TE OGH 1990/11/29 12Os135/90

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Veröffentlicht am 29.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.November 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Kurt R*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 StGB, AZ 12 c Vr 2835/86 des Landesgerichts für Strafsachen Wien, betreffend den Antrag der Generalprokuratur auf Prüfung der Akten gemäß § 362 Abs. 1 Z 2 StPO im Hinblick auf eine außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens bezüglich eines Teils des vom Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.Juni 1988, GZ 12 c Vr 2835/86-707, erfaßten Gegenstandes in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Bei der gemäß § 362 Abs. 1 Z 2 StPO über besonderen Antrag der Generalprokuratur vorgenommenen Prüfung der Akten AZ 12 c Vr 2835/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde kein Grund gefunden, die außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen den Verurteilten Dr. Kurt R*** zu verfügen.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Juni 1988, GZ 12 c Vr 2835/86-707, wurde der am 27.März 1937 geborene Dr. Kurt R*** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und nach dem zweiten Strafsatz des § 153 StGB (unter Anrechnung der Vorhaft) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Dieses Urteil erwuchs nach Zurückziehung der zunächst angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Dr. R*** (ON 743/XXXVIII) und der angemeldeten Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 1/I S 3 quququ) in Rechtskraft. Auf Grund eines - zufolge Beschwerde der Staatsanwaltschaft inzwischen aufgehobenen - Beschlusses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.Oktober 1989 wurde der Verurteilte gemäß § 265 Abs. 1 StPO aus der Freiheitsstrafe bedingt entlassen und an diesem Tag enthaftet (ON 746, 746 a/XXXVIII). In der Zwischenzeit wurde Dr. Kurt R*** wieder zum Strafantritt aufgefordert, da seine bedingte Entlassung gemäß § 46 Abs. 1 StGB abgelehnt wurde (ON 811/XXXVIII).

Inhaltlich des Schuldspruches hat Dr. Kurt R*** vom Juni 1978 bis zum 31.Dezember 1980 als Mitglied des Vorstandes und sodann bis zum 19.Dezember 1985 als Vorsitzender des Vorstandes der V*** DER Ö*** B***

Versicherungs-Aktiengesellschaft (kurz: V***) die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbraucht, daß er fingierte Schadensakten anlegen ließ und in insgesamt 214 Fällen, nämlich den in der Anklageschrift ON 511/XXVI unter I/1 bis 64, 66 bis 132, 135 bis 138, 141 bis 163, 165 bis 203, 206 bis 209 und in der Ausdehnung der Anklage (ON 684/XXXV) unter I/213 bis 225 bezeichneten Fakten, ohne Rechtsgrund die Auszahlung von insgesamt 151,901.264 S als Entschädigungszahlungen veranlaßte, wodurch dem von ihm geleiteten Unternehmen ein entsprechender Schaden zugefügt wurde. Unter Heranziehung der entsprechenden Anklagefakten beinhaltet dieser Schuldspruch somit auch die Auszahlung von 420.000 S an Günther S*** (I/172), von 1,100.100 S an Otto M***-G*** (I/110, 141, 176, 197), von 3,691.700 S an Herbert H*** (I/14, 38, 70, 91, 103, 124, 125, 154, 160, 169, 179, 185, 192, 200) und von 10,483.000 S an Helmut H*** (I/56, 61, 74, 108, 146, 156 und 213 bis 225).

Hinsichtlich dieser Tathandlungen wurde den angeführten Empfängern der Entschädigungszahlungen von der Anklagebehörde Beitragstäterschaft vorgeworfen (II/7, 9, 16, 17 der Anklageschrift und Ausdehnung in der Hauptverhandlung am 5.Mai 1988, ON 684/XXXV). Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. April 1988, GZ 12 c Vr 2835/86-657, wurde jedoch Otto M***-G*** (nur) des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Die Tatrichter verneinten nämlich entgegen dem Anklagevorwurf den Schädigungsvorsatz und demgemäß die M***-G*** angelastete Beteiligung am Verbrechen der Untreue mit der Begründung, daß er für die ihm zugekommenen Beträge Dienstleistungen als Betreuer des Jagdreviers der V*** erbracht habe, welche einen Anspruch auf Honorierung begründeten und die vom Auftraggeber wertmäßig in Höhe der flüssiggemachten Beträge auch akzeptiert wurden. Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 6. September 1990, GZ 12 Os 51/90-10, wurde die gegen diesen Schuldspruch gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Otto M***-G*** verworfen (und der Strafausspruch in teilweiser Stattgebung der Berufung abgeändert), sodaß dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen ist.

