TE OGH 1990/12/4 10ObS382/90

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Veröffentlicht am 04.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Robert Renner (Arbeitgeber) und Ferdinand Rodinger (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Bärbel W***, Luisenhöhe 22, 4963 St. Peter am Hart, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. August 1990, GZ 12 Rs 75/90-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. März 1990, GZ 5 Cgs 229/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei ab 1. 11. 1988 eine Witwenpension nach Engelbert W*** in der gesetzlichen Höhe zu leisten, wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 16. 4. 1963 bis 29. 11. 1982 mit dem am 16. 10. 1988 verstorbenen Engelbert W*** verheiratet. Die Ehe wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 3. 11. 1982 aus dem alleinigen Verschulden Engelbert W*** geschieden. Dieses Urteil ist am 29. 11. 1982 in Rechtskraft erwachsen. Im Zug des Scheidungsverfahrens wurde Engelbert W*** mit Beschluß vom 20. 8. 1982 aufgetragen, seiner Gattin bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens einen einstweiligen Unterhalt von monatlich 2.000 S zu zahlen. Sowohl die Klägerin als auch ihr geschiedener Gatte sind aufgrund dieser Entscheidung davon ausgegangen, daß diese Unterhaltsverpflichtung über den Zeitpunkt der Scheidung hinaus Gültigkeit habe. Dementsprechend hat Engelbert W*** auch nach rechtskräftiger Scheidung seiner Gattin weiterhin monatlich 2.000 S an Unterhalt geleistet. Das Scheidungsurteil selbst enthält keine Unterhaltsverpflichtung.

Am 2. 11. 1983 beantragte die Klägerin beim Bezirksgericht Braunau am Inn die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, der Ersparnisse und der Schulden im Sinn des § 81 ff EheG. Im Zug dieses Aufteilungsverfahrens schlossen die Streitteile bei der Verhandlung am 30. 11. 1983 zu gerichtlichem Protokoll eine Vereinbarung, mit der im wesentlichen die weitere Benützung des beiden Ehegatten zu gleichen Teilen gehörigen Wohnhauses geregelt wurde. Danach räumte Engelbert W*** der Klägerin bezüglich seiner Liegenschaftshälfte ein lebenslängliches Fruchtgenußrecht ein und verpflichtet sich weiters, alle auf beiden Liegenschaftshälften sichergestellten Darlehen des Landes Oberösterreich und einer Bausparkasse in seine alleinige Rückzahlungsverpflichtung zu übernehmen. Die halbjährliche Darlehensrate, die an das Land Oberösterreich zu zahlen war, betrug

