TE OGH 1990/11/22 7Ob665/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.11.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate W***, Geschäftsfrau, Wien 22., Fellnergasse 19, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B*** Gesellschaft mbH, Wien 21., Amtsstraße 45-47, vertreten durch Dr. Christian P. Winternitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 30.000,- sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Februar 1990, GZ 1 R 377/89-17, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 28. August 1989, GZ 10 C 3327/88t-9, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Text

Begründung:

Das das Klagebegehren abweisende Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien, Wien 4., Mattiellistraße 2-4, wurde dem Klagevertreter am 28. 9. 1989 zugestellt. Der letzte Tag der Rechtsmittelfrist war somit der 27. 10. 1989. Die an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, Wien 4., Mattiellistraße 2-4, adressierte Berufung der klagenden Partei wurde nach den Erhebungen des Berufungsgerichtes am 25. 10. 1989 zur Post gegeben und langte am 30. 10. 1989 bei der gemeinsamen Einlaufstelle des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien und des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien ein. Sie wurde von einer Bediensteten der Einlaufstelle für das Bezirksgericht Innere Stadt Wien übernommen und an die Abteilung 10 dieses Gerichtes weitergeleitet. Von dort wurde sie an die Einlaufstelle zurückgeschickt, wo sie am 2. 11. 1989 einlangte und von einer Bediensteten der Einlaufstelle für das Bezirksgericht für Handelssachen Wien übernommen wurde. Das Berufungsgericht wies die Berufung der klagenden Partei mit der Begründung zurück, daß die Tage des Postenlaufes nur dann in die Rechtsmittelfrist nicht einzurechnen seien, wenn das Rechtsmittel an das zuständige Gericht adressiert gewesen sei. Eine unrichtige Adressierung schade nur dann nicht, wenn das Rechtsmittel innerhalb der Rechtsmittelfrist beim Erstgericht tatsächlich einlange. Im vorliegenden Fall sei die Bezeichnung des Adressaten mit Bezirksgericht Innere Stadt Wien für die Zustellung bestimmend gewesen und habe zur Behandlung der Berufung bei diesem Gericht geführt. Die klagende Partei müsse sich daher die Zeit, die zur Übersendung an das Bezirksgericht für Handelssachen Wien notwendig gewesen sei, in die Berufungsfrist einrechnen lassen. Daran ändere der Umstand nichts, daß die Adresse mit Wien 4., Mattiellistraße 2-4, angegeben gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Rekurs der klagenden Partei ist unbeschadet des Streitwertes von S 30.000,-

zulässig. Gegen einen Beschluß, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung zurückweist, ist ein Rekurs ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig (2 Ob 33/90; 991 BlgNR 17.GP 68). Der Rekurs ist auch berechtigt.

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß nach ständiger Rechtsprechung zu § 89 Abs 1 GOG bei gesetzlichen Fristen, die in bürgerlichen Rechtssachen einer Partei zur Abgabe von Prozeßhandlungen offenstehen, die Tage des Postenlaufes nur dann in die Frist nicht eingerechnet werden, wenn das Schriftstück an das zuständige Gericht adressiert ist. Ein an ein falsches Gericht adressiertes Schreiben wahrt die Frist nur dann, wenn es noch innerhalb der offenen, durch § 89 GOG nicht berührten Frist beim zuständigen Gericht einlangt (SZ 60/192 mwN). Da die Postaufgabe die Überreichung beim zuständigen Gericht ersetzt und im übrigen das Einlangen bei der Einlaufstelle maßgebend ist, ist es bei gemeinsamer Einlaufstelle mehrerer Gerichte gleichgültig, ob in der Anschrift an sich ein unzuständiges Gericht genannt ist (Fasching II 672; SZ 23/394; EvBl 1959/60). Dies muß umso mehr dann gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, in der gemeinsamen Einlaufstelle aufgrund der Adressenangabe und des Eingangssatzes der Berufung leicht erkennbar war, an welches Gericht sich die Berufung tatsächlich richtete, und demnach eine richtige Zuteilung sogleich möglich gewesen wäre (vgl. SZ 23/394).

Demgemäß ist dem Rekurs Folge zu geben.

Eine Kostenentscheidung entfällt, weil für den Rekurs Kosten nicht verzeichnet wurden.

Anmerkung

E22167

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00665.9.1122.000

Dokumentnummer

JJT_19901122_OGH0002_0070OB00665_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten