TE OGH 1990/11/21 9ObA244/90

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Veröffentlicht am 21.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günther Schön und Kurt Wuchterl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Roswitha W***, Wien 19, Geistinger Gasse 1/7/2, vertreten durch Dr. Gerd Hartung und Dr. Hildegard Hartung, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei V*** S*** VON A***, vertreten durch Dr. Harald Foglar-Deinhardstein ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Bestandes eines Arbeitsverhältnisses (Streitwert S 50.000,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 1990, GZ 34 Ra 134/89-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 4. August 1989, GZ 11 Cga 2018/88-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war ab 11. 1. 1981 als Fotographin, und zwar als Abteilungsleiterin für das "S***-W***-LABOR", bei der beklagten Partei in deren Botschaft in Wien angestellt. Der Dienstvertrag wurde in der amerikanischen Botschaft in Wien abgeschlossen. Die Vorgespräche führte der spätere Vorgesetzte Hans N***, Vorsteher des fotographischen Dienstes. Die Klägerin hatte während ihrer ganzen Tätigkeitszeit ihren Wohnsitz in Wien und arbeitete ausschließlich dort. Auf Grund ihres Antrages vom 12. 6. 1985 wurde sie mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. 12. 1985 ab 1. 6. 1985 dem Kreis der begünstigten Invaliden zugeordnet. Mit Schreiben vom 11. 8. 1987 wurde sie von der beklagten Partei ohne Zustimmung des Invalidenausschusses zum 30. 9. 1987 gekündigt. Mit Schreiben vom 21. 8. 1987 wies die Klägerin den Personal Officer der beklagten Partei darauf hin, daß sie dem Kreis der begünstigten Invaliden angehöre und eine Kündigung zufolge des besonderen Kündigungsschutzes nicht (ohne weiteres) zulässig sei. Sie sei in der Lage, eine sitzende Tätigkeit gleicher Qualifikation auszuüben. Mit Schreiben vom 8. 9. 1987 verständigte die beklagte Partei die Klägerin, daß es beim Kündigungsausspruch bleibe.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die von der beklagten Partei ausgesprochene Kündigung unwirksam und daher das Dienstverhältnis auf Grund des Dienstvertrages vom 1. 10. 1980 aufrecht sei. Sie sei zufolge eines Arbeitsunfalles ab 20. 3. 1987 krank gewesen und deshalb gekündigt worden. Mangels einer Zustimmung des Invalidenausschusses sei die Kündigung jedoch gemäß § 8 InvEG (nunmehr BEinstG) unwirksam.

Die beklagte Partei wandte mangelnde inländische Gerichtsbarkeit ein, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte insbesondere vor, die Klägerin stütze sich unberechtigt auf den besonderen Kündigungsschutz des InvEG, weil die beklagte Partei analog zu den im § 1 Abs 1 InvEG genannten internationalen Organisationen von der Anwendung des InvEG ausgenommen sei. Im übrigen sei sie nicht informiert gewesen, daß die Klägerin eine im Sinne des InvEG begünstigte Person sei; die Klägerin habe eine aus Anlaß der Kündigung geleistete Abfertigung ohne Protest entgegengenommen; durch deren Annahme habe sie sich konkludent mit der Kündigung einverstanden erklärt.

Das Erstgericht verwarf die Einrede des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit und gab im übrigen dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteige. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, die Annahme der von der beklagten Partei unaufgefordert geleisteten Abfertigung bewirke mangels Erklärungswillens der Klägerin keine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses. Das Exterritorialitätsverständnis der beklagten Partei und die daraus gefolgerte schlüssige Ausnahme von der Geltung des BEinstG sei verfehlt. Es sei auch aus Quellen des innerstaatlichen und des internationalen Rechts nicht zwingend entnehmbar, daß der Arbeitsvertrag der Klägerin, der nicht in den hoheitlichen Bereich falle, einem anderen als dem österreichischen Recht unterliege. Art. 25 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. 4. 1961 erfordere nicht, die Klägerin wegen der Wahrnehmung von Aufgaben des Entsendestaates nicht dem österreichischen Arbeits- und Sozialrecht zu unterstellen. Auf österreichischem Staatsgebiet gelte das BEinstG auch für ausländische Arbeitgeber, sofern diese nicht kraft besonderer Immunität oder Privilegien durch ausdrückliche gesetzliche Anordnung ausgenommen seien. Diese mit dem Völkerrecht durchaus zu vereinbarende Anknüpfung an österreichisches Arbeitnehmerschutzrecht sei schon deshalb verfassungsrechtlich unbedenklich, weil die Ausnahme im § 1 BEinstG für internationale Organisationen vorrangig wegen der Befreiung von der als Steuer erachteten Ausgleichstaxe eingeführt wurde. Das Berufungsgericht sehe sich daher nicht veranlaßt, die Anregung, ein Gesetzesprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof zu beantragen, aufzugreifen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei. Sie macht Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat in Erledigung der Beweisrüge, daß es die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme jener über die Information der beklagten Partei über den "Erhalt des Invalidenausweises" schon vor Ausspruch der Kündigung als unbedenklich übernommen und seiner Entscheidung zugrundegelegt (S 8 zweiter Absatz). Aus den vorhergehenden Ausführungen (S 7 und S 8 oben) ergibt sich eindeutig, daß es damit zum Ausdruck brachte, es übernehme mangels rechtlicher Relevanz die Feststellung des Erstgerichtes nicht, wonach die Klägerin die beklagte Partei vor der Kündigung von ihrer Invalideneigenschaft in Kenntnis gesetzt habe; weiterer Beweisaufnahmen zu diesem Punkt bedürfe es nicht, weil es für die mit der Invalideneigenschaft verbundenen Begünstigungen ohne Bedeutung sei, ob der Dienstgeber im Zeitpunkt der Kündigung vom Bestehen der Invalideneigenschaft Kenntnis hatte. Von einer Unüberprüfbarkeit, welche die Nichtigkeit des Urteils wegen eines Begründungsmangels zur Folge hätte, kann daher keine Rede sein. Die behaupteten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen ebenfalls nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Bei den behaupteten Verfahrensmängeln handelt es sich - wie die beklagte Partei selbst erkennt - im übrigen großteils um sekundäre, Verfahrensmängel, die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen sind und daher im Rahmen der Rechtsrüge miterledigt werden.

Der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit, wozu auch die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Immunität gehört (Fasching, Lehrbuch Rz 59), ist in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (Fasching aaO Rz 79). Wenn sich die beklagte Partei auch nicht durch ausdrückliche Erklärung der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen hat (Fasching aaO Rz 60), genügt es im Hinblick darauf, daß sie ihren Einwand nicht mehr aufrecht hält, auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts (S 5) zu verweisen. Ausländische Staaten sind nur in Ausübung ihrer hoheitlichen Funktionen, nicht aber im Rahmen ihrer Eigenschaft als Privatrechtsträger der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen (Fasching aaO Rz 59; SZ 23/143 uva). Handelt ein ausländischer Staat bei Abschluß eines Arbeitsvertrages über im Inland zu leistende Arbeiten als Privatrechtsträger, kann er auch im Inland aus diesem Arbeitsverhältnis belangt werden, wobei nicht auf den Zweck der Arbeiten, sondern auf die Erbringung der Arbeitsleistungen an sich abzustellen ist (Arb. 10.789).

Die Parteien haben den Arbeitsvertrag in Österreich geschlossen; die Klägerin hat ihre Arbeit stets hier verrichtet. Da sie weder von der beklagten Partei nach Österreich entsandt wurde (§ 44 Abs 1 letzter Satz IPRG) noch die Parteien eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen haben - sie wäre im übrigen hinsichtlich der in Frage stehenden zwingenden Bestimmungen zugunsten der Klägerin unbeachtlich (Abs 3 leg cit) -, findet auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur beklagten Partei gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 IPRG österreichisches Recht Anwendung.

In den Anwendungsbereich dieser Norm fällt zwar nur der privatrechtliche Bereich des Arbeitsrechts (RV 784 BlgNR 14.GP;

Duchek-Schwind, MGS IPRG § 44 Anm. 1; MGA ABGB32 § 44 Anm. 1 IPRG;

Schwimann, Grundriß IPR 136 f; Arb. 10.502 ua). Der besondere Kündigungsschutz des § 8 BEinstG gehört jedoch dem privatrechtlichen und nicht dem öffentlich-rechtlichen Bereich des Arbeitsrechts an, weil er auf die vertragsrechtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses Einfluß nimmt. Ob die den öffentlich-rechtlichen Normen zuzuordnende Beschäftigungspflicht des § 1 Abs 1 BEinstG für die beklagte Partei gilt, ist hier nicht entscheidungsrelevant, weil der besondere Kündigungsschutz des § 8 BEinstG auch für jene behinderten Arbeitnehmer gilt, die bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die nicht der Einstellungspflicht des § 1 bzw. der an ihre Stelle tretenden Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichstaxe unterliegen (RV 1420 BlgNR 13. GP; Ernst, BEinstG Anm. 2 zu § 8; 9 Ob A 179/90). Die Kündigung eines begünstigten Behinderten darf auch in diesen Fällen erst nach Zustimmung des Behindertenausschusses ausgesprochen werden; eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung ist hingegen unwirksam.

Von diesem besonderen Kündigungsschutz sind nur die Dienstverhältnisse zu internationalen Organisationen ausgenommen, weil § 1 Abs 1 zweiter Satz BEinstG ausdrücklich normiert, daß dieses Bundesgesetz auf internationale Organisationen im Sinn des § 1 Abs 7 des BG vom 14. 12. 1977 über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl. 677/1977 (Privilegiengesetz), nicht anzuwenden ist (zu den Motiven dieser Regelung RV 1158 BlgNR 14.GP; Ernst aaO Anm. 11 zu § 1).

Die beklagte Partei vertritt die Auffassung, diese Ausnahme müsse auch für ausländische Missionen gelten. Dies ergebe sich aus Art. 25 des Wiener Übereinkommens, wonach jeder ausländischen Mission "jede Erleichterung" vom Empfangsstaat zu gewähren sei. Die Anwendung des § 8 BEinstG sei aber eine die beklagte Partei belastende Norm und stehe daher mit Art. 25 des genannten Übereinkommens in Widerspruch. Der zweite Satz des § 1 Abs 1 BEinstG sei in das Gesetz aufgenommen worden, weil im Privilegiengesetz die Ausnahme der internationalen Organisationen von der Geltung des BEinstG nicht ausdrücklich angeführt sei. In den Gesetzesmaterialien zum Privilegiengesetz werde ausgeführt, daß sich die Privilegien und Immunitäten, die den internationalen Organisationen gewährt werden, an jene hielten, die vom Wiener Übereinkommen diplomatischen Missionen gewährt werden. Hieraus ergebe sich, daß nach dem Willen des österreichischen Gesetzgebers internationale Organisationen und diplomatische Missionen gleichbehandelt werden sollten. Eine andere Lösung führe zu einer unverständlichen Ungleichbehandlung internationaler Organisationen und diplomatischer Missionen. Der Unterschied in der Gesetzestechnik liege nur darin, daß im Privilegiengesetz und im BEinstG einzelne Gesetze und Begünstigungen aufgezählt seien, wogegen das Wiener Übereinkommen in Art. 25 eine generelle Bestimmung enthalte. Sollte der österreichische Gesetzgeber tatsächlich eine derartige Regelung getroffen haben, rege die beklagte Partei die verfassungsrechtliche Überprüfung dieser Bestimmung an.

Eine Differenzierung zwischen internationalen Organisationen und ausländischen Missionen ist aber weder verfassungsrechtlich noch völkerrechtlich bedenklich. Ausländische Staaten genießen - wie bereits oben ausgeführt - nach innerstaatlichem Recht und herrschendem Völkerrecht nur für hoheitliches Handeln, nicht jedoch im Rahmen ihrer Eigenschaft als Privatrechtsträger, wozu auch der Abschluß von Dienstverträgen zählt, Immunität (Neuhold-Humer-Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I 149). Internationale Organisationen genießen hingegen weitergehende Vorrechte. Die Immunität internationaler Organisationen und ihrer Vermögen von zivilrechtlichen Klagen ist regelmäßig in den einschlägigen internationalen Abkommen vorgesehen. Auf diese Weise sollen die internationalen Organisationen vor Eingriffen und Einflußnahmen durch die Organe einzelner Staaten geschützt werden (Neuhold-Humer-Schreuer aaO 162).

