Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***- W***- UND S***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Augustin Z***, Kaufmann, Wien 14., Mauerbachstraße 111, vertreten durch Dr. Karl Katary, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 7,238.243,40 samt Anhang infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 18. Juni 1990, GZ 15 R 102, 103/90, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. April 1990, GZ 33 Cg 259/88-15, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 34.240,50 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 5.706,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die am 2. November 1988 eingebrachte Klage konnte erst anläßlich des dritten Versuches am 1. Juni 1989 durch Hinterlegung zugestellt werden. Eine Klagebeantwortung wurde nicht erstattet. Am 29. September 1989 beantragte die klagende Partei die Erlassung eines Versäumungsurteiles. Das Versäumungsurteil vom 4. Oktober 1989 wurde vom Beklagten am 20. Oktober 1989 persönlich übernommen. Innerhalb der Rechtsmittelfrist brachte der Beklagte einen Antrag auf Verfahrenshilfe ein. Dieser Antrag wurde ihm vom Erstgericht mit Beschluß vom 6. November 1989, ON 8, zur Verbesserung und Wiedereinbringung binnen acht Tagen zurückgestellt (vollständige Ausfüllung des Formblattes; ferner sei anzugeben, ob und wann die im Punkt V angegebenen Schulden bezahlt worden seien). Dieser Beschluß, dem ein ZPForm 1 angeschlossen war, wurde dem Beklagten am 29. November 1989 zugestellt. Bereits am 27. November 1989 versah das Erstgericht die Urschrift des Versäumungsurteiles mit der Bestätigung, daß es rechtskräftig und vollstreckbar sei. Mit Beschluß vom 7. Dezember 1989, ON 10, stellte das Erstgericht erneut das Vermögensbekenntnis zur Verbesserung und Wiedereinbringung binnen fünf Tagen zurück. Es sei in allen Punkten vollständig auszufüllen, eine Rechtsschutzversicherungspolizze sei vorzulegen, es sei aufzuschlüsseln, wann die Schulden zu bezahlen seien. Dieser Beschluß konnte dem Beklagten, ohne daß das Erstgericht auch nur in Erwägung zog, ob die Voraussetzungen nach § 8 ZustG gegeben seien, erst im dritten Versuch am 5. April 1990 zugestellt werden. Mit Beschluß vom 30. April 1990, ON 15, wies das Erstgericht den Antrag des Beklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zurück. Der Beklagte sei der ihm aufgetragenen Verbesserung nicht nachgekommen. Am 3. Mai 1990 beantragte der nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene Beklagte unter anderem die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung. Das Versäumungsurteil sei noch nicht rechtskräftig. Gleichzeitig erhob er gegen das Versäumungsurteil Widerspruch.
Das Erstgericht hob die Vollstreckbarkeitsbestätigung auf. Es könne zwar nicht mehr festgestellt werden, ob der Beklagte in seinem ersten Antrag (ON 7) auch die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt hätte. Säumnisfolgen träten aber nur ein, wenn die Behörde die Verspätung beweisen könne, was hier nicht der Fall sei. Durch den Antrag ON 7 sei daher die Rechtsmittelfrist unterbrochen worden. Die Berufungsfrist habe daher noch nicht zu laufen begonnen, das Versäumungsurteil sei nicht vollstreckbar.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem dagegen von der klagenden Partei erhobenen Rekurs Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag des Beklagten auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung abwies. Gleichzeitig gab es dem vom Beklagten erhobenen Rekurs gegen die Zurückweisung seines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht Folge. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Schon der bisherige Gang des Verfahrens mache es naheliegend, daß es vom Beklagten rechtsmißbräuchlich verzögert worden sei. Dies führe zur Abweisung seines Antrages.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig und berechtigt. Nach § 464 Abs 3 ZPO beginnt für den Fall, als eine die Verfahrenshilfe beantragende Partei innerhalb der Berufungsfrist die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantragt, die Berufungsfrist entweder mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes samt einer schriftlichen Urteilsausfertigung an diesen oder bei Abweisung des Beschlusses auf Gewährung von Verfahrenshilfe mit dem Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses. Gleiches gilt gemäß § 73 Abs 2 ZPO für den Fall, als die beklagte Partei den Widerspruch gegen ein Versäumungsurteil einzubringen beabsichtigt. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung SZ 61/175 (ihr folgend 3 Ob 551/89) klargestellt, daß der fruchtlose Ablauf einer nach § 66 Abs 2 ZPO gesetzten Frist keinesfalls die Wirkung haben kann, daß der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auf den Lauf der Rechtsmittelfrist ohne Einfluß bleibe und die Rechtsmittelfrist auch ohne Erledigung des Antrages infolge Nichtbehebung der Mängel ablaufen kann, hat doch das Gericht dessenungeachtet die Pflicht, bei der zu treffenden Entscheidung über den Verfahrenshilfeantrag das Verhalten der Parteien entsprechend dem § 381 ZPO frei zu würdigen, was auch dazu führen könne, dennoch dem Antrag stattzugeben. Welche Folgen in Verschleppungsabsicht gesetzte Verfahrensschritte nach sich ziehen, ist in den §§ 179, 181, 275 und 278 ZPO geregelt. Ob gegen Treu und Glauben verstoßenden Prozeßhandlungen rechtliche Wirkungen schlechthin abzusprechen sei (so Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht14 390; Baumgärtel in ZZP 69, 124 ff), kann dahingestellt bleiben. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob eine Vollstreckbarkeitsbestätigung nach § 7 Abs 3 EO aufzuheben sei, ist der Zeitpunkt der Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung (EvBl. 1970/181; ZBl. 1935/412; 1 Ob 667/86; Heller-Berger-Stix 210). Die Antragstellung um Gewährung der Verfahrenshilfe (und Beigebung eines Rechtsanwaltes) erfolgte, selbst wenn man die vom Rekursgericht berücksichtigten neuen Tatsachen, die sich nach der Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung ereignet haben, heranzöge, jedenfalls nicht sittenwidrig und gegen Treu und Glauben, wäre doch auch jetzt noch die Höhe der Forderung der klagenden Partei strittig geblieben. Selbst unter Berücksichtigung des nach Erteilung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gesetzten Verhaltens des Beklagten könnte aber der Rechtsansicht des Rekursgerichtes nicht gefolgt werden. Das Verfahren über die Erteilung der Verfahrenshilfe ist ein Zwischenverfahren, das den Gang des Hauptverfahrens nicht verzögern darf (Fasching, Lehrbuch2 Rz 497). Weitere Verzögerungen des Verfahrens infolge Untätigkeit oder zeitweiliger Ortsabwesenheit des Beklagten zu verhindern, wäre daher Sache des Erstgerichtes gewesen. Sollte der Beklagte der ihm aufgetragenen ersten Verbesserung nicht oder nicht zur Gänze nachgekommen sein, wäre das Erstgericht verpflichtet gewesen, auf der Grundlage des wenn auch unvollständig gebliebenen Vermögensbekenntnisses unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 381 ZPO zu entscheiden. Vom Gericht zu vertretende Verzögerungen in der Beschlußfassung über den vom Beklagten gestellten Antrag können ihm jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen. Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben. Der angefochtene Beschluß ist dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über die Kosten dieses Zwischenstreites (Rspr. 1934/179; SZ 17/29) gründet sich auf §§ 41, 50, 52 ZPO).
Anmerkung
E22325European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00680.9.1128.000Dokumentnummer
JJT_19901128_OGH0002_0010OB00680_9000000_000