4.500 S, die monatliche Tilgungsrate bei der Bausparkasse 3.555 S. Die Parteien des Aufteilungsverfahrens vereinbarten dabei, daß die Rückzahlung dieser Kredite, soweit sie den Hälfteanteil der Klägerin betrafen, der gemäß § 66 EheG bestehenden Unterhaltsverpflichtung Engelbert W*** an- bzw. eingerechnet werde. Sollten die monatlichen Rückzahlungsraten den der Klägerin zustehenden Unterhaltsbetrag nach § 66 EheG nicht erreichen, habe Engelbert W*** die Differenz aufzuzahlen. Eine allfällige Überzahlung sei jedoch weder auf laufende rückständige noch zukünftige Unterhaltsverpflichtungen anzurechnen. Bei dieser Vereinbarung sind die Parteien von der im Provisorialverfahren festgelegten Unterhaltshöhe ausgegangen. Engelbert W*** hatte bis zu dieser Vereinbarung monatlich 2.000 S an Unterhalt geleistet. Ab dem 30. 11. 1983 ist er bis zu seinem Tode am 16. 10. 1988 den in der Vereinbarung eingegangenen Verpflichtungen immer nachgekommen. Die Klägerin begehrt von der beklagten Partei die Leistung der Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß. Ihr geschiedener Gatte sei ihr gegenüber zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.000 S verpflichtet worden. In der Vereinbarung im Aufteilungsverfahren sei festgehalten worden, daß die vor der Scheidung vom Kreisgericht Ried i. I. festgesetzte einstweilige Unterhaltsverpflichtung weiterhin Gültigkeit habe und auf allfällig von Engelbert W*** geleistete Rückzahlungsraten anzurechnen sei.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Eine Verpflichtung Engelbert W*** zur Leistung von Unterhalt an die Klägerin für die Zeit nach der Scheidung sei weder durch die einstweilige Verfügung im Scheidungsverfahren, noch durch die im Aufteilungsverfahren abgeschlossene Vereinbarung begründet worden. Die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 ASVG lägen daher nicht vor. Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt und verpflichtete die beklagte Partei zur Leistung einer vorläufigen Zahlung von 1.500 S. Die Unterhaltsverpflichtung Engelbert W*** habe auf einer vor der Ehescheidung eingegangenen Unterhaltsvereinbarung beruht, die im Zusammenhang mit der im Provisorialverfahren getroffenen Unterhaltsverpflichtung zu sehen sei. Engelbert W*** habe auf dieser Grundlage der Klägerin weiterhin Unterhalt in der vereinbarten Höhe von 2.000 S zu leisten gehabt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Engelbert W*** sei aufgrund des im Aufteilungsverfahren abgeschlossenen Vergleiches zur Leistung von Unterhalt an die Klägerin verpflichtet gewesen. Diese Vereinbarung sei als Vergleich im Sinn des § 258 Abs 4 ASVG zu qualifizieren und bilde daher eine taugliche Grundlage für den Witwenpensionsanspruch. Da das Begehren der Klägerin schon deshalb berechtigt sei, erübrige es sich zu prüfen, inwieweit die unrichtige, mit dem ausdrücklichen Wortlaut des Provisorialbeschlusses im Widerspruch stehende, Auffassung der damaligen Ehegatten, die Verpflichtung zur Leistung von einstweiligem Unterhalt gelte auch für die Zeit nach der Scheidung als eine vor der Ehescheidung geschlossene Unterhaltsvereinbarung zu werten sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Witwenpension gebührt gemäß § 258 Abs 4 ASVG nach Maßgabe der dieser Bestimmung vorangehenden Absätze unter anderem auch der Frau, deren Ehe mit dem Versicherten für nichtig erklärt, aufgehoben oder geschieden worden ist, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes einen Unterhaltsbeitrag aufgrund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte, und zwar sofern und solange die Frau nicht eine neue Ehe geschlossen hat. Nach dem Wortlaut des Gesetzes hängt der Anspruch auf Witwenpension davon ab, ob dem hinterbliebenen (geschiedenen) Ehegatten aufgrund eines der drei im Gesetz angeführten rechtsbegründenden Tatsbestände im Zeitpunkt des Todes ein Anspruch auf Unterhalt zustand. Ob eine im Zeitpunkt des Todes des Unterhaltspflichtigen in Kraft stehende einstweilige Verfügung, mit der der Verstorbene zu einer vorläufigen Unterhaltsleistung verpflichtet war, die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle erfüllt, kann unerörtert bleiben, weil die Wirksamkeit der im Zug des Ehescheidungsverfahrens erlassenen einstweiligen Verfügung nach deren Wortlaut mit dem Eintritt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles endete. Dieser Zeitpunkt lag aber bereits mehrere Jahre vor dem Tod Engelbert W***, sodaß die einstweilige Verfügung als Grundlage für den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension selbst dann, wenn man ihre Qualifikation als Unterhaltstitel im Sinn des § 258 Abs 4 ASVG bejahte schon deshalb nicht in Frage kommen kann.