Hieraus erklärt sich, daß in § 1 Abs 1 BEinstG nur internationle Organisationen, nicht auch ausländische Missionen zur Gänze von der Anwendung dieses Gesetzes ausgenommen sind. Hätte der Gesetzgeber die Ausnahme auch ausländischen Missionen gewähren wollen, hätte er diese in § 1 Abs 1 letzter Satz BEinstG ausdrücklich genannt. Zur Zeit der Einführung dieser Bestimmung durch die Nov. BGBl. 111/1979 galt nämlich im innerstaatlichen Bereich sowohl das Bundesgesetz über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen (BGBl. 677/1977) als auch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (BGBl. 66/1966), das die Privilegien ausländischer Missionen regelt. § 1 Abs 1 letzter Satz BEinstG enthält daher keine ungewollte, durch Auslegung zu schließende Regelungslücke, sondern entspricht der Absicht des Gesetzgebers, internationalen Organisationen weitergehende Privilegien als ausländischen Missionen zu gewähren. Diese Bevorzugung internationaler Organisationen läßt sich auf dem Gebiet des Arbeitsrechts zusätzlich durch den Umstand rechtfertigen, daß Arbeitnehmer internationaler Organisationen einen gewissen Schutz durch bei diesen eingerichtete Verwaltungsgerichte oder ähnliche Einrichtungen genießen (Neuhold-Humer-Schreuer aaO 162). Hingegen kann nicht von vorneherein gesagt werden, daß alle ausländischen Staaten einen dem österreichischen Standard entsprechenden Bestandschutz der Arbeitsverhältnisse kennen, der es rechtfertigen würde, Dienstverhältnisse mit ausländischen Staaten von der österreichischen Gerichtsbarkeit und damit potentiell auch von den zwingenden Normen zugunsten der Arbeitnehmer auszunehmen. Eine solche Ausnahme könnte nur durch bilaterale Abkommen vorgesehen werden; ein solches Abkommen besteht jedoch mit der beklagten Partei nicht.

Der Hinweis in den Erläuterungen zum Privilegiengesetz (RV 486 BlgNR 14.GP) kann daran nichts ändern: Er hat nur zum Gegenstand, daß sich der äußere Rahmen der Privilegien und Immunitäten, die internationalen Organisationen durch die Bundesregierung gewährt werden können, mit den bereits der UNIDO, der IAEO und der OPEC zustehenden Rechten deckt und "an die im Wiener Übereinkommen vorgenommene Abgrenzung hält"; er führt jedoch nicht zu einer Erweiterung der im Wiener Übereinkommen den Missionen gewährten Rechte. Aus der allgemeinen Formulierung des Art. 25 dieses Übereinkommens, wonach der Empfangsstaat den Missionen "jede Erleichterung zur Wahrung ihrer Aufgaben gewährt", kann nicht die Befreiung ausländischer Missionen von zwingenden Normen des Arbeitsrechts abgeleitet werden. Die Erleichterungen sind - wie sich aus mehreren anderen Bestimmungen dieses Übereinkommens (zB Art. 21 und 26) eindeutig ergibt - im Rahmen der bestehenden Gesetze zu gewähren.

Auch aus § 35 Abs 4 lit a ASVG ist für die beklagte Partei nichts zu gewinnen. Daß eine Norm des Sozialrechts existiert, in der internationale Organisationen und ausländische Missionen gleichgestellt sind, besagt nicht, daß das auch in anderen Fällen so sein muß. Eine gewisse Angleichung der Rechtsstellung internationaler Organisationen und ausländicher Staaten war erklärter Zweck des Privilegiengesetzes; die den internationalen Organisationen gewährten Begünstigungen reichen jedoch weiter. Eine Befassung des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten mit dieser allein von den Gerichten zu lösenden Frage scheidet aus. Abgesehen davon, daß § 271 Abs 2 ZPO, soweit diese Bestimmung die Ermittlung fremden Rechts betrifft, durch die Regelung des § 4 IPRG ersetzt wurde, geht es hier nicht um die Ermittlung ausländischen Rechts, sondern um die Frage der Anwendbarkeit inländischer Normen auf einen Sachverhalt mit Auslandsbeziehung.

