Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Parteien 1. Hans H***, Angestellter, 2. Renate H***, Angestellte, 3. Dr.Peter S***, Bundesbediensteter,
4. Elisabeth S***, Angestellte, 5. Jutta K***-B***, Graphikerin, 6. Günther K***, Angestellter, 7. Dipl.Ing.Gerhard P***, Techniker, und 8. Gerlinde P***, Angestellte, alle Schlöglgasse 15, 1120 Wien, und vertreten durch Dr.Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei Gemeinnützige Bauvereinigung W*** Gesellschaft mbH, Döblinger
Hauptstraße 68, 1190 Wien, vertreten durch Dr.Alfred Peter Musil, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herstellung einer Vollwärmeschutzfassade, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 4.Oktober 1990, GZ 2 R 157/90-118, womit der Exekutionsbewilligungsbeschluß des Handelsgerichtes Wien vom 23. Feber 1990, GZ 36 Cg 270/87-112, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der erstgerichtliche Beschluß wieder hergestellt.
Die Rekurskosten hat die verpflichtete Partei selbst zu tragen. Die Revisionsrekurskosten werden mit S 27.350 (darin S 4.558,33 Umsatzsteuer) als weitere Kosten dieses Exekutionsverfahrens bestimmt.
Text
Begründung:
Der von Wohnungseigentümern gegen die belangte Gemeinnützige Bauvereinigung geführte Rechtsstreit wurde durch einen gerichtlichen Vergleich am 21.Dezember 1989 beendet: Die Bauvereinigung verpflichtete sich, die in dem Kostenvoranschlag einer Bauunternehmung enthaltenen Arbeiten ehest möglich, spätestens beginnend Ende Jänner 1990, "soferne dies witterungsbedingt möglich ist", kontinuierlich auf eigene Kosten und Gefahr, abschließend spätestens mit 30.April 1990 durchzuführen.
Das Erstgericht bewilligte den betreibenden Parteien auf Grund dieses Vergleiches am 23.Feber 1990 die Exekution zur Erwirkung der vorzunehmenden vertretbaren Handlung, ermächtige sie, die Arbeiten auf Kosten der verpflichteten Partei durch die Bauunternehmung vornehmen zu lassen und trug der verpflichteten Partei die Vorauszahlung der Kosten von S 672.782,82 auf. Die Entscheidung über den weiteren Antrag auf Bewilligung der Fahrnis- und Forderungsexekution zur Hereinbringung der Vorauszahlung und der Exekutionskosten wurde dem Exekutionsgericht vorbehalