Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert F***, Hotelier, Hochsölden 343, vertreten durch Dr. Wilhelm Steidl ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gudrun F***, Gastwirtin, Hochsölden 184, vertreten durch Dr. Helmut Rantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufkündigung eines Pachtverhältnisses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 31. Mai 1990, GZ 1 a R 266/90-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Silz vom 14. März 1990, GZ 3 C 2168/89h-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen vierzehn Tagen die mit 5.094,-- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 849,-- S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im vorliegenden Rechtsstreit sind die Recht der Beklagten an der R-Hütte strittig, wobei im Revisionsverfahren folgender Sachverhalt feststeht:
Im Jahr 1936 errichteten Hans F., der Schwiegervater der Beklagten, und Eugen G. auf einem in ihrem Hälfteeigentum stehenden Grundstück die R-Hütte, in welcher in der Folge mit Eugen G. als Konzessionsträger ein gastgewerblicher Betrieb (Schutzhütte) geführt wurde.
Nach dem Tod des Eugen G. im Jahr 1952 wurde die Hütte zunächst als Witwenbetrieb fortgeführt, bis der Sohn Herbert G. im Jahr 1975 die Konzession erwarb. Tatsächlich bewirtschaftete aber bis zum Jahr 1971 der Schwiegervater der Beklagten die Hütte allein, und zwar im Sommer persönlich, im Winter durch einen dazu Berechtigten. Von 1971 bis 1979 betreute die Hütte während der Sommermonate der Schwiegervater der Beklagten, während der Wintermonate Herbert G. Der Schwiegervater der Beklagten wurde bei dieser Bewirtschaftung von seinem Sohn Erwin F., dem Ehemann der Beklagten, tatkräftig unterstützt. Nach dem Tod des Erwin F. nahm Hans F. bei der Bewirtschaftung die Mithilfe der Beklagten in Anspruch, ohne ihr eine Entlohnung zu leisten.
Durch die Errichtung einer Liftanlage im Sommer 1979 war für die Wintersaison mit einem großen Besucherzuwachs zu rechnen. Den beiden Miteigentümern Hans F. und Herbert G. als Rechtsnachfolgern des Eugen G. war klar, daß aus diesem Grund größere Investitionen nötig wären. Hans F. wollte sich aber, weil er sich zu alt fühlte (er ist 1905 geboren), von der Bewirtschaftung der Hütte zurückziehen. Er kam daher mit der Beklagten überein, daß sie den Betrieb fortführe, ohne daß hierüber nähere Absprachen getroffen worden wären. Es war weder von einer Betriebspflicht, noch von einem Entgelt, noch von einer Zeitdauer der Regelung die Rede. Die Beklagte ging davon aus, daß sie die Hütte bewirtschaften könne, bis einmal ihre Kinder die Hütte (gemeint: den Hälfteanteil des Hans F.) bekämen. Hans F. teilte auch dem Herbert G. mit, daß in Hinkunft die Beklagte den Betrieb weiterführen werde und er daher alle weiteren Baumaßnahmen mit ihr besprechen müsse.
Die Beklagte und Herbert G. schlossen sich daraufhin zu einer "Arbeitsgemeinschaft R-Hütte" zusammen, wobei der vornehmlichste Zweck der Ausbau zu einem leistungsfähigen Betrieb war und auch der Zweck bestand Gewinne zu erzielen. In der Folge führten die Beklagte und Herbert G. den Betrieb gemeinsam, Hans F. war an den Erträgnissen, soweit diese nicht ohnedies zu erheblichen Investitionen verwendet wurden, nicht mehr beteiligt. Die Beklagte fragte ihren Schwiegervater des öfteren, ob sie ihm etwas geben müsse, was er stets verneinte. Erstmals im Jahr 1983 äußerte er den Wunsch, die Beklagte möge vom erwirtschafteten Ertrag für jedes ihrer fünf Kinder einen Betrag von 10.000 S jährlich in Form einer Aussteuerversicherung anlegen. Im Jahr 1987 forderte er "für das Wirtschaften" 100.000 S mit der Begründung, er wolle dem Kläger, einem anderen Sohn, etwas helfen, welchem Ersuchen die Beklagte nachkam. Auch im Jahr 1988 bezahlte ihm die Beklagte den gleichen Betrag, tat dies ohne jedoch von ihm aufgefordert worden zu sein. Ein bestimmtes jährliches Entgelt wurde nie vereinbart. Als die Beklagte auch im Jahr 1989 wieder 100.000 S an ihren Schwiegervater überwies, nahm dieser sofort eine Rücküberweisung vor, worauf die Beklagte den Betrag gerichtlich erlegte. Mit Übergabsvertrag vom 31.5.1988 schenkte Hans F. seinen Hälfteanteil dem Kläger. Die Einverleibung im Grundbuch erfolgte am 5.9.1988.