Mangels ausdrücklicher Ausnahme unterliegen daher die Dienstverhältnisse zu ausländischen Staaten, wenn - wie hier - keine anderslautende bilaterale Vereinbarung existiert, dem besonderen Kündigungsschutz des § 8 BEinstG. Die beklagte Partei hätte daher bei Kündigung der Klägerin diese zwingende Bestimmung beachten müssen.

Wie bereits erwähnt, kann nach dieser Bestimmung bei sonstiger Unwirksamkeit die Kündigung eines nach dem BEinstG begünstigten Behinderten ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitgeber, bei dem er beschäftigt ist, der Einstellungspflicht unterliegt oder nicht, nur nach Zustimmung des Behindertenausschusses ausgesprochen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung von der Behindertenstellung keine Kenntnis hat (Arb. 10.584 ua, zuletzt 9 Ob 179/90).

Die Entscheidung, ob eine Behinderung iSd BEinstG vorliegt und daher dem Behinderten besonderer Kündigungsschutz zu gewähren ist, ist zwingend der Verwaltungsbehörde übertragen; eine Überprüfung dieser für die Kündigung relevanten Vorfrage durch die Gerichte ist ausgeschlossen (SZ 60/144 ua). Ein Behinderter ist aber nicht schlechthin unkündbar. Seine Kündigung ist vielmehr nur nach Zustimmung des Behindertenausschusses zulässig, der eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Schutzbedürftigkeit des Behinderten vorzunehmen und sodann nach freiem Ermessen zu entscheiden hat (Ernst aaO Anm. 17 ff zu § 8; 9 Ob A 179/90). Mangels Zustimmung des Behindertenausschusses ist die Kündigung rechtsunwirksam und der Behinderte ist berechtigt, eine Klage auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses einzubringen. In diesem Verfahren ist weder eine Überprüfung der Behinderung noch eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhälntisses und den Interessen des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung vorzunehmen, so daß der behauptete sekundäre Verfahrensmangel nicht vorliegt. Hat ein Arbeitgeber erst nach Ausspruch der Kündigung von der begünstigten Stellung des Arbeitnehmers erfahren, kann er von der Möglichkeit des § 8 Abs 2 zweiter Satz, letzter Halbsatz BEinstG Gebrauch machen und nachträglich die Zustimmung beantragen (vgl. Ernst aaO Anm. 39 zu § 8). In diesem Verfahren hat der Behindertenausschuß eine Interessenabwägung vorzunehmen und hiebei auf Einwände der beklagten Partei, daß sie die Weiterbeschäftigung der Klägerin wegen deren mangelnden oder verminderten Beschäftigungsmöglichkeit und der geringen Zahl anderer Arbeitnehmer besonders hart träfe, Bedacht zu nehmen (9 Ob A 179/90). Ob in der Nichtverweigerung der Annahme der Abfertigung ein Verzicht auf den besonderen Kündigungsschutz und die Zustimmung zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erblicken ist, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Die beklagte Partei durfte als redlicher Erklärungsempfänger die Nichtverweigerung der Annahme nicht als Verzicht auf den Kündigungsschutz werten, weil die Klägerin gegen ihre Kündigung umgehend remonstriert und auf ihre Unkündbarkeit infolge ihrer Behinderung hingewiesen hat. Es darf nicht übersehen werden, daß sich die Klägerin in einer Zwangslage befand. Die beklagte Partei ignorierte nämlich ihren Kündigungsschutz und verweigerte ihr die Zahlung des weiteren Lohnes. In der Unterlassung der Verweigerung der Annahme der Abfertigung kann unter diesen Umständen kein Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen werden, der die beklagte Partei zur Annahme berechtigt hätte, die Klägerin stimme einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E22204

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00244.9.1121.000

Dokumentnummer

JJT_19901121_OGH0002_009OBA00244_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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