Günther S*** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.Februar 1988 (ON 620/XXIX) wegen Annahme von 420.000 S des Verbrechens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Mit Entscheidung vom 6.September 1990, GZ 12 Os 48/90-13, hob der Oberste Gerichtshof in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther S*** das angefochtene Urteil in dem diesen Angeklagten betreffenden Teil auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht. Zur Begründung wurde angeführt, daß für die Annahme eines im Vermögen der V*** eingetretenen Schadens und eines auf die Herbeiführung dieses tatbildmäßigen Erfolges gerichteten Vorsatzes von entscheidender Bedeutung sei, ob und inwieweit Günther S*** gegenüber der V*** provisionsberechtigt war oder zumindest der begründenden Meinung sein konnte, auf Grund der mit der Versicherung getroffenen Vereinbarungen Provisionen fordern zu können. Der Ausspruch des Gerichtes sei mit Begründungsmängeln behaftet (Z 5) und durch die Weigerung, zur Frage der Provisionsberechtigung Beweise aufzunehmen, sei der Angeklagte auch in seinen Verteidigungsrechten behindert worden (Z 4).

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. März 1988 (ON 650/XXXII) eurde Herbert H*** wegen Annahme von insgesamt 3,691.700 S als Entschädigung ebenfalls wegen des Verbrechens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Seiner Nichtigkeitsbeschwerde gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 6. September 1990, GZ 12 Os 50/90-11, bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge und hob das Urteil unter gleichzeitiger Rückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Gänze auf. In diesem Fall mangelte es der Urteilsannahme, wonach die pflichtwidrige Gewährung über einen offiziell zugesagten Sponsorbetrag hinausgehender Geldzuwendungen für den S*** "U*** B***-V***

B***" bei der V*** denknotwendig einen Vermögensnachteil nach sich gezogen habe, auf dessen Eintritt der Vorsatz des Herbert H*** gerichtet gewesen sei, an einer aktengetreuen, logisch nachvollziehbaren und nach den Gesetzen des modernen Wirtschaftslebens auch überzeugenden Begründung (Z 5 und 5 a). Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Mai 1988 (ON 685/XXXV) wurde Helmut H*** wegen Annahme von 10,483.000 S an Entschädigungszahlungen ebenfalls wegen des Verbrechens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Auch seiner Nichtigkeitsbeschwerde gab der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom 6. September 1990, GZ 12 Os 52/90-9, bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung Folge und verwies die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. In diesem Fall mangelte es an begründeten Feststellungen darüber, ob und inwieweit Helmut H*** als Versicherungsmakler bzw. -berater gegenüber der V*** provisionsberechtigt war oder sich irrtümlich für provisionsberechtigt gehalten hat. Insoweit erachtete der Oberste Gerichtshof wegen Begründungs- und Feststellungsmängel (Z 5 und 9 lit. a), sowie teilweise auch wegen erheblicher Bedenken gegen die Richtigkeit der ersyrichterlichen Tatsachenfeststellungen (Z 5 a) eine Neudurchführung der Hauptverhandlung für unvermeidlich. In all diesen den Beteiligungstätern angelasteten Fällen wurde aber Dr. Kurt R*** mit dem eingangs zitierten Urteil wegen des Verbrechens der Untreue verurteilt. Nach den summarischen, die einzelnen Anklagefakten nur gruppenweise beschreibenden Urteilskonstatierungen betätigte sich Dr. Kurt R*** in den hier in Rede stehenden Straffällen als "Mäzen". Er finanzierte auf diese Weise alles, was ihm persönlich förderungswürdig erschien bzw. seinem wirtschaftlichen Verständnis einer großzügigen Geschäftsführung entsprach. So wurden auf diese Weise unter anderem Sport- und gemeinnützige Vereine unterstützt (so Herbert H***), in Not gekommene Angestellte der Versicherung mit Geldern versehen (so auch Günther S***), ungerechtfertigte Forderungen als Provisionsabgeltungen befriedigt (so ebenfalls Günther S*** und Helmut H***) und Pensionen von früheren Angestellten der Versicherung (so Otto M***-G***) "aufgefettet". In keinem dieser Fälle bestand nach Meinung des Schöffengerichts für die Empfänger irgendein Anspruch auf die von Dr. R*** veranlaßten Zuwendungen. Die V*** erlitt daher durch die gewählte Vorgangsweise einen Vermögensschaden in dem genannten Ausmaß, wobei Dr. R*** weder berechtigt noch befugt war, Gelder im Wege fingierter Schadensereignisse zu Lasten des Unternehmens freizusetzen. Er war sich auch darüber im klaren, daß das von ihm geleitete Unternehmen durch diese Zuwendungen entsprechende Schäden erlitt, entschloß sich aber dennoch zu einem solchen Vorgehen. Gegen die Richtigkeit dieser pauschalen und ohne Eingehen auf die Besonderheiten der für die einzelnen Anklagefakten charakteristischen Fallkonstellationen getroffenen Tatsachenfeststellungen bestehen - wie die Generalprokuratur in ihrem Antrag "gemäß § 362 Abs. 1 Z 2 StPO" an sich zutreffend ausführt - auf Grund der in den Akten befindlichen Ergebnisse der gegen Günther S***, Otto M***-G***, Herbert H*** und Helmut H*** gesondert durchgeführten Strafverfahren erhebliche Bedenken: Folgte das Gericht doch den Angaben des Otto M***-G***, daß er ebenso wie Dr. Kurt R*** von der Vorstellung ausgegangen sei, er erbringe durch die Weiterführung seiner früheren Tätigkeit als Jagdleiter für die erhaltenen Geldbeträge angemessene, einen Honoraranspruch in dieser Höhe begründende Leistungen. Unter Zugrundelegung solcher Feststellungen auch im Verfahren gegen Dr. Kurt R***, könnte dieser (allenfalls) ebenso nur wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB (als Beteiligter gemäß § 12 StGB) verurteilt werden bzw. mangelt dem Urteil eine Begründung dafür, weshalb Dr. Kurt R*** dennoch mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Ähnlich verhält es sich, wenn man die Gründe, die zur Aufhebung der Urteile gegen Günther S***, Herbert H*** und Helmut H*** geführt haben, mit den Urteilskonstatierungen im Verfahren gegen Dr. Kurt R*** in Beziehung setzt.

