Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Kfm. Dr. Engelbert T***, Kaufmann, 8961 Stein an der Enns 74, vertreten durch Dr. Manfred Buchmüller, Rechtsanwalt in Altenmarkt im Pongau, wider die beklagte Partei Liselotte G***, im Haushalt tätig, Rainergasse 22, 8750 Judenburg, vertreten durch Dr. Anton Heinrich, Rechtsanwalt in Judenburg, wegen Gewährung der Zufahrt und Entfernung von Windbrüchen (Streitwert S 80.000,-), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als nach § 23 JN zur Entscheidung berufenen Gerichtshofes vom 2. Oktober 1990, GZ Nc 39/90-1, womit die Ablehnung des Richters des Kreisgerichtes Leoben Dr. Andreas H*** in dem Rechtsstreit dieses Gerichtes AZ 4 Cg 287/89 neuerlich zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
In der Folge einer von den Rechtsvorgängern der Streitteile vorgenommenen Realteilung kam es zu Streitigkeiten und auch zur Prozeßführung des Klägers gegen die Beklagte, die verpflichtet werden soll, erneut aufgetretene Hindernisse durch Windwurf auf einem Zufahrtsweg zu beseitigen und dem Kläger die ungehinderte Zufahrt auf diesem Weg zu gewähren.
Nach der erfolgreichen Ablehnung anderer Richter des angerufenen Gerichtshofes erster Instanz war der Richter des Kreisgerichtes Leoben Dr. Andreas H*** zur Verhandlung und Entscheidung in diesem Rechtsstreit berufen.
Am 12. Oktober 1989 lehnte der Kläger diesen Richter wegen Befangenheit ab. Er habe in einer Entscheidung in einem anderen Prozeß ein Begehren des Klägers abgewiesen und dort eine nach dem Strafgesetz zu ahndende Verletzung der Amtspflichten begangen. Der Kläger habe darauf gestützt die Wiederaufnahmsklage erhoben. Gegen den abgelehnten Richter werde nach § 539 Abs 1 ZPO ein Strafverfahren einzuleiten sein.
Dieser Ablehnungsantrag war Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14. März 1990 zu 3 Ob 518/90. Der Oberste Gerichtshof bestätigte damit den Beschluß des zur Entscheidung über diese Ablehnung berufenen Oberlandesgerichtes, das den Ablehnungsantrag zurückgewiesen hatte.
Der Kläger lehnte am 18. September 1990 erneut den Prozeßrichter ab. Wohl sei die Strafanzeige gegen den Richter von der Staatsanwaltschaft nach § 90 StPO zurückgelegt worden. Der Kläger habe aber einen Subsidiarantrag gestellt. Es sei unzumutbar, daß dieser ihm im Strafverfahren gegenüber stehende Richter in seiner Sache entscheide.
Nach der Äußerung des abgelehnten Richters, er fühle sich nicht befangen, wies das Oberlandesgericht die Ablehnung zurück. Der Sachverhalt habe sich nicht wesentlich geändert, weil der nach Zurücklegung der Anzeige durch den öffentlichen Ankläger gestellte Antrag des Privatbeteiligten auf Einleitung der Voruntersuchung erst von der Ratskammer zu behandeln sein werde. Auch der Kläger habe nach Stellung des Ablehnungsantrages erklärt, er meine nicht, daß der Richter gegen ihn persönlich eine Abneigung zeige. Die Ablehnung sei nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rekurs des Klägers kommt Berechtigung nicht zu. Dem Kläger geht es wie schon bei der vorangegangenen Ablehnung desselben Richters darum, eine unrichtige Beweiswürdigung durch den Richter in einem anderen Rechtsstreit mit den Mitteln der auf § 530 Abs 1 Z 4 ZPO gestützten Wiederaufnahme anzufechten. Schon in der Vorentscheidung wurde vom Obersten Gerichtshof dargelegt, daß dies dann, wenn der betroffene Richter selbst daraus keine Folgen im Sinne einer seine Unbefangenheit in Zweifel ziehenden Abneigung gegen den Kläger ableitet, sondern überzeugend angibt, weiter rein sachlich vorzugehen, keinen Ablehnungsgrund abgibt. Es muß vermieden werden, daß eine Prozeßpartei ohne zureichenden sachlichen Grund den ihr nicht genehmen Richter dadurch ausschaltet, daß gegen ihn - nicht belegte - Vorwürfe einer strafbaren Handlung erhoben werden. Da der Staatsanwalt nach Prüfung des Sachverhaltes keine genügenden Gründe fand, ein Strafverfahren einzuleiten, und die Anzeige zurückgelegt hat, ist zunächst, auch wenn die Entscheidung über einen vom Kläger daraufhin gestellten Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung gegen den abgelehnten (und andere) Richter noch ausstehen sollte, noch weniger Anlaß zur Annahme gegeben, der abgelehnte Richter werde sich aus Sorge um die durch das Vorgehen des Klägers ihm drohende Strafverfolgung unsachlich und parteiisch verhalten. Gewiß könnte eine so massive Durchsetzung seines Rechtsstandpunktes durch den Kläger - der damit seine Rechtsverfolgung selbst erheblich erschwert und verzögert - zu einem solchen Unwillen des befaßten Richters führen, daß objektiv seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen wäre; doch ist dies nicht zwingend, wenn alle besonderen Umstände bedacht werden und von dem pflichtbewußten Richter Verständnis für die vom Kläger aus seinem Rechtsbewußtsein heraus gesetzten Schritte entgegengebracht wird. Daß die anderen Richter des Kreisgerichtes Leoben wegen Befangenheit ausgeschlossen sind, ist kein neuer Umstand. Wegen der dadurch eingetretenen Beschlußunfähigkeit dieses Gerichtshofes war schon damals das übergeordnete Oberlandesgericht zur Entscheidung berufen (§ 23 JN). Für die Frage der Befangenheit des abgelehnten Richters beachtliche neue Umstände vermochte der Ablehnungswerber also nicht aufzuzeigen. Die Tatsache, daß inzwischen der Staatsanwalt keinen Grund zu einer Strafverfolgung des abgelehnten Richters fand, der Kläger aber darauf einen Antrag auf Einleitung der Voruntersuchung stellte, reicht - bei Berücksichtigung der schon in der Entscheidung 3 Ob 518/90 ausführlich wiedergegebenen Sachlage zu dem vom Kläger gehegten Verdacht - nicht aus, nun eine Befangenheit anzunehmen.
Anmerkung
E22363European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00600.9.1128.000Dokumentnummer
JJT_19901128_OGH0002_0030OB00600_9000000_000