TE OGH 1990/11/21 9ObA274/90

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Veröffentlicht am 21.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Günther Schön und Kurt Wuchterl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Dr.Erich R***, Angestellter, Eichgraben, Nagelbergstraße 56, vertreten durch Dr.Martin Binder und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei T*** Z*** AG, nunmehr S*** Z*** G*** MBH, Wien

2, Hollandstraße 2, vertreten durch Dr.Rudolf Krilyszyn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 126.750 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Mai 1990, GZ 31 Ra 45/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16.Mai 1989, GZ 20 Cga 1699/88-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 1.August 1981 bei der S*** Z*** G*** MBH als Chefchemiker angestellt. Mit Dienstvertrag vom 4. Jänner 1983 verpflichtete sich der Kläger, sowohl kurzfristig als auch dauernd in anderen Fabriken der Gesellschaft tätig zu sein. Als Dienstort wurde zunächst Leopoldsdorf bestimmt. Am 28.April 1987 wurde vertragsgemäß Enns als neuer Dienstort bestimmt. Zum Aufgabenkreis des Klägers gehörte an beiden Betriebsstätten die Überwachung des Betriebes der Kläranlage. Mit Schreiben vom 10. Februar 1988 wurde der Kläger gebeten, für ca. zwei Wochen an einem Projekt der T*** Z*** mitzuwirken. Zu diesem Zeitpunkt war allgemein bekannt, daß es zu einer Fusion der beiden Unternehmen kommen werde. Auf Grund dieser Aufforderung erklärte sich der Kläger bereit, aushilfsweise in Tulln tätig zu sein. Da diese Tätigkeit nach seiner Ansicht eine Erweiterung seines bisherigen Aufgabenbereiches herbeiführte, forderte der Kläger am 17. März 1988 eine Gehaltserhöhung, die jedoch vom Geschäftsführer der beklagten Partei abgelehnt wurde. Am 25.März 1988 wurde nach längeren Verhandlungen anläßlich der geplanten Schließung der Z*** ENNS ein Sozialplan erstellt. Dieser enthielt unter anderem Abfertigungsregelungen für Arbeitnehmer, die nach der Schließung am 31.März 1988 von der beklagten Partei nicht weiterbeschäftigt werden konnten. Die Leistungen aus dem Sozialplan kamen ihnen nur zugute, wenn sie einer einvernehmlichen Lösung ihrer Arbeitsverhältnisse zustimmten. Dem Kläger wurde am 30.März 1988 von der beklagten Partei mitgeteilt, daß er in der TULLNER Z*** weiterbeschäftigt werde. Da der Kläger hiemit nicht einverstanden war, protestierte er mit Schreiben vom 31.März 1988 gegen die vertragswidrige Versetzung nach Tulln und bot der beklagten Partei die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses an. Die beklagte Partei stimmte nicht zu. Der Kläger begann daraufhin am 1.April 1988 seine Tätigkeit in Tulln unter Protest. Dem Kläger wurde weiterhin seine Dienstwohnung in Enns zur Verfügung gestellt; er konnte Tagessätze und Fahrtkosten verrechnen. Seine Aufgabe bestand in der Planung einer Abwasseranlage. Nach Vergleichsverhandlungen mit dem Kläger bestimmte die beklagte Partei mit Schreiben vom 4.Mai 1988 als neuen Dienstort ab 16.Mai 1988 Leopoldsdorf. Daraufhin erklärte der Kläger mit Schreiben vom 6.Mai 1988 neben der Kündigung zum 30. November 1988 seinen vorzeitigen Austritt zum 30.November 1988 und machte als Gründe längerdauernde eklatante Vertragsverstöße geltend (Verleihung gegen den ausdrücklich erklärten Willen des Arbeitnehmers an eine andere Firma; vertragswidrige Erweiterung des Aufgabenbereiches; Nichtbeistellung einer Dienstwohnung). Trotz seiner Versetzung nach Leopoldsdorf schloß der Kläger die Arbeiten in der TULLNER Z*** ab. In Leopoldsodrf erhielt er sofort eine Dienstwohnung.

Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines Betrages von 126.750 S sA an Abfertigung, weil die vertragswidrige Versetzung nach Tulln nicht als Weiterbeschäftigung anzusehen sei und daher für ihn die Abfertigungsregelungen des Sozialplanes zur Anwendung kämen. Die Z*** TULLN sei am 1.April 1988 keine Betriebsstätte der S*** Z*** G*** MBH gewesen; weiters habe er in Tulln Aufgaben erhalten, die auch in das Arbeitsgebiet eines Zivilingenieurs gefallen seien; schließlich sei ihm in Tulln vertragswidrig keine Dienstwohnung beigestellt worden. Während seiner Tätigkeit in Tulln habe der Kläger seine Dienstwohnung behalten und sei zwischen Enns und Tulln bzw. zwischen Tulln und Wien, wo er eine Wohnung besitze, "gependelt". Die beklagte Partei habe ihm die Fahrtspesen und Tagessätze gezahlt, aber keine Aufenthaltskosten ersetzt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die beklagte Partei sei an einer Weiterbeschäftigung des Klägers interessiert gewesen. Die TULLNER Z*** sei zwar am 1.April 1988 keine Betriebsstätte der beklagten Partei gewesen, es sei aber damals die Fusion kurz bevorgestanden. Bis zur Versetzung nach Leopoldsdorf sei Enns der Dienstort des Klägers gewesen. Der Kläger habe seine Dienstwohnung in Enns behalten. Die beklagte Partei habe auch alle Kosten, die infolge des "Pendelns" zwischen Tulln und Enns bzw. Tulln und Wien angefallen seien, übernommen. Es sei nicht möglich gewesen, dem Kläger kurzfristig eine Dienstwohnung in Tulln zur Verfügung zu stellen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Regelungen des Sozialplanes nur für Arbeitnehmer gelten, die von der beklagten Partei überhaupt nicht mehr beschäftigt würden. Der Kläger sei aber von der beklagten Partei weiterbeschäftigt worden und habe erst am 6.Mai 1988 zum 30. November 1988 seinen Austritt erklärt, obwohl innerhalb dieser Frist von der beklagten Partei - wie vorher angekündigt - der vertragsgemäße Zustand wieder hergestellt worden sei. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und teilte dessen Auffassung, der Austritt sei nicht berechtigt gewesen. Einerseits sei im Hinblick auf das bestehende Naheverhältnis zwischen der TULLNER Z*** und der beklagten Partei die Arbeitsleistung tatsächlich nicht für einen fremden Betrieb erbracht worden; andererseits habe die beklagte Partei nach Verhandlungen den vom Kläger nicht akzeptierten Zustand innerhalb einer objektiv angemessenen Frist beseitigt. Im übrigen ergebe sich aus der - ohne besonderen Grund vorgenommenen - Befristung des Austrittes mit 30. November 1988, daß dem Kläger die Weiterleistung der Dienste nicht unzumutbar gewesen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behaupteten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Zu Unrecht wendet sich der Revisionwerber auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Zweck des Sozialplanes ist es gemäß § 109 Abs 3 ArbVG, die sich aus einer betrieblichen Änderung für alle oder einen erheblichen Teil der Arbeitnehmerschaft ergebenden wesentlichen Nachteile zu verhindern, zu beseitigen oder zu mildern. Berücksichtigt man diesen Zweck bei Auslegung des im Sozialplan gebrauchten Begriffes "Weiterbeschäftigung", dann ist zwar darunter grundsätzlich eine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen zu verstehen, doch führen geringfügige, vorübergehende und im Zusammenhang mit der Betriebsänderung kaum vermeidbare Abweichungen nicht dazu, eine Weiterbeschäftigung im Sinne des Sozialplanes nicht mehr anzunehmen. Mit dem durch die Schließung der ENNSER Z*** bedingten vorübergehenden Einsatz des Klägers in der TULLNER Z*** hat die beklagte Partei bei Anwendung dieser Grundsätze weder die Weiterbeschäftigung des Klägers im Sinne des Sozialplanes verweigert noch wesentliche Vertragsbestimmungen im Sinne des § 26 Z 2 AngG verletzt.

Daß der Kläger als bisher mit der Überwachung des Betriebes von Kläranlagen beschäftigter Chemiker nicht in der Lage gewesen wäre, die ihm übertragene Planung einer Kläranlage für die TULLNER Z*** auszuführen, hat er nicht einmal behauptet (vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4, 214). Da auch im Dienstvertrag, in dem das Tätigkeitsgebiet des Klägers lediglich mit "Chefchemiker" umschrieben ist, eine Einschränkung auf bloße Überwachungstätigkeit nicht zu entnehmen ist, hat die beklagte Partei mit der Übertragung einer Planungsarbeit, die den Kläger nicht überforderte und bei der er seine Kenntnisse als Chemiker und die bei Überwachung der Kläranlagen gewonnenen Erfahrungen verwerten konnte, die Grenzen ihres Weisungsrechtes nicht überschritten. Da der Kläger nach dem Dienstvertrag verpflichtet war, sowohl kurzzeitig als auch dauernd in einer anderen Fabrik des Unternehmens tätig zu sein und - wie allgemein bekannt war - die seit längerem geplante Fusion der S*** Z*** G*** MBH mit der TULLNER Z*** unmittelbar

bevorstand, verstieß auch die Beschäftigung in der TULLNER Z*** bei einer am Zweck der Regelung orientierten Auslegung nicht gegen den Dienstvertrag und war entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nicht als vertragswidriges Verleihen an ein fremdes Unternehmen anzusehen. Weiters wurden wesentliche Interessen des Klägers auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß ihm die beklagte Partei für seinen kurzfristigen Einsatz in Tulln nicht eine Dienstwohnung zur Verfügung stellte, da sie ihm weiterhin die Dienstwohnung in Enns beließ und für seine Tätigkeit in Tulln Fahrtkosten und Tagessätze bezahlte. Bei Bewertung der Tätigkeit des Klägers in der TULLNER Z*** ist schließlich zu

berücksichtigen, daß er unmittelbar vor Schließung des Betriebes in Enns mit seiner Zustimmung 14 Tage dort eingesetzt worden war. Zieht man schließlich auch noch in Betracht, daß die beklagte Partei dem Verlangen des Klägers auf genaue Einhaltung der Bestimmungen seines Dienstvertrages durch die mit Schreiben vom 4. Mai 1988 angekündigte Versetzung nach Leopoldsdorf unter Beistellung einer Dienstwohnung zum 16.Mai 1988 ohnehin Rechnung trug, dann lag weder ein Grund für einen berechtigten Austritt gemäß § 26 Z 2 AngG vor noch waren die Voraussetzungen - keine Weiterbeschäftigung - für die Inanspruchnahme der im Sozialplan vorgesehenen Abfertigungsregelungen gegeben.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E22182

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00274.9.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19901121_OGH0002_009OBA00274_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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