TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/13 2003/01/0197

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Veröffentlicht am 13.12.2005
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde 1. des RA, 2. der HA, 3. des UA und 4. der EA, alle in B, alle vertreten durch Dr. Manfred Korn, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Stelzhamerstraße 5A, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. Februar 2003, Zl. Gem(Stb)-413807/6-2003- Gru, betreffend Verleihung und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Erstbeschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der Türkei, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie die damit verbundenen Anträge auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder (die zweitbis viertbeschwerdeführenden Parteien) "gemäß §§ 10 und 11 in Verbindung mit §§ 16, 17 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985" (StbG) ab.

Die belangte Behörde begründete dies damit, dass der Erstbeschwerdeführer "in strafrechtlicher Hinsicht in zahlreichen Fällen in Erscheinung getreten" sei. Hiezu verwies die belangte Behörde auf eine Strafverfügung des Bezirksgerichtes M vom 16. November 1992 (Verurteilung zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen Betruges) und auf die Verhängung von Verwaltungsstrafen durch die Bezirkshauptmannschaften R, P und L in den Jahren 1991 und 1992 sowie durch die Bezirkshauptmannschaft V in den Jahren 1993 bis 1995. Feststellungen über die jeweiligen Tathandlungen traf die belangte Behörde nicht.

Der Erstbeschwerdeführer habe in einer Stellungnahme darauf verwiesen, dass er in Österreich eine fremden- und beschäftigungsrechtlich gesicherte Position innehabe, sein zweites Kind hier geboren sei und sämtliche Verurteilungen getilgt seien. Dessen ungeachtet komme die belangte Behörde im Rahmen der Ausübung des ihr im Gesetz eingeräumten Ermessens zu dem "Schluss, dass das öffentliche Interesse an der Abweisung des gegenständlichen Ansuchens das Einzelinteresse des Antragstellers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft eindeutig überwiegt". Die Verurteilung "wegen Betrugs (also wegen eines Vermögensdeliktes)" sei "als besonders gravierend einzustufen", wenngleich diese Verurteilung "zugegebenermaßen schon 10 Jahre her" sei. In Verbindung mit den nachfolgenden Verwaltungsstrafen ergebe sich "über einen längeren Zeitraum ein Verhalten des Staatsbürgerschaftswerbers, das auf eine ausgeprägte Missachtung gewisser wesentlicher Vorschriften der österreichischen Rechtsordnung und auch ein diesbezügliches negatives Charakterbild schließen lässt".

Dass der Erstbeschwerdeführer bereits seit über 10 Jahren im Bundesgebiet lebe und hier seinen Lebensunterhalt verdiene und eines der Kinder in Österreich geboren sei, könne "an der Rechtsansicht der belangten Behörde nichts ändern. Insbesondere ist der Argumentation entschieden entgegenzutreten, dass die Geburt eines Kindes eines Fremden in Österreich ein besonderes Indiz für die gelungene Integration in Österreich darstellt. Die Geburt von Kindern stellt eine biologische Tatsache dar und folgt zwingend daraus, dass der Antragsteller und seine Ehegattin bereits seit über 10 Jahren in Österreich leben. Auch die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und der Erwerb des Lebensunterhaltes sind, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur immer wieder ausführt, Selbstverständlichkeiten und haben im Hinblick auf eine behauptete gelungene Integration in Österreich praktisch keine Bedeutung".

Zum Hinweis auf die "behauptete" Tilgung der Vorstrafen sei "auszuführen, dass die Frage der Unbescholtenheit im Verfahren zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft praktisch keinen Raum hat". Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Erstbeschwerdeführer komme "im Hinblick auf das allgemeine Wohl und die öffentlichen Interessen ... nicht in Frage", weshalb "sowohl der Hauptantrag als auch die dessen rechtliches Schicksal teilenden Erstreckungsanträge abzuweisen" gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat in Bezug auf den Erstbeschwerdeführer die gesetzlichen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG - unter Einschluss der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG, wonach der Verleihungswerber Gewähr dafür bieten müsse, weder die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen zu gefährden - erkennbar als erfüllt angesehen, ihr Ermessen aber zum Nachteil des Erstbeschwerdeführers ausgeübt.

Gemäß § 11 StbG hat sich die Behörde unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.

Die belangte Behörde hat die für den Erstbeschwerdeführer und eine Verleihung der Staatsbürgerschaft sprechenden Gesichtspunkte -

insbesondere der Integration - für nicht ausschlaggebend erklärt und das öffentliche Interesse an einer Antragsabweisung daraus abgeleitet, dass er mehr als zehn Jahre zuvor - wegen eines von der belangten Behörde nicht näher festgestellten betrügerischen Verhaltens - eine bezirksgerichtliche Strafverfügung im untersten Bereich des strafrechtlichen Sanktionensystems (bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen) und in einem bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ebenfalls schon mehr als sieben Jahre zurückliegenden Zeitraum zahlreiche Verwaltungsstrafen erlitten habe.

Auf die Bemerkungen über "biologische Tatsachen" und dergleichen, mit denen dies in der Begründung des angefochtenen Bescheides verbunden wurde, braucht nicht im Einzelnen eingegangen zu werden, weil evident ist, dass die belangte Behörde der Länge des seit den Bestrafungen verstrichenen Zeitraumes bei der Interessenabwägung nicht das gebührende Gewicht beigemessen hat. Nach mehr als zehn bzw. mehr als sieben Jahren können Verurteilungen der hier festgestellten Art - bei seitherigem Wohlverhalten - nicht mehr ausschlaggebend sein, weshalb es auch nicht mehr darauf ankommt, dass die belangte Behörde entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine Feststellungen über die Tathandlungen getroffen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 13. Dezember 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2003010197.X00

Im RIS seit

12.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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