TE OGH 1990/12/4 10ObS376/90

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Veröffentlicht am 04.12.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Felix Joklik und Mag.Robert Renner (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz P***, Landwirt, 2182 Paltendorf, Föhrenstraße 187, vertreten durch Dr.Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** DER B***, 1031 Wien,

Ghegastraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Juni 1990, GZ 32 Rs 12/90-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28.September 1989, GZ 17 Cgs 73/89-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 10.5.1989 stellte die beklagte Partei auf Antrag des Klägers vom 18.1.1989 gemäß § 124 a BSVG fest, daß er nicht erwerbsunfähig iS des § 124 BSVG sei. Nach dem Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen könne er noch leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen verrichten. Die Voraussetzungen des § 124 Abs 2 BSVG seien nicht gegeben, weil die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebes mit einem Einheitswert von S 834.000,-- nicht notwendig gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß gerichteten Klagebegehren dahin Folge, daß es feststellte, der Kläger sei erwerbsunfähig iS des § 124 BSVG. Es traf folgende Feststellungen:

Der am 4.9.1931 geborene Kläger kann auf Grund seines Gesundheitszustandes nur mehr leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen verrichten. Seine Arbeitskraft ist bei dem eingeschränkten Gesundheitszustand nicht einmal mit 0,10 % einer Vollarbeitskraft zu bewerten. Der von ihm auf eigene Rechnung geführte landwirtschaftliche Betrieb hat 37,242 Hektar (Eigenfläche 34,142 Hektar, Pachtfläche 3,1 Hektar). Der fiktive Einheitswert (2/3 Einheitswert der Pachtfläche und 100 % der Eigenfläche) beträgt S 792.000,--. Die Landwirtschaft ist, abgesehen von einem einkommensmäßig irrelevanten 0,28 Hektar großen Weingarten, ein reiner Ackerbaubetrieb. Daneben betreibt der Kläger Viehzucht (200 Legehennen, 40 Mastschweine). Unter Abzug der Fixkosten ergibt sich ein landwirtschaftliches Einkommen von jährlich S 343.162,--. Die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Betriebes erfordert 1.400 Arbeitsstunden einer Arbeitskraft. Die meiste Arbeit fällt während der Vegetationszeit von März bis Oktober an und erfordert eine volle Arbeitskraft. Eine Feldarbeitskraft erbringt während dieser Zeit 1.500 Arbeitsstunden. Die erforderlichen Arbeiten sind zu 10 % schwer, zu 10 % leicht und zu 80 % mittelschwer. Die Ehefrau des Klägers arbeitet auf Grund ihres Gesundheitszustandes nur wenig im Betrieb mit, führt den Haushalt und ist mit 0,4 % einer Vollarbeitskraft einstufbar; ebenso der nur in der Freizeit mithelfende Sohn.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Betrieb ohne die persönliche Arbeitsleistung des Klägers wirtschaftlich unrentabel sei. Mit dem landwirtschaftlichen Einkommen könnte er für Fremdlöhne nur S 70.000,-- jährlich aufwenden. Dieser Betrag reiche nicht aus, um den Sohn und eine Fremdarbeitskraft zu entlohnen. Bei den gegebenen Verhältnissen sei es nicht möglich, eine Halbtagskraft für 8 Monate zu erhalten, auch nicht in Form der Betriebshilfe. Die erleichterten Anspruchsvoraussetzungen nach § 124 Abs 2 BSVG seien daher erfüllt.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Feststellungsbegehrens ab. Der beklagten Partei sei beizupflichten, daß Zinsen aus Fremdmittelbelastungen nicht zu berücksichtigen seien (SSV 21/65), weshalb die abzuziehenden Fixkosten nur S 164.000,-- statt S 187.000,-- und der landwirtschaftliche Ertrag sohin S 366.162,--, abzüglich S 100.000,-- an Fremdarbeitskosten S 266.162,-- betragen würden. Ob der vom Sachverständigen zugrunde gelegte fiktive Einheitswert S 792.000,-- oder bei Zugrundelegung des Einheitswertes des Pachtgrundes von S 45.000,-- gerundet S 829.000,-- betragen hätte, könne dahingestellt bleiben. Die Ermittlung des landwirtschaftlichen Einkommens habe der Sachverständige auf der Hektargröße aufgebaut. Die beklagte Partei räume ein, daß sich der Fehler bei der Einheitswertermittlung nur geringfügig auswirke. Relevant sei hingegen der auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhende Fehler der Fixkostenermittlung. Damit sei bei Berücksichtigung des erforderlichen Aufwandes für den Sohn und eine Fremdarbeitskraft von S 100.000,-- jährlich die Betriebsführung noch rentabel, weil selbst unter Abzug der Sozialversicherungsbeiträge das monatliche Einkommen noch S 15.957,20 betrage; dieses Einkommen sei bereits nach Abzug der Steuern und anderen im Fixkostenbetrag enthaltenen Beträge ermittelt. Da die Betriebsfortführung noch rentabel sei, erweise sich das Feststellungsbegehren als unberechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionswerber wendet sich nur gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, daß Zinsen für Fremdmittel bei Ermittlung des landwirtschaftlichen Einkommens im Sozialversicherungsbereich nicht zu berücksichtigen seien. Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, daß auch das bäuerliche Unternehmen als Betrieb anzusehen sei und als solcher den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und Notwendigkeiten unterliege. Auch der landwirtschaftliche Betrieb könne daher seine Investitionen nicht nur dann vornehmen, wenn das erforderliche Eigenkapital hiefür vorhanden sei. Der im Berufungsurteil aus der Entscheidung SSV 21/65 abgeleitete Grundsatz, daß die Kreditaufnahme durch einen landwirtschaftlichen Betrieb den Nachweis für zweckwidrige Bewirtschaftungsmaßnahmen erbringe, gehe von einer längst überholten Betrachtungsweise aus. Die moderne Betriebsführung, insbesondere der Einsatz von technischen Mitteln erzwinge Betriebsgrößen, die auf diese Weise erst nach Generationen erreicht werden könnten; bei Beibehaltung dieser Finanzierungsmethoden drohe entweder der unrationelle Einsatz der technischen Hilfsmittel oder eine totale Überalterung der Betriebsstruktur. Nach den Empfehlungen der landwirtschaftlichen Kammern sei für Betriebe der gegenständlichen Art eine Idealgröße von ca. 40 Hektar bewirtschafteter Fläche anzusetzen. Das Erfordernis der Fremdmittelaufnahme betreffe aber nicht nur den Ankauf von Grund und Boden, sondern auch die Ausstattung des Unternehmens mit modernen leistungsfähigen und kostensparenden Maschinen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wären daher die Darlehenszinsen bei der Berechnung der Fixkosten zu berücksichtigen gewesen, zumal weder behauptet noch erwiesen sei, daß die Darlehensaufnahme durch den Kläger mutwillig erfolgt sei. Diese Argumente sind im Ergebnis nicht zielführend. Es ist richtig, daß das Oberlandesgericht Wien als damals letzte Instanz in Leistungsstreitsachen dem Umstand, daß wegen der Arbeit mit Fremdkapital und der dadurch bedingten Belastung durch dessen Verzinsung trotz der an sich hohen Erträge kein Gewinn erwirtschaftet wurde und deswegen auch keine zusätzliche Arbeitskraft eingestellt werden könnte, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen hat, weil andernfalls unwirtschaftliche Betriebsführer durch Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension belohnt würden, während wirtschaftlichen Betriebsführern eine solche versagt bliebe (SSV 21/65; zitiert auch in Fürböck/Teschner, BSVG MGA 23. ErgLfg. 327). Ob diese Rechtsansicht zutrifft, kann jedoch im vorliegenden Fall unerörtert bleiben. Unter der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes ist nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die ausführende Mitarbeit zu verstehen, die notwendig sein muß, um die wirtschaftlich gesehen den vom Versicherten zuletzt geführten Betrieb rentabel aufrecht zu halten (SSV-NF 3/110; 10 Ob S 257/89; 10 Ob S 272/90). Selbst wenn man nun im Sinn des Rechtsstandpunktes des Klägers die für Fremdkapital jährlich zu leistenden Zinsen von S 23.000,-- (Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen ON 3, S 7) den Fixkosten hinzurechnet, ergibt sich ein landwirtschaftliches Einkommen im Betrieb des Klägers von S 343.162,--. Hievon ist der vom Sachverständigen ermittelte - nicht strittige - Betrag für den Lohn einer Fremdarbeitskraft in Höhe von S 100.000,-- abzuziehen. Damit verbleibt ein jährliches Einkommen von S 243.162,-- oder umgerechnet ein monatliches Einkommen von S 20.263,50. Zieht man die vom Erstgericht nicht festgestellten, vom Kläger in seiner Berufungsbeantwortung angegebenen Sozialversicherungsbeiträge von S 6.223,-- monatlich ab, so verbleibt immer noch ein Betrag von S 14.040,-- monatlich zur Deckung des Lebensunterhalts des Klägers und seiner Frau. Alle sonstigen Betriebskosten (AfA für Maschinen und Gebäude, Steuern, Versicherung, Zinsen, Pacht, Erhaltung baulicher Anlagen und anteilige Kosten, sonstige Kosten) sind dabei bereits berücksichtigt, worauf das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat. Verbleiben aber dem Kläger und seiner Frau zur Deckung des Lebensunterhaltes wenigstens S 14.000,-- netto im Monat, dann kann keine Rede davon sein, daß die volle Mitarbeit des Klägers notwendig ist, um wirtschaftlich gesehen den von ihm geführten Betrieb rentabel aufrecht zu erhalten. Nach dem - wenngleich ohne jede Beweisaufnahme - festgestellten Leistungskalkül kann der Kläger immerhin noch leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten vorwiegend in geschlossenen Räumen verrichten. Daß seine Arbeitskraft damit nicht einmal 0,1 % der einer gesunden Vollarbeitskraft zu bewerten wäre, ist nicht ganz verständlich, aber auch nicht entscheidungswesentlich. Gemäß § 124 Abs 2 lit b BSVG ist Voraussetzung für eine Erwerbsunfähigkeitspension nach dieser Gesetzesstelle, daß die persönliche Arbeitsleistung des Versicherten zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war. Beim Kläger ist dies nicht der Fall, so daß das Berufungsgericht sein Klagebegehren zutreffend abgewiesen hat.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19, 2/26, 2/27 uva).

Anmerkung

E22642

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00376.9.1204.000

Dokumentnummer

JJT_19901204_OGH0002_010OBS00376_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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