechtsstreit nur die Frage der Ungültigkeit des Erbrechtstitels zu klären sei, nicht aber eine positive Entscheidung über die Erbberechtigung der Kläger getroffen werden könne, sei das Klagebegehren, soweit es auf Feststellung von Erbberechtigungen gerichtet sei, abzuweisen.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage der Notwendigkeit der Einhaltung der im § 568 ABGB bestimmten Formvorschriften keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Erst- und der Zweitbeklagten. Sie bekämpfen sie in ihrem klagsstattgebenden Teil aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

§ 568 ABGB ordnet an, daß Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt ist, nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell testieren können. Diese mit dem Bundesgesetz über die Sachwalterschaft für behinderte Personen (BGBl 1983/136) in das ABGB eingefügte Bestimmung gilt unabhängig von der Art der Sachwalterschaft; es kommt also nicht darauf an, ob der Sachwalter nur für eine einzelne Angelegenheit oder zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt wurde. Diese wegen ihrer Undifferenziertheit in der Literatur verschiedentlich kritisierte Gesetzesbestimmung (siehe dazu Schauer in NZ 1983, 53 und Steinbauer in ÖJZ 1985, 390 f) wurde, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, vom Gesetzgeber ganz bewußt in dieser Form geschaffen. Während nämlich noch in der Regierungsvorlage (742 BlgNR 15. GP 2, 21) dem Pflegschaftsgericht die Möglichkeit eingeräumt wurde, dem Behinderten die "unbeschränkte Testierfähigkeit" zuzuerkennen, wird im Bericht des Justizausschusses, der dem § 568 ABGB die zum Gesetz gewordene Fassung gab, ausdrücklich ausgeführt, daß diese Möglichkeit entfallen solle, weil der mit der Beweglichkeit der vorgeschlagenen Regelung verbundene Vorteil, auf die individuellen Fähigkeiten der behinderten Person verstärkt Bedacht nehmen zu können, durch die Nachteile überwogen werde, die sich aus der Unsicherheit über die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung ergeben könnten. Die Beschränkung des § 568 ABGB beziehe sich ohnedies bloß auf die Form der letztwilligen Verfügung; die Fähigkeit zu testieren werde durch die Bestellung eines Sachwalters an sich nicht beschränkt (1420 BlgNR 15. GP 2).

Aus der Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesbestimmung ergibt sich somit eindeutig, daß dem Gesetzgeber durchaus bewußt war, daß die materielle Testierfähigkeit eines Behinderten, dem gemäß § 273 ABGB ein Sachwalter bestellt wird, durch diese Maßnahme allein nicht beeinträchtigt sein muß, weil sie sich auf die verschiedensten anderen Lebensgebiete, die mit der Fähigkeit, die Bedeutung einer letztwilligen Erklärung zu erkennen und demgemäß ohne wesentliche Beeinträchtigung der Willensfreiheit zu handeln (SZ 56/180 mwN ua), überhaupt nichts zu tun haben müssen, beziehen kann, daß er es aber trotzdem aus Gründen der Rechtssicherheit für erforderlich erachtete, die einem solchen Behinderten zur Verfügung stehenden Testierformen in der im § 568 ABGB zum Ausdruck gebrachten Weise zu beschränken. Damit sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers gewährleistet werden, daß bei einem solchen Behinderten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung durch den Richter bzw. den Notar geprüft wird, ob er sich nicht in einem die Testierfähigkeit ausschließenden Geisteszustand im Sinne des § 566 ABGB befindet

(742 BlgNR 15. GP 21).

Den in der Literatur gegen die im § 568 ABGB getroffene gesetzliche Regelung aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (Steinbauer in ÖJZ 1985, 390 f) vermag der erkennende Senat nicht zu folgen, weil diese Regelung durchaus sachlichen Erwägungen des Gesetzgebers entspringt. Ein Behinderter, dem im Sinne des § 273 ABGB ein Sachwalter bestellt wurde, ist in seiner zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit in der sich aus § 273a ABGB ergebenden Weise eingeschränkt. Diese Einschränkung muß durchaus nicht die mangelnde materielle Testierfähigkeit des solcherart Betroffenen nach sich ziehen; seine materielle Testierfähigkeit hängt nach wie vor davon ab, ob er die Bedeutung einer letztwilligen Erklärung erkennen kann und imstande ist, demgemäß ohne wesentliche Beeinträchtigung seiner Willensfreiheit zu handeln. Ob diese Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist aus der Tatsache, daß dem Betroffenen nach § 273 ABGB ein Sachwalter bestellt wurde, weder zu erkennen noch zu beurteilen. Allerdings indiziert aber diese Tatsache, daß der Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, daß also bei ihm ein psychischer Defektzustand vorliegt, der im Einzelfall durchaus geeignet sein mag, die materielle Testierfähigieit des solcherart Betroffenen zu beeinträchtigen. Wenn der Gesetzgeber unter diesen Gesichtspunkten Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt wurde, auf die Testamentserrichtungsformen des mündlichen Testamentes vor Gericht oder vor dem Notar beschränkte, liegt darin keine unsachliche Differenzierung, weil damit nichts anderes erreicht werden sollte, als daß anläßlich der Testamentserrichtung einer solchen Person durch den Richter oder den Notar geprüft wird, daß die Erklärung des letzten Willens "frei und mit Überlegung geschehe" (§ 569 dritter Satz ABGB bzw. § 70 NotO), eine solche Prüfung aber vom Gesetzgeber aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit aus der durchaus sachlichen Erwägung für erforderlich erachtet wurde, daß bei einer solcherart jedenfalls in ihrer zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit beschränkten und an einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung leidenden Person die Möglichkeit einer Beeinträchtigung ihrer materiellen Testierfähigkeit jedenfalls weitaus größer ist als bei einer Person, der kein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt wurde. Nach ihrem klaren Wortlaut bezieht sich allerdings die Vorschrift des § 568 ABGB nur auf Personen, denen ein Sachwalter nach § 273 ABGB bestellt wurde; auch aus § 245 AußStrG ergibt sich, daß dann, wenn ein Sachwalter (gemäß § 273 ABGB) bestellt wird, in dem darüber ergehenden Beschluß auf die besondere Formvorschrift für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung (§ 568 ABGB) hinzuweisen ist. Eine ausdrückliche Anordnung, daß auch Personen, denen ein einstweiliger Sachwalter im Sinne des § 238 AußStrG bestellt wurde, den gleichen Beschränkungen unterliegen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

