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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §27 Abs1 Z1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der H Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Mag. Harald Jelinek, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 75, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Dezember 2001, Zl. RV/203-11/08/97, betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum Jänner 1990 bis August 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH betreibt ein Hotel. Ihr Stammkapital von S 500.000,-- wurde in den Streitjahren 1990 bis 1993 zu 97% von der P. GmbH und zu 3% von K.D. gehalten. Handelsrechtliche Geschäftsführer der Beschwerdeführerin waren Mohammed N. und dessen Frau Shahin N. An der P. GmbH, deren Stammkapital gleichfalls S 500.000,-- betrug, waren die Eheleute N. zu jeweils S 75.000,-- beteiligt. Mohammed N. war zugleich auch Geschäftsführer der P. GmbH.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass die Buchhaltung der Beschwerdeführerin aus im Betriebsprüfungsbericht näher dargestellten Gründen sachlich unrichtig und eine "griffweise Zuschätzung" erforderlich sei, um zu zutreffenden Besteuerungsgrundlagen zu gelangen. In Tz. 26 des Betriebsprüfungsberichtes wird ausgeführt, dass die Zuschätzungen "inklusive Umsatzsteuer und Kapitalertragsteuer eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Geschäftsführer Mohammed N." darstellen.
Diesen Feststellungen folgend erließ das Finanzamt u.a. einen "Bescheid über den Prüfungszeitraum vom Jänner 1990 bis August 1993", mit welchem die Beschwerdeführerin als Haftungspflichtige gemäß § 95 EStG 1988 für Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt S 989.633,-- in Anspruch genommen und zur Entrichtung dieser Beträge aufgefordert wurde.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, dass die verdeckte Gewinnausschüttung der P. GmbH zuzurechnen und im Grunde des § 94 Z 2 EStG 1988 keine Kapitalertragsteuer vorzuschreiben sei.
Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung, die es damit begründete, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung nicht ausgeführt habe, warum die zugeschätzten Beträge nicht ihrem Geschäftsführer zuzurechnen seien. Eine Zurechnung sei auch an bloß mittelbare Gesellschafter möglich. Mohammed N. habe den Prüfern gegenüber einbekannt, dass Grundaufzeichnungen vernichtet und die Erlöse nur lückenhaft aufgezeichnet worden seien. Im Hinblick darauf habe es das Finanzamt als erwiesen angenommen, dass die Mehrgewinne dem Geschäftsführer zugeflossen seien und zwar nicht nur infolge seiner mittelbaren Beteiligung im Wege der P. GmbH, sondern auf Grund "seiner organisatorischen (wirtschaftlichen Stellung) bzw. Machtposition".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung ab. Der Begründung des Bescheides ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt und ergänzende Ausführungen angekündigt habe, welche in der Folge aber nicht erstattet worden seien. Dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe mangels gesetzlicher Grundlage nicht entsprochen werden können. Nach auszugsweiser Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 93 und 95 EStG 1988 warf die belangte Behörde der Beschwerdeführerin sodann sachverhaltsbezogen vor, dass sie jegliche Begründung dafür schuldig geblieben sei, warum die verdeckte Ausschüttung nicht ihrem Geschäftsführer, der zugleich mittelbarer Gesellschafter der Beschwerdeführerin gewesen sei, zugeflossen sein solle. Ein der Muttergesellschaft entstandener Vorteil sei nicht festzustellen, zumal die verdeckten Ausschüttungen weder "in den Bilanzen der Tochtergesellschaft noch in deren eigenen Bilanzen in irgendeiner Form erfasst waren". Auch ein Zufluss an "allfällige Mitgesellschafter bei der (P. GmbH)" sei nicht ersichtlich. Darüber hinaus habe weder die Beschwerdeführerin noch die P. GmbH Rückforderungsansprüche gegenüber Mohammed N. erhoben. Dies lasse den Schluss zu, dass auch die Absicht der Vorteilsgewährung als subjektive Voraussetzung der verdeckten Ausschüttung vorliege.
Wie im Verwaltungsverfahren wendet sich die Beschwerde nicht gegen die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin "Mehrgewinne" erzielt habe, welche in ihrem Betriebsvermögen keinen Niederschlag gefunden haben, sondern lediglich dagegen, dass der angefochtene Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf "Inanspruchnahme des Schachtelprivilegs gemäß § 94 Zi 2 EStG" verletze.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorteilszuwendungen aus Anteilen an Kapitalgesellschaften unterliegen nach § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 der Kapitalertragsteuer. Die Kapitalertragsteuer ist eine Erhebungsform der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer; sie ist - soweit keine Endbesteuerung vorliegt - im Zuge der Veranlagung der Kapitalerträge auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld des Empfängers der betreffenden Kapitalerträge anrechenbar. Keine Kapitalertragsteuer fällt an, wenn die Voraussetzungen des § 94 Z 2 EStG 1988 für die so genannte Schachtelbegünstigung erfüllt sind, d.h. Empfänger der Kapitalerträge eine unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft ist, die mindestens zu einem Viertel unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Die Befreiungsbestimmung umfasst sämtliche Kapitalerträge im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 1 lit. a und b EStG 1988, so z.B. auch verdeckte Ausschüttungen (vgl. Doralt/Kirchmayr, EStG8, Tz. 12 zu § 94).
Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, 99/13/0024). Offene wie verdeckte Gewinnausschüttungen setzen definitionsgemäß eine Vorteilszuwendung einer Körperschaft an eine Person mit Gesellschafterstellung voraus, ein bloßer "Machthaber" (etwa ein an der Gesellschaft nicht beteiligter Geschäftsführer) kann nicht Empfänger von Gewinnausschüttungen sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2004, 99/13/0215, 0216, mit weiteren Nachweisen). Die Zuwendung eines Vorteiles an einen Anteilsinhaber kann auch darin gelegen sein, dass eine dem Anteilsinhaber nahe stehende Person begünstigt wird. Eine verdeckte Ausschüttung ist daher auch dann anzunehmen, wenn Dritte auf Grund ihres Naheverhältnisses zum Anteilsinhaber eine in der Anteilsinhaberschaft wurzelnde Zuwendung erhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1999, 96/13/0115).
Bei der Gewinnermittlung einer Kapitalgesellschaft zugerechnete Mehrgewinne, die im Betriebsvermögen der Gesellschaft keinen Niederschlag gefunden haben, sind in der Regel als den Gesellschaftern zugeflossen zu werten, wobei, wenn das Ermittlungsverfahren nichts anderes ergeben hat, der Mehrgewinn nach dem Beteiligungsverhältnis aufzuteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1982, 81/13/0072, VwSlg. 5668 F/1982).
Für die Annahme einer verdeckten Ausschüttung ist die im erhobenen Sachverhalt gedeckte Feststellung, wer Empfänger der Zuwendung gewesen ist, erforderlich. Subjektive Voraussetzung für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist eine auf Vorteilsgewährung gerichtete Willensentscheidung der Körperschaft, wobei sich die Absicht der Vorteilsgewährung schlüssig aus den Umständen des Falles ergeben kann, was etwa auch dann zu unterstellen ist, wenn die Gesellschaft nach Kenntnis des vom Gesellschafter in Anspruch genommenen Vorteils nichts unternimmt, um ihn rückgängig zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, 96/15/0018, mit weiteren Nachweisen).
