Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** Werbegesellschaft mbH, Wien 5., Schönbrunnerstraße 80, vertreten durch Dr. Gerhard Benn-Ibler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C*** Handelsgesellschaft mbH, Linz-Wegscheid, Melissenweg 15, vertreten durch Dr. Martin Binder, Dr. Klaus Grösswang, Dr. Georg Legat, Dr. Michael Binder und Dr. Michael Kutschera, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 3,871.707,29 sA (Revisionsstreitwert S 1,540.000 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 12.Juli 1990, GZ 3 R 75/90-63, womit infolge der Berufung beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.Dezember 1989, GZ 17 Cg 45/87-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 3,871.707,29 samt 8 % Zinsen aus S 2,000.000,-- seit 21.12.1986 und 13,25 % Zinsen aus S 653.465,25 vom 12.12.1986 bis 20.1.1987, 13,25 % Zinsen aus S 1,831.915,29 vom 21.1.1987 bis 26.11.1987 und aus S 1,871.707,29 seit 27.11.1987 zu bezahlen, wird abgewiesen." Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 502.683,70 bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 90.040,-- Barauslagen und S 68.773,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei erteilte der klagenden Partei im Oktober 1986 den Auftrag zur Durchführung eines Direktmailings (Direkt-Marketing-Verkaufsaktion) für verschiedene von der beklagten Partei vertriebene Produkte, unter anderem einen Massagegürtel. Konzeption, Textierung, Layout, Druck, Versand und Überwachung oblagen der klagenden Partei. Die beklagte Partei ließ bei Gestaltung und Durchführung der Aktion der klagenden Partei freie Hand. Einzige Vorgabe war ein Kostenrahmen von S 3,9 Mill (excl. Umsatzsteuer). Die beklagte Partei leistete eine Akontozahlung von S 700.000. Die klagende Partei begehrt das Entgelt für die Durchführung des Auftrags.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 1,540.000 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 2,331.707,29 sA ab. Nach seinen Feststellungen soll nach der Branchenauffassung eine Direkt-Marketing-Verkaufsaktion ihrem Wesen nach kostendeckend sein. Die beklagte Partei ging bei den Vertragsverhandlungen, für die klagende Partei erkennbar, davon aus, daß sich die Aktion zumindest "selbst tragen soll" und daß der Break-Even-Point (Kostendeckungspunkt) bei dem vorgesehenen Kostenaufwand bei einem Verkauf von ca. 5000 Massagegürteln bzw. einem Umsatz aller beworbenen Artikel im Wert von 5000 Stück solcher Gürtel liegt. Die von der klagenden Partei vorgeschlagene und durchgeführte Direkt-Marketing-Aktion bestand im wesentlichen darin, daß die Sendung (Beilage D 1) mit den darin enthaltenen Angeboten mit der Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel an von einem Dritten angemietete Adressen geschickt wurde. Bei den Adressen handelte es sich jedoch um eine offene Zielgruppe (Z 0). bei einer derartigen Zielgruppe muß bei einer Direkt-Marketing-Verkaufsaktion unbedingt ein sogenannter Akzeptanztest durchgeführt werden. Das Ansprechen einer offenen Zielgruppe ohne Akzeptanztest ist für ein einstufiges Verkaufsmailing nicht geeignet. Die klagende Partei hat die beklagte Partei nicht darüber belehrt, daß ein Akzeptanztest erforderlich ist. Mangels einer solchen Warnung über die Sinnlosigkeit der Aktion bzw. der Unabschätzbarkeit des Risikos ohne vorhergehenden Akzeptanztest, der das Anschreiben von rund 5000 Z O-Adressen erforderlich gemacht hätte, unterblieb ein solcher Test, zumal die beklagte Partei ihren Wunsch zum Ausdruck brachte, mit der Verkaufswerbeaktion noch in das Weihnachtsgeschäft 1986 zu kommen. Bei den Vertragsgesprächen war die Rede davon, daß bei dem von der beklagten Partei vorgegebenen Kostenrahmen