Nach antragsgemäß vorgenommener Prüfung der Aktenlage reichen aber die von der Generalprokuratur vorgetragenen Argumente nicht aus, um im derzeitigen Verfahrensstadium die außerordentliche Wiederaufnahme bezüglich eines Teiles des Urteils gegen Dr. Kurt R*** zu verfügen.

Ausgangspunkt der Überlegungen muß nämlich der Umstand sein, daß es sich bei der außerordentlichen Wiederaufnahme gemäß § 362 StPO um einen subsidiären Rechtsbehelf handelt, der eine Art Sicherheitsventil für solche Fälle darstellen soll, in denen erhebliche Zweifel an der Schuld eines Verurteilten auftreten, ohne daß die Vorausssetzungen der Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten des Angeklagten nach §§ 353 ff StPO vorliegen (Lohsing-Serini4, S 625, SSt. 32/80, Foregger-Serini4 Anm. I zu § 362 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof - im Hinblick auf die von der Generalprokuratur angeregte aber aus prozessualen Gründen nicht möglich gewesene Vorgangsweise nach § 290 Abs. 1 StPO - schon in seinen aufhebenden Urteilen 12 Os 50/90 und 12 Os 52/90 ausgesprochen, daß die Rückwirkungen der zur Aufhebung dieser Urteile führenden Mängel auf das Strafurteil gegen Dr. Kurt R*** erst nach Vorliegen der Ergebnisse des zweiten Rechtsganges geprüft werden sollten. Erst dann werden der Verurteilte Dr. R*** - der sich im übrigen in einer an den Obersten Gerichtshof gerichteten Eingabe gegen die teilweise außerordentliche Wiederaufnahme seines Strafverfahrens ausdrücklich ausspricht - und die Staatsanwaltschaft abschätzen können, ob ein Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens gemäß § 353 Z 2 und 3 StPO sinnvollerweise gestellt werden kann und soll.

Wenngleich in der (ausgeschiedenen) Strafsache gegen Otto M***-G*** kein zweiter Rechtsgang durchgeführt wird, stünde Dr. Kurt R***, der von sich aus auf die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde verzichtet hat, obwohl die Ergebnisse des gegen diesen Beteiligten geführten Strafverfahrens durch Verlesung auch Gegenstand der gegen ihn geführten Hauptverhandlung waren (S 357/XXXVI), eine Antragstellung nach § 353 Z 3 StPO offen, kommt doch das Gericht in dem gegen Otto M***-G*** gefällten Urteil zu dem Ergebnis, daß die V*** objektiv keinen Schaden erlitten hat, weil die diesem Angeklagten ausbezahlten Geldbeträge wertmäßig seinen Dienstleistungen entsprachen (ON 657/XXXIII). Wird aber der objektive Tatbestand nach § 153 StGB beim Tatbeteiligten verneint, kann er beim Täter denknotwendig ebenfalls nicht angenommen werden. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nach antragsgemäß vorgenommener Prüfung der Akten nicht veranlaßt, im derzeitigen Verfahrensstadium von dem ihm gemäß § 362 Abs. 1 StPO eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen (siehe auch hiezu abermals SSt. 32/80) und die außerordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen Dr. Kurt R*** wegen eines (verhältnismäßig geringen) Teiles des gegen ihn ergangenen Schuldspruches zu verfügen.

Es war daher spruchgemäß zu erkennen.

Anmerkung

E22267

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0120OS00135.9.1129.000

Dokumentnummer

JJT_19901129_OGH0002_0120OS00135_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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