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass die festgestellten Mehrgewinne nicht der P. GmbH, die an der Beschwerdeführerin zu 97% beteiligt war, sondern dem an der P. GmbH zu 15% beteiligten Mohammed N. zugeflossen seien, weshalb die Bestimmung des § 94 Z 2 EStG 1988 auf den gegenständlichen Sachverhalt nicht anwendbar sei. Sie ist bei dieser Beurteilung erkennbar davon ausgegangen, dass sich der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin die festgestellten Mehrgewinne zum einen auf Grund seiner tatsächlichen Machtstellung als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin und der P. GmbH, zum anderen aber auch auf Grund seiner mittelbaren Gesellschafterstellung und mit Einverständnis der Beschwerdeführerin und der P. GmbH angeeignet hat, weil Rückforderungsansprüche gegen ihn nicht gestellt wurden.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof rügt die Beschwerdeführerin die Feststellung der belangten Behörde, die Mehrgewinne seien ihrem Geschäftsführer zugekommen, als Ergebnis unschlüssiger Beweiswürdigung. So sei der Umstand, dass weder die Beschwerdeführerin noch die P. GmbH Rückforderungsansprüche gegenüber Mohammed N. gestellt hätten, ein deutliches Indiz dafür, dass die festgestellten Beträge nicht dem Geschäftsführer zugeflossen seien und es daher nichts zurückzufordern gegeben habe. Dass die festgestellten Mehrgewinne in der Bilanz der Beschwerdeführerin keinen Niederschlag gefunden haben, sei tatbestandsmäßige Voraussetzung der Zuschätzung gewesen und könne nicht als Begründung für die Zurechnung zu einer bestimmten Person herangezogen werden. Auch sei es unzulässig, der Beschwerdeführerin die Beweislast dafür zu überbinden, dass die Mehrgewinne ihrer Anteilsinhaberin zugeflossen seien.
Ob diese Vorwürfe berechtigt sind, kann im Beschwerdefall aus folgenden Gründen dahin gestellt bleiben:
Eine Zurechnung der Mehrgewinne an den Geschäftsführer auf Grund seiner Stellung als Machthaber war - wie schon ausgeführt - von vornherein rechtlich verfehlt. War Mohammed N. tatsächlicher Empfänger der Mehrgewinne, konnten ihm diese Einkünfte auch nicht auf Grund seiner Stellung als Gesellschafter zugerechnet werden, weil er an der Beschwerdeführerin nicht (unmittelbar) beteiligt war. Dass Mohammed N. im Wege der Anteilsinhaberin, somit mittelbar an der Beschwerdeführerin beteiligt war, lässt ihn zwar - unter der Voraussetzung, dass die P. GmbH die Entnahmen ihres Gesellschafters akzeptiert hat - als Empfänger von Kapitalerträgen in Betracht kommen. In einem solchen Einverständnis der P. GmbH lag aber wiederum eine Einkommensverwendung seitens der P. GmbH, die gegebenenfalls in der Form einer verdeckten Ausschüttung erfolgte und bei ihr die Pflicht auslösen konnte, Kapitalertragsteuer von den an den Gesellschafter (im direkten Wege) geflossenen Beträgen einzubehalten und abzuführen. Eine derartiger Haftungsbescheid ist aber nicht Gegenstand des gegenständlichen Verfahrens.
Die vorliegende Konstellation ist somit im Ergebnis jenen Fällen vergleichbar, in denen Empfänger der verdeckten Ausschüttung eine dem Anteilsinhaber nahe stehende Person ist. Auch in einem solchen Fall ist die verdeckte Ausschüttung - ungeachtet des verkürzten Geldflusses an den Dritten - dem Gesellschafter der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft zuzurechnen. Wie sich aus dem hg. Erkenntnis vom 16. September 1986, 85/14/0163, ergibt, liegt dieser Beurteilung der Gedanke zugrunde, dass die Überlassung von Vorteilen, die sich aus der Gesellschafterstellung ergeben, an eine nahe stehende Person beim Gesellschafter Einkommensverwendung darstellt. Von einer derartigen Einkommensverwendung durch den Gesellschafter wäre auch im gegenständlichen Fall auszugehen, wenn es die P. GmbH als Anteilsinhaberin zugelassen hat, dass die ihr zustehenden Gewinnanteile einem ihrer Gesellschafter zukommen.
Da somit - ungeachtet eines allenfalls verkürzten Zahlungsflusses - auch im Beschwerdefall lediglich die Anteilsinhaber der Beschwerdeführerin (insbesondere die P. GmbH) als Zurechnungssubjekt der gegenständlichen Kapitalerträge in Betracht kommen, hat die belangte Behörde die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 94 Z 2 EStG 1988 zu Unrecht verneint.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, 14. Dezember 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002130022.X00Im RIS seit
23.01.2006Zuletzt aktualisiert am
25.06.2013