rund 5000 Adressen angeschrieben werden können. Die klagende Partei konnte jedoch infolge Zeitdrucks nicht die kostengünstigste Druckerei beauftragen, sodaß es nur möglich war, 375.000 Mailings zu versenden. Diese brachten in der Zeit vom 1.11.1986 bis 31.1.1987 Bestellungen für alle im Mailing angebotenen Waren im Wert von rund 1,2 Mill. excl. Umsatzsteuer, wobei von den hauptsächlich beworbenen Massagegürteln nur 75 Stück im Wert von S 104.850 bestellt wurden. Von diesem Gesamtbestellwert konnte schließlich trotz anwaltlicher Bemühungen und Einschaltung der Gerichte ein Betrag von S 338.548,32 nicht hereingebracht werden. Das Ziel des Verkaufsmailings, daß es "sich selbst trägt", wurde zwar verfehlt, mit der Aktion wurden aber die klassischen Werbeziele, Steigerung von Bekanntheitsgrad, Image und Sympathie erreicht. Der Wert dieser Werbewirkung und der Verstärkerwirkung für den Einzelhandel im Verhältnis zum Wert der einwandfreien Durchführung des Verkaufsmailings läßt sich objektiv nicht ermitteln. Nicht festgestellt werden konnte, daß die beworbenen Produkte nicht marktreif gewesen wären. Fest steht, daß die klagende Partei keine Garantie für einen bestimmten Verkaufserfolg abgab und eine Beteiligung am Risiko des Verkaufserfolges ablehnte.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes liege ein Werkvertrag vor. Das Ziel einer Direkt-Mailing-Aktion, zumindest kostendeckend zu sein, sei zwar nicht erreicht worden. Insoweit liege ein Mangel des Werkes vor. Dagegen seien die klassischen Werbeziele verwirklicht worden. Da sich die Werte des vereitelten und des erreichten Zieles objektiv nicht in ein Verhältnis setzen ließen, sei der Wert des mit den obgenannten Mängeln behafteten Werkes zu einem mängelfreien Werk, bei dem beide obgenannten Ziele zu erreichen gewesen wären, nach § 273 ZPO zu ermitteln. Hiebei sei davon auszugehen, daß das Erreichen der klassischen Werbeziele in Verbindung mit der Verstärkerwirkung für den Einzelhandel - beide zeitigten nachhaltige Wirkungen - einem einmalig zu erwartenden Verkaufserfolg, der sich möglicherweise auch nur im Erreichen des Break-Even-Points erschöpfe, etwa gleichwertig sei. Die klagende Partei habe daher Anspruch auf das halbe Entgelt zuzüglich Umsatzsteuer, jedoch abzüglich der geleisteten Teilzahlung.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte im wesentlichen auch dessen Rechtsansicht.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß ein Werbevertrag jedenfalls dann, wenn, wie hier, ein bestimmter Arbeitserfolg geschuldet wird, als Werkvertrag anzusehen ist, entspricht der Rechtsprechung und Lehre (MR 1990, 77; JBl.1983, 39; SZ 41/133;
Krejci in Rummel, ABGB, Rz 66 zu den §§ 165, 166; Adler-Höller in Klang2 V 374; Palandt49 684; Soergel in Münch.Komm.2 § 631 Rz 108). Zutreffend haben daher auch die Vorinstanzen der Beurteilung des Begehrens der klagenden Partei auf Bezahlung des Entgeltes für die Durchführung der Werbeaktion und des Einwandes der beklagten Partei, kein Entgelt, unter anderem wegen Mangelhaftigkeit der Werbeaktion zu schulden, Werkvertragsrecht zugrundegelegt. Nach § 1167 ABGB kann der Besteller bei wesentlichen Mängeln, welche das Werk unbrauchbar machen oder der ausdrücklichen Bedingung zuwiderlaufen, vom Vertrag abgehen (wandeln). Die Wandlung muß nicht ausdrücklich mit diesen Worten erklärt werden. Es genügt, wenn der Besteller hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, nicht (mehr) an den Vertrag gebunden sein zu wollen. Hier hat die beklagte Partei diesen Standpunkt eingenommen und sich unter anderem auch auf die Mangelhaftigkeit der Werbeaktion, insbesondere infolge der Wahl einer ungeeigneten Zielgruppe durch die klagende Partei berufen.