§ 238 AußStrG enthält Vorschriften über einstweilige Sachwalter durchaus verschiedener Art. Während § 238 Abs 1 AußStrG nur eine Art Pflichtvertretung des Betroffenen im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB betrifft und ausdrücklich die Anordnung enthält, daß der Betroffene dadurch in seinen Rechtshandlungen nicht beschränkt wird, ordnet § 238 Abs 2 AußStrG an, daß im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB das Gericht dem Betroffenen, wenn es dessen Wohl erfordert, zur Besorgung sonstiger dringlicher Angelegenheiten für die Dauer des Verfahrens einen einstweiligen Sachwalter zu bestellen hat. Die Rechtsstellung des einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG und ihre Auswirkung auf die Handlungsfähigkeit des Betroffenen ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Aus den Gesetzesmaterialien (AB 1420 BlgNR 15. GP 3) geht aber ganz eindeutig hervor, daß es sich bei der Bestellung des einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG um eine Provisorialmaßnahme handelt, mit der eine Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Behinderten hinsichtlich der "sonstigen dringenden Angelegenheiten" verbunden ist und daß sich der Hinweis im § 238 Abs 1 AußStrG, daß der Betroffene durch eine Maßnahme im Sinne dieser Gesetzesstelle in seinen Rechtshandlungen nicht beschränkt wird, nicht auf die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG bezieht. Der Ansicht Kraliks in Ehrenzweig, System3, Erbrecht-Ergänzungsheft 1985, 9, daß mit der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG die Handlungsfähigkeit des Betroffenen nicht beschränkt wird, ist daher nicht zu folgen, weil sie sich mit den Gesetzesmaterialien nicht in Einklang bringen läßt. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß durch eine solche Maßnahme der Betroffene in jenen Angelegenheiten, für deren Besorgung ihm ein einstweiliger Sachwalter nach dieser Gesetzesstelle bestellt wurde, analog der Vorschrift des § 273a ABGB in seiner zivilrechtlichen Handlungsfähigkeit beschränkt wird (vgl. SZ 58/113) und daß auch eine solche Maßnahme zumindest indiziert, daß der Betroffene an einem psychischen Defekt im Sinne des § 273 ABGB leidet, der im Interesse des Wohles des Betroffenen diese Maßnahme erforderlich macht.

Damit bestehen aber die gleichen Gründe, die den Gesetzgeber zur Schaffung der Bestimmung des § 568 ABGB für den Fall der Bestellung eines Sachwalters nach § 273 ABGB veranlaßten, zwar nicht im Fall der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 1 AußStrG, wohl aber eindeutig in gleicher Weise im Fall der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG. Der gleiche Gesetzeszweck gebietet die analoge Anwendung der Bestimmung des § 568 ABGB auch im Fall der Bestellung eines einstweiligen Sachwalters im Sinne der letztgenannten Gesetzesstelle. Der erkennende Senat kommt daher mit Welser in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu §§ 566-569 und entgegen Kralik aaO, Maurer, Sachwalterrecht 88 und Gitschthaler in ÖJZ 1985, 235 zu dem Ergebnis, daß die Vorschrift des § 568 ABGB auch bei Bestellung eines einstweiligen Sachwalters nach § 238 Abs 2 AußStrG zur Besorgung dringender Angelegenheiten während des Bestellungsverfahrens gilt.

Damit entspricht aber die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Ergebnis der Sach- und Rechtslage. Der Revision des Erst- und der Zweitbeklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E22341

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0020OB00589.9.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19901121_OGH0002_0020OB00589_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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