Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert Josef T*** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10.August 1990, GZ 31 Vr 531/90-10, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen wird der Akt dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2.März 1959 geborene Angeklagte Herbert Josef T*** der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs 1 StGB und der Unzucht mit Unmündigen nach dem § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Zeit Mitte August/Anfang September 1989 in Linz
zu I) mit der am 3.Februar 1976 geborenen, sohin unmündigen Alexandra K*** einmal den außerehelichen Beischlaf unternommen und
zu II) die unmündige Alexandra K*** wiederholt auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er ihre Geschlechtsteile betastete.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Das Erstgericht hielt die leugnende Verantwortung des Angeklagten auf Grund der Aussage der Zeugin Alexandra K*** für widerlegt, welche gegenüber ihrer Mutter Erika K***, der Pflegemutter Hildegard L***, der einvernehmenden Polizeibeamtin und auch dem Gericht gegenüber im wesentlichen stets gleichlautend ausgesagt habe. Für die Tatrichter hatte die Aussage der Zeugin Hildegard L*** deshalb besondere Beweiskraft, weil diese bei der Minderjährigen eine besondere Vertrauensstellung einnimmt (S 82). Kleinere Ungereimtheiten in der Aussage der Zeugin Alexandra K*** waren nach Ansicht des Gerichts alters- und intelligenzbedingt und vermochten "die Wahrhaftigkeit des wesentlichen Geschehens nicht (zu) beeinträchtigen" (S 83). Die Mängelrüge vermag keine Nichtigkeit aufzuzeigen. Soweit der Beschwerdeführer diese oben angeführte Begründung des Urteils als "völlig unzureichend" bezeichnet, übersieht er, daß eine Beschränkung des Gerichts auf geradezu zwingende Beweise mit dem Grundsatz einer freien richterlichen Beweiswürdigung unvereinbar ist, von einem solchen Begründungsmangel nur dann gesprochen werden kann, wenn sich ein Schluß auf die zu begründende Tatsache überhaupt nicht ziehen läßt oder wenn der daraus gezogene Schluß so weit hergeholt erscheint, daß der logische Zusammenhang kaum noch zu erkennen ist (Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 149 bei § 281 Z 5). Ein solcher Mangel liegt aber nicht vor.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider mußte sich das Gericht auch nicht mit dem Hinweis der Zeugin L***, das Kind sei nicht immer ganz aufrichtig (S 72), gesondert auseinandersetzen; denn die Zeugin hat dazu - was die Rüge völlig übergeht - auch noch angegeben, daß sich dies nur auf Kleinigkeiten beziehe, Unehrlichkeit keine Charaktereigenschaft des Kindes und sie der Ansicht sei, daß die Minderjährige "zum fraglichen Sachverhalt die Wahrheit" sage. Damit steht aber dieser aus dem Zusammenhang gelöste Teil der Aussage der genannten Zeugin den Urteilsfeststellungen in Wahrheit nicht entgegen.
Daß das Mädchen sich vor der Polizei (S 28/29) und in der Hauptverhandlung (S 68 ff) auf die Schilderung des vom Angeklagten unternommenen Geschlechtsverkehrs beschränkt hat, vor dem Untersuchungsrichter (S 39 f) aber auch sexuelle Betastungen bei anderen Gelegenheiten erwähnt hat, war entgegen dem Beschwerdevorbringen im Urteil nicht besonders zu behandeln. Denn das Gericht muß sich in den Entscheidungsgründen nur mit den seinen Feststellungen entgegenstehenden Beweistatsachen auseinandersetzen (10 Os 133/69 ua); keine Erörterungspflicht besteht jedoch hinsichtlich jener Details, die den Urteilsannahmen nicht widersprechen (13 Os 120/79) und somit an sich nicht geeignet sind, die den Tatrichtern durch die Gesamtheit der ihnen voröiegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern (16 Os 22/89; Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 66 a bei § 281 Z 5). Die Darstellung der Zeugin vor dem Untersuchungsrichter wurde verlesen (S 74). In diesen Angaben finden die Konstatierungen über die Unzuchtshandlungen iS des § 207 StGB Deckung.
Das Gericht verwies im Rahmen der Würdigung der Verantwortung des Angeklagten - er sei an dem Abend, an dem er den Beischlaf mit Alexandra K*** unternommen haben soll, nicht zu Hause gewesen, weil er nach einer Schlägerei von der Polizei festgenommen wurde - auch auf die Aussage der genannten Zeugin vor dem Untersuchungsrichter, wonach kurz nach der Tat die Polizei in die Wohnung gekommen und den Beschwerdeführer mitgenommen habe (S 40). Es hat in diesem Zusammenhang konstatiert, daß das "genaue Datum" der Begehung der zu Punkt I des Urteilssatzes inkriminierten Tat nicht feststehe (S 82 f) und hat im Rahmen der Würdigung dieser Aussage der genannten Zeugin vor dem Untersuchungsrichter erkennbar nicht mehr zum Ausdruck bringen wollen, als daß auch bei einer Verübung der Tat am Tag der Festnahme des Angeklagten ein Zeitraum von 1 1/2 Stunden für die Tatbegehung offen gestanden wäre. Bei dieser Sachlage mußte sich das Gericht aber nicht auch noch ausdrücklich mit der Aussage der genannten Zeugin in der Hauptverhandlung, die Festnahme sei nicht am Tag der Tat, sondern später erfolgt (S 69), gesondert auseinandersetzen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Demgemäß wird der Gerichtshof zweiter Instanz über die Berufungen zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).
Anmerkung
E22541European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00125.9.1121.000Dokumentnummer
JJT_19901121_OGH0002_0130OS00125_9000000_000