In einem Vorprozeß begehrte der Kläger von der Beklagten die Unterlassung jeden Eingriffs in die (Mit-)Eigentumsrechte des Klägers an der R-Hütte und machte geltend, der Beklagten stünden lediglich prekaristische Rechte zu, welche ihr ihr Schwiegervater eingeräumt habe, die aber jetzt vom Kläger widerrufen worden seien, sodaß die Beklagte die Liegenschaft titellos benütze. Dieses Klagebegehren wurde abgewiesen, weil infolge der von der Beklagten geleisteten Zahlungen von je 100.000 S in den Jahren 1987 und 1988 vom Zustandekommen eines Pachtvertrages ausgegangen wurde, weshalb die Beklagte gemäß § 1120 ABGB dem neuen Besitzer nach gehöriger Aufkündigung weichen müsse. Das Urteil des dortigen Erstgerichtes wurde vom Kläger nicht angefochten und erwuchs daher in Rechtskraft. Am 28.11.1989 langte beim jetzigen Erstgericht eine gerichtliche Aufkündigung des Klägers zum 30.6.1990 ein, gegen die die Beklagte rechtzeitig Einwendungen erhob.
Der Kläger stützte sich vor allem auf die Ergebnisse des Vorprozesses. Den Gegenstand der Kündigung bezeichnete er als "das Recht der Bewirtschaftung der R-Hütte bzw den Pachtvertrag betreffend die Überlassung des Unternehmens R-Hütte" und beantragte, der Beklagten aufzutragen, "die Unternehmensrechte" des Klägers "an der Bewirtschaftung der R-Hütte zurückzustellen und die R-Hütte ... von ihren Fahrnissen geräumt zu übergeben".
Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.
Beide Vorinstanzen verneinten auf Grund der eingangs wiedergegebenen Feststellungen das Zustandekommen eines Bestandvertrages. Mangels Vorliegens eines solchen müsse der gerichtliche Räumungsauftrag aufgehoben werden. Den erwiesenen Zahlungen liege keine Vereinbarung eines Entgelts zugrunde, vor allem stehe nicht fest, für welchen Zeitraum dieses Entgelt eventuell geleistet worden sei. Eine Bindung an die im Vorprozeß entschiedenen Vorfragen wurde vom Berufungsgericht verneint. Das Berufungsgericht verwies weiters darauf, daß die gerichtliche Aufkündigung auch bei Annahme eines Pachtverhältnisses nicht berechtigt sei. Gegenstand des Bestandvertrages müsse dann ein Unternehmen sein, zu dem eine unbewegliche Sache gehöre. Der Kläger sei aber nur Hälfteeigentümer der Liegenschaft und er habe der Beklagten auch kein Unternehmen überlassen. Nur einen solchen Bestandvertrag habe aber der Kläger aufgekündigt. Zu begehren, daß die Beklagte die gesamte R-Hütte zu räumen habe, sei der Kläger nicht legitimiert.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zwar entgegen der Meinung der Beklagten zulässig, aber nicht berechtigt.
Die klagende Partei hat die Problematik der Rechtsstellung der Beklagten schon bei der Formulierung der Kündigung zum Ausdruck gebracht. Es ist ein Unterschied, ob der Beklagten eine Liegenschaft oder ein Unternehmen in Bestand gegeben wurde oder ob ihr nur das "Recht der Bewirtschaftung" einer Liegenschaft, richtiger, das Recht der Mitbewirtschaftung, überlassen wurde oder "Unternehmensrechte", richtiger wieder nur Beteiligungsrechte an einem von mehreren Personen gemeinsam betriebenen Unternehmen, eingeräumt wurden. Anhaltspunkte dafür, daß die beiden Miteigentümer Hans F. und Herbert G. im Jahr 1979 ihre Liegenschaft und ihr Unternehmen entweder der Beklagten als Alleinbestandnehmerin überlassen hätten oder aber als Miteigentümergemeinschaft mit einem der beiden Miteigentümer (Herbert G.) und der Beklagten als Mitbestandnehmern einen Bestandvertrag abgeschlossen hätten, liegen nicht vor. Es ist auch nicht der Fall gegeben, daß einem der beiden Miteigentümer (Hans F.) der Alleingebrauch an der Liegenschaft zustand und er damit auch in Vertretung des anderen Miteigentümers ohne dessen Mitwirkung, aber ihn bindend, einen Bestandvertrag abschließen konnte. Selbst wenn einer dieser Fälle vorläge, wäre aber der Kläger als bloßer Hälfteeigentümer nicht legitimiert, allein zu kündigen. An bloß ideellen Anteilen einer Liegenschaft kann hingegen kein Bestandverhältnis begründet werden (MietSlg 7.640, 7.641, 26.049; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 13 zu §§ 1092-1094). Eben dies gilt auch für den bloß ideellen Miteigentumsanteil an einem Unternehmen (weshalb die Formulierung von Fasching in ZPO-Kommentar IV 633, es könne zwar ein Teil einer unbeweglichen Sache, nicht aber der Teil, gemeint der ideelle Teil, eines Unternehmens in Bestand gegeben werden, durchaus verständlich ist). Der Miteigentümer einer Liegenschaft oder eines Unternehmens kann zwar über seinen Anteil und dessen Ertrag frei verfügen, aber er kann den Anteil nicht mit einem solchen Recht belasten, dessen Ausübung eine "reale Sache" erfordert, wie dies bei der Einräumung von Bestandrechten oder solchen Dienstbarkeiten, die nach ihrer Beschaffenheit ein reales körperliches Substrat voraussetzen, der Fall wäre (Klang in Klang2 III, 1095; Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 1 zu § 829 mwN). Die in der Revision zitierte Entscheidung EvBl 1979/93 sagt zum vorliegenden Problem nichts anderes.
Eine gerichtliche Aufkündigung setzt aber das Bestehen eines Bestandverhältnisses im Sinne des § 560 Abs 1 ZPO voraus (MietSlg 35.819, 35.820).
Die materielle Rechtskraft des Vorprozesses würde nur bei einer Identität des Anspruchs oder einer zwingenden Präjudizialität des dort geprüften Rechtsverhältnisses wirken (Fasching, ZPR Rz 1513, 1518). Klagsgegenstand des Vorprozesses war aber nur, ob zwischen den Streitteilen eine bloß prekaristische Gebrauchsüberlassung besteht. An die vom Erstgericht des Vorprozesses vertretene Rechtsansicht, wegen der erwiesenen Entgeltsleistung liege ein Pachtvertrag vor, besteht hingegen keine Bindung (ähnlich JBl 1984, 489).
Ob zwischen Hans F. und der Beklagten seinerzeit konkludent ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen wurde, ob sich Hans F. und die Beklagte oder allenfalls nur die Beklagte allein in Form einer Unterbeteiligung (siehe dazu Wahle in Klang2 V 600) mit Herbert G. zu einer weiteren Gesellschaft zusammengeschlossen haben, und wie diese Rechtsbeziehungen durch den Übergang des Hälfteeigentums an der Liegenschaft von Hans F. auf den Kläger allenfalls umgestaltet wurden, ist in diesem Rechtsstreit nicht zu erörtern. Solange die gesellschaftsrechtliche Verfangenheit der Liegenschaftshälfte des Klägers nicht beendet wurde (Kündigung der Gesellschaft, Durchführung der Auseinandersetzung), ist die Beklagte weder titellose Mitbenützerin der R-Hütte im Sinne der Behauptungen des Vorprozesses noch Bestandnehmerin des Klägers im Sinne der im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten gerichtlichen Kündigung. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E22357European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00582.9.1128.000Dokumentnummer
JJT_19901128_OGH0002_0030OB00582_9000000_000