Während das Gesetz für die ersten beiden Fälle des § 258 Abs 4 ASVG Formvorschriften (gerichtliches Urteil, gerichtlicher Vergleich) normiert, fehlt eine solche Anordnung für den dritten Fall. Die vertragliche Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt im Sinne des § 258 Abs 4 dritter Fall ASVG ist ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, für das die Einigung der Vertragsteile über die Leistung wesentlich ist. Da im bürgerlichen Recht besondere Formvorschriften für Unterhaltsvereinbarungen von Ehegatten nicht bestehen, ist gemäß § 883 ABGB auch eine bloß mündlich zustandegekommene Vereinbarung für den wirksamen Vertragsabschluß ausreichend (SSV-NF 4/75 im Druck). Daß zwischen den seinerzeitigen Ehegatten vor Scheidung der Ehe eine Vereinbarung über die Unterhaltsleistung für die Zeit nach der Scheidung geschlossen worden wäre, hat die Klägerin nicht behauptet und auch die Feststellungen bieten keine Grundlage hiefür. Die Klägerin hat lediglich behauptet, daß im Zusammenhang mit der Vereinbarung vom 30. 11. 1983 schlüssig die Leistung von Unterhalt in der mit der einstweiligen Verfügung aufgetragenen Höhe vereinbart worden sei, sie ist damit selbst von einer nach Scheidung der Ehe getroffenen Vereinbarung ausgegangen. Fest steht, daß Engelbert W*** zufolge irrtümlicher Annahme der Weitergeltung der einstweiligen Verfügung über den Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteiles hinaus die ihm im Provisorialverfahren aufgetragene Unterhaltsleistung auch nach Scheidung der Ehe weiter erbrachte. Dieser Umstand erfüllt aber die Voraussetzungen des § 258 Abs 4 dritter Fall ASVG nicht. Dafür, daß die Ehegatten vor Ausspruch der Scheidung eine Vereinbarung in diesem Sinn getroffen hätten, besteht kein Anhaltspunkt. Aber auch die im Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens geschlossene Vereinbarung kann keine Grundlage für den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension bilden. Voraussetzung für den Anspruch des geschiedenen Ehegatten auf Witwenpension ist, daß die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes aufgrund eines der im § 258 Abs 4 ASVG taxativ aufgezählten Rechtstitels nicht nur dem Grunde nach feststeht, sondern aus diesem auch die Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar ist (SSV-NF 2/11). Dem wird aber die von den Vorinstanzen festgestellte Vereinbarung nicht gerecht. In dieser wurde lediglich festgelegt, daß die von Engelbert W*** geleisteten, die Klägerin belastenden Kreditrückzahlungsraten auf den der Klägerin nach § 66 EheG zustehenden Unterhaltsbetrag angerechnet werden. Damit wurde aber lediglich auf einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch der Klägerin Bezug genommen, ein konkreter Unterhaltsanspruch aber in keiner Weise individualisiert. Wenn auch dem Berufungsgericht darin beizupflichten ist, daß eine in einem Verfahren gemäß § 81 ff EheG gerichtlich protokollierte Vereinbarung zwischen den geschiedenen Gatten über eine Unterhaltsleistung grundsätzlich als Titel im Sinn des § 258 Abs 4 ASVG zu qualifizieren ist, erfüllt doch die Vereinbarung im vorliegenden Fall mangels Festlegung einer konkreten Unterhaltsleistung nicht die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle. Der der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 Ob S 190/90 (SSV-NF 4/75 im Druck) zugrunde liegende Fall unterscheidet sich von dem hier vorliegenden wesentlich. Dort hatte die Klägerin behauptet, vor Scheidung der Ehe sei zwischen den Ehegatten eine Vereinbarung getroffen worden, derzufolge sich ihr (später verstorbener) Ehegatte verpflichtete, die Rückzahlung von sie belastenden Schulden allein zu übernehmen, wobei beide Teile die Schuldrückzahlung als Unterhaltsleistung betrachtet hätten. Ausgehend von dieser Behauptung erachtete der Oberste Gerichtshof eine Prüfung der Frage erforderlich, welche Vereinbarungen die Parteien vor bzw anläßlich der Scheidung getroffen haben. Die Annahme der Voraussetzungen für eine für einen Witwenpensionsanspruch nach § 258 Abs 4 ASVG ausreichende, vor Scheidung der Ehe formlos getroffene Vereinbarung wurde für den Fall bejaht, daß die gesamten die Klägerin belastenden Darlehensrückzahlungen von den Gatten als Unterhaltsleistung qualifiziert wurden. In diesem Fall wäre die monatliche Unterhaltsleistung in Höhe der monatlich fälligen Darlehensrückzahlungen festgestanden.

Wie die Regelung über die Anrechnung der strittigen Vereinbarung zeigt, sind die Parteien hier davon ausgegangen, daß die Höhe eines Unterhaltsanspruches der Klägerin und die Höhe der Darlehensrückzahlungen nicht im Zusammenhang stehen. Aus der Höhe der Rückzahlungsraten kann daher ein Schluß auf die Höhe einer Unterhaltsleistung nicht gezogen werden. Daß die Parteien dieser Vereinbarung eine Unterhaltsverpflichtung Engelbert W*** in Höhe des mit der seinerzeit im Scheidungsverfahren ergangenen einstweiligen Verfügung aufgetragenen Betrages zugrundelegten, findet in dieser Vereinbarung keinen Ausdruck. Eine allenfalls hierüber getroffene mündliche Absprache vor Abschluß der Vereinbarung könnte aber mangels der gemäß § 258 Abs 4 ASVG angeordneten Form keine taugliche Grundlage für einen Witwenpensionsanspruch bilden.

Das Begehren der Klägerin besteht daher nicht zu Recht. Kosten wurden nicht verzeichnet.

Anmerkung

E22650

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00382.9.1204.000

Dokumentnummer

JJT_19901204_OGH0002_010OBS00382_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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