Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Dezember 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut Z*** wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG und § 15 StGB sowie anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 16.Juli 1990, GZ 35 Vr 1385/89-67, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, und der Verteidigerin Dr. Mühl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut Z*** des zum Teil nur versuchten Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG, § 15 StGB (I und II des Urteilssatzes), des Verbrechens nach § 14 Abs 1 SGG (III), des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (IV) und des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG (V) schuldig erkannt. Darnach hat er I. gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte in einer großen bzw übergroßen (§ 12 Abs 3 Z 3 SGG) Menge ausgeführt, eingeführt und in Verkehr gesetzt, und zwar 1. Ende Juni 1988 mit den abgesondert verfolgten Markus G*** und Klaus R*** durch den Transport von 8,5 kg Cannabisharz aus Spanien nach Österreich, Überlassen desselben an Kassian S***, Verkauf von 1/2 kg an Harry R*** und Mitwirkung am Verkauf von weiteren 3,5 kg durch Markus G***, wobei sich sein diesbezüglicher Vorsatz auf mehrere Kilogramm erstreckte;
2. im August 1988 mit dem abgesondert verfolgten Markus G*** durch den Transport von ca 100 Gramm Kokain aus den Niederlanden nach Österreich und Überlassen einer unbekannten Menge davon an Klaus R***, welchen er mehrmals unentgeltlich zum Konsumieren eingeladen hat;
3. im Juli 1988 mit dem abgesondert verfolgten Nikolaus W*** durch den Transport von 8 kg Cannabisharz aus Spanien nach Österreich und Überlassen desselben an Markus G***;
4. im August 1988 mit dem abgesondert verfolgten Harald B*** durch den Transport von 18 kg Cannabisharz aus Spanien nach Österreich, Überlassen desselben an Markus G***, Verkauf von insgesamt 3.750 Gramm an Werner P***, Klaus W*** und an einen gewissen "Alex" sowie Mitwirkung am Verkauf von weiteren 7 kg durch Markus G***, wobei sich sein diesbezüglicher Vorsatz jedenfalls auf eine Menge im Kilobereich erstreckte;
II. im September 1988 gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Harald B*** gewerbsmäßig versucht, den bestehenden Vorschriften zuwider eine übergroße Menge Cannabisharz, nämlich 10,9 kg aus Marokko auszuführen und in weiterer Folge über Spanien nach Österreich einzuführen;
III. im Juni 1988 mit den abgesondert verfolgten Kassian S*** und Markus G*** die gemeinsame Ausführung der im § 12 SGG bezeichneten strafbaren Handlung, nämlich die Einfuhr einer großen Menge Cannabisharz nach Österreich und Inverkehrsetzen derselben verabredet;
IV. in der Zeit vom Sommer 1988 bis 20.März 1989 an verschiedenen Orten des In- und Auslandes unbekannte Mengen des Suchtgiftes Cannabisharz und Kokain durch Verbrauch desselben erworben und besessen;
V. gewerbsmäßig durch die unter Punkt I/1 bis 4 angeführten Handlungen nachangeführte eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungs- oder Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen, und zwar 1. 8,5 kg Cannabisharz (darauf entfallende Eingangsabgaben 129.608 S);
2.
100 Gramm Kokain (darauf entfallende Eingangsabgaben 24.667 S);
3.
8 kg Cannabisharz (darauf entfallende Eingangsabgaben 121.984 S);
4.
18 kg Cannabisharz (darauf entfallende Eingangsabgaben 274.464 S).
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch in keinem Anfechtungspunkt Berechtigung zukommt. Die allein zum Urteisfaktum I/3 ausgeführte Mängelrüge (Z 5) betrifft keinen entscheidungswesentlichen Tatumstand. Ob der Beschwerdeführer nämlich neben dem abgesondert verfolgten Nikolaus W*** auch noch andere Beteiligte zu der betreffenden Schmuggelfahrt nach Spanien "eingeladen" hat (US 16), bleibt für die rechtliche Beurteilung der ihm zur Last gelegten Tat ohne Belang. Die Subsumtionsrüge (Z 10) richtet sich gegen die Annahme echter Idealkonkurrenz der Qualifikationstatbestände nach § 12 Abs 2 und Abs 3 SGG mit Schmuggel nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG mit dem Argument, nur bei zulässigerweise in das Zollgebiet eingeführten Waren könne ein Kaufpreis im Sinn des § 3 Wertzollgesetz, nach Maßgabe dessen sie der Eingangsabgabepflicht unterliegen, festgestellt werden. Suchtgift aber, dessen Vertrieb und Verkauf verboten ist, sei daher "von diesen Regelungen" ausgeschlossen.
Damit verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Seit Inkrafttreten der 9.Zolltarifgesetznovelle, BGBl 1976/669, am 1. Jänner 1977 unterliegen Waren, die entgegen den Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes eingeführt werden, einem Gewichtszoll. In Ansehung des Zolles stellt sich daher die Frage der Warenwertberechnung (die im Hinblick auf den früher mit dem "Normalpreis" definierten Zollwert einer Ware zur kontroversiellen Beurteilung des in Rede stehenden Konkurrenzproblems geführt hatte - siehe dazu insbes EvBl 1976/229 = RZ 1976, 159 f, verst Senat) überhaupt nicht mehr, weshalb die Argumentation des Beschwerdeführers insoweit von vornherein ins Leere geht. Für die Berechnung der Einfuhrumsatzsteuer und des Außenhandelsförderungsbeitrages ist zwar der Kaufpreis der importierten Waren maßgeblich, doch übersieht der Angeklagte, daß gerade das zur Stützung seines Rechtsstandpunktes herangezogene Wertzollgesetz ausdrücklich normiert, daß auf gesetzlichen Vorschriften beruhende Einschränkungen bezüglich der Verwendung und des Gebrauches von Waren durch den Käufer die Heranziehung des Kaufpreises als Zollwert nicht hindern (§ 3 Abs 2 Z 1
lit a WertZollG 1980, BGBl 221). Auch sonst läßt sich den einschlägigen Vorschriften die in der Beschwerde statuierte Prämisse einer Einschränkung der Eingangsabgabepflicht auf im legalen Handel befindliche Waren nicht entnehmen (siehe zum ganzen ausführlich Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm zum FinStrG, Anm 15 zu § 35).
Rechtliche Beurteilung
Der Hinweis der Beschwerde auf Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist schon deshalb unbeachtlich, weil diesen Entscheidungen durch den EWG-Vertrag geschaffene Rechtsverhältnisse zugrunde liegen, die für den österreichischen Rechtsbereich außer Betracht zu bleiben haben.
Dem Beschwerdestandpunkt zuwider liegt auch eine Konsumtion des Schmuggels durch die Aburteilung nach dem Suchtgiftgesetz nicht vor. Abgesehen von der Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter geht insbesondere aus der eine Doppelbestrafung nach dem Suchtgiftgesetz und dem Finanzstrafgesetz nur unter gewissen (hier nicht gegebenen) Voraussetzungen einschränkenden Bestimmung des § 24 a SGG unmißverständlich hervor, daß der Gesetzgeber grundsätzlich eintätiges Zusammentreffen von Suchtgiftdelikten und Finanzvergehen zuläßt.
Der Nichtigkeitsbeschwerde war sohin ein Erfolg zu versagen.
Bei der Strafzumessung wertete das Schöffengericht als erschwerend:
das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit zwei Vergehen; zwei einschlägige Vorstrafen; die zweifache Qualifikation des Verbrechens nach § 12 SGG; die große, weit über das 25fache der im § 12 Abs 1 SGG umschriebenen Menge hinausgehende Suchtgiftquantität; die Tatsache, daß der Angeklagte auch sogenannte "harte Drogen", nämlich Kokain in einer großen Menge nach Österreich eingeführt hat; die wiederholte Begehung hinsichtlich des Vergehenstatbestandes nach § 16 Abs 1 SGG; den Umstand, daß er, ohne selbst süchtig zu sein, diese schweren Verfehlungen nach dem Suchtgiftgesetz begangen hat; die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 12 Abs 1 SGG durch verschiedene Begehungsformen und schließlich die Tatsache, daß er Nikolaus W*** zur Straftat verleitet hat. Als mildernd hielt es dem Angeklagten zugute, daß er ein volles und umfassendes Geständnis abgelegt hat und daß eine Tat beim Versuch geblieben ist. Demgemäß verhängte das Erstgericht über den Angeklagten nach §§ 12 Abs 3 SGG, 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, nach § 13 Abs 2 SGG eine Wertersatzstrafe von 240.000 S (für den Fall deren Uneinbringlichkeit drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe) sowie nach § 38 Abs 1 FinStrG eine Geldstrafe von 275.361,50 S (für den Fall deren Uneinbringlichkeit drei Monate Ersatzfreiheitsstrafe).
Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Antrag, "die verhängte Freiheits- und Geldstrafe tat- und schuldangemessen" herabzusetzen.
Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Durch die Strafbestimmungen der §§ 12, 14 SGG soll der aus der Verbreitung von Drogen resultierenden (allgemeinen) Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in großem Ausmaß vorgebeugt werden. Suchtgiftverbrechen sind daher, gleichwie alle strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben (einzelner Personen) gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet und beruhen solcherart auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB). Mit Recht hat daher das Schöffengericht die beiden Vorstrafen des Angeklagten wegen Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB unter den Erschwerungsumständen aufgezählt, wenngleich ihnen freilich kein besonderes Gewicht beizumessen ist. Ebenso zutreffend wurde die das Fünfundzwanzigfache (§ 12 Abs 3 Z 3 SGG) der Verbrechensgrenze (§ 12 Abs 1 SGG) ihrerseits um das Sechsfache übersteigende Menge des vom Angeklagten aus- und eingeführten sowie in Verkehr gesetzten Suchtgiftes Cannabisharz als erschwerend berücksichtigt, wobei gegen deren Berechnung auf der Grundlage eines durchschnittlichen Konzentrationswertes von 9 % THC keine Bedenken bestehen. Aus der Einfuhr und dem Inverkehrsetzen auch von Kokain war allerdings ein besonderer Erschwerungsgrund nicht abzuleiten, weil alle dem Suchtgiftgesetz unterliegenden Stoffe rechtlich grundsätzlich gleichwertig sind, ihre unterschiedliche Wirksamkeit in der Abstufung der Grenzmengen zum Ausdruck kommt und ein außergewÄhnlicher suchtauslösender Effekt bei Kokain jedenfalls nicht gegeben ist (vgl die Tabelle zum Gutachten des Suchtgiftbeirates, abgedruckt bei Leukauf-Steininger Nebengesetze2
2. ErgH 1985). Ob dem Angeklagten mit Beziehung auf das Vergehen nach § 16 Abs 1 SGG Wiederholung der Tat oder Begehung durch einen längeren Zeitraum (mehrere Monate) zur Last fällt, kann für die Strafbemessung dahingestellt bleiben. Die als Erschwerungsgrund angenommene Verleitung des Nikolaus W*** basiert auf der Feststellung, daß der Berufungswerber den Genannten zu einer Einkaufsfahrt nach Spanien eingeladen hat (US 16), somit die Initiative zur Tat von ihm ausgegangen ist. Daß der Angeklagte im allgemeinen (lediglich) die Rolle des Chauffeurs übernommen hätte, widerspricht den Urteilsfeststellungen (US 11, 14/15, 16, 18), wonach er auch am Ankauf des Suchtgiftes im Ausland unmittelbar beteiligt war und zum Teil auch die finanziellen Mittel hiezu zur Verfügung stellte (US 11). Daß er zum Zwecke des Inverkehrsetzens in Österreich den abgesondert abgeurteilten Markus G*** in zwei Fällen im Auto nach Wien mitgenommen hat (US 12, 19), stellt keine bloß untergeordnete Beteiligung in bezug auf den gesamten Tatkomplex dar, zumal bei Suchtgiftdelikten dem Transport von Tätern und Tatobjekten über oft weite Strecken regelmäßig sogar besondere Bedeutung zukommt.
Das Schöffengericht hat somit die Strafbemessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt und auch zutreffend gewürdigt. Zu einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe (nach dem Suchtgiftgesetz) und der Geldstrafe (nach dem Finanzstrafgesetz), die auch zu jenen, die über die abgesondert verurteilten Mittäter verhängt worden sind, in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, besteht daher kein Anlaß. Die Wertersatzstrafe aber ist weder nach dem Berufungsantrag noch nach dem Inhalt der Berufungsausführungen Gegenstand der Anfechtung.
Somit war auch der Berufung des Angeklagten ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E22776European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0140OS00112.9.1204.000Dokumentnummer
JJT_19901204_OGH0002_0140OS00112_9000000_000