Der Unternehmer hat das Werk, soweit eine Detailvereinbarung nicht besteht, so auszuführen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht und für Werke solcher Art üblich und angemessen ist (JBl.1984, 204; MietSlg.35.105/31). Entspricht das Werk diesen Voraussetzungen nicht, ist es mangelhaft. Wesentlich sind alle Mängel, wegen welcher das Werk den Zweck, den es nach der ausdrücklichen Vereinbarung oder nach seiner Natur zu erfüllen hat, zu erfüllen nicht oder nur so unvollkommen imstande ist, daß es nach der Auffassung des Verkehrs unbrauchbar ist (JBl.1988, 448; WBl 1989, 307; SZ 50/85; SZ 49/60). Bei Vorliegen von wesentlichen, wenn nur nicht leicht behebbaren Mängeln, kann der Besteller stets Wandlung begehren (SZ 49/60; 1 Ob 707/85 ua). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen entspricht es der Branchenauffassung, daß eine Direkt-Mailing-Verkaufsaktion, wie sie von der beklagten Partei der klagenden Partei in Auftrag gegeben wurde, ihrem Wesen nach kostendeckend sein soll. Bei Wahl einer offenen Zielgruppe muß bei einer solchen Aktion unbedingt ein sogenannter Akzeptanztest durchgeführt werden. Das Ansprechen einer offenen Zielgruppe ohne Akzeptanztest ist für eine solche Aktion nicht geeignet. Da die klagende Partei die Werbeaktion ohne vorhergehenden Akzeptanztest an eine offene Zielgruppe richtete, kann es nach den obgenannten Grundsätzen nicht zweifelhaft sein, daß die Werbeaktion mangelhaft war. Der Mangel ist auch als wesentlicher zu qualifizieren, konnte doch infolge dieses Mangels die Werbeaktion ihren Zweck von vornherein nicht bzw. nur unvollkommen erreichen. Der Mangel hätte auch nur durch eine Wiederholung der Aktion bei Auswahl einer passenden Zielgruppe oder nach vorherigem Akzeptanztest behoben werden können, sodaß er keinesfalls als leicht behebbar angesehen werden kann. Die klagende Partei hat allerdings behauptet, die beklagte Partei habe auf einen Akzeptanztest verzichtet. Das Erstgericht hat darüber keine Feststellung getroffen. Eine Verfahrensergänzung ist jedoch entbehrlich. Selbst bei Zutreffend dieser Behauptung hätte die klagende Partei für den Mangel einzustehen. Es steht nämlich fest, daß sie die beklagte Partei über die Notwendigkeit eines solchen Testes und die Sinnlosigkeit der Aktion ohne ihn nicht belehrt hat. Bei Verletzung der Warnpflicht durch den Unternehmer hat dieser auch dann für den Mangel des Werkes voll einzustehen, wenn der Besteller, wie hier von der klagenden Partei durch Verzicht auf den Test behauptet wird, am Mißlingen des Werkes mitgewirkt hat. Ohne Bedeutung ist hiebei, ob der Unternehmer die offenbare Unrichtigkeit der Anweisung des Bestellers nicht erkannt hat oder aber diese zwar erkannt, aber den Besteller trotzdem nicht gewarnt hat (Adler-Höller aaO 392). Die Voraussetzungen für eine Wandlung nach § 1167 ABGB sind somit gegeben. Der Wandlungsanspruch der beklagten Partei wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß durch die Aktion die Ziele einer allgemeinen Werbung (allgemeine Werbeziele) jedenfalls zum Teil (allerdings nur in sehr eingeschränktem Ausmaß) erreicht (durch die Aktion gleichsam mitgenommen, AS 137 ON 28) wurden. Liegen die Voraussetzungen für eine Wandlung vor, hat dies zur Folge, daß der Besteller den vereinbarten oder angemessenen Werklohn nicht zu bezahlen hat. Da die Wandlung wie ein Rücktritt vom Vertrag wirkt, gibt sie überdies beiden Teilen einen bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch (Koziol-Welser8 I 244; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1435). Die beklagte Partei könnte demnach die bereits geleistete Teilzahlung zurückfordern, müßte aber auch ihrerseits das bereits Erhaltene zurückstellen bzw. für den erlangten Vorteil eine angemessene Vergütung leisten. Solche Rückabwicklungsansprüche wurden aber hier nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und sind infolge Bindung des Gerichtes an den sich aus dem Parteienvorbringen ergebenden Streitgegenstand nicht zu erörtern (RZ 1979/16). Aus dem gleichen Grund war es den Vorinstanzen verwehrt, eine Entgeltminderung vorzunehmen, weil die beklagte Partei von ihrem Wahlrecht, anstelle der Wandlung Entgeltminderung zu begehren, nicht Gebrauch gemacht und einen Entgeltminderungsanspruch nicht geltend gemacht hat. Eine Versäumung der Gewährleistungsfrist wurde von der klagenden Partei nie behauptet. Von Amts wegen ist sie nur dann wahrzunehmen, wenn sie aus den Prozeßakten klar hervorgeht (SZ 54/81 ua). Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Aktenlage spricht vielmehr dafür, daß die beklagte Partei den Mangel fristgerecht gerügt hat, wodurch dann aber die einredeweise Geltendmachung der Gewährleistungsansprüche perpetuiert wurde (§ 933 Abs.2 ABGB).
Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E22439European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00669.9.1206.000Dokumentnummer
JJT_19901206_OGH0002_0070OB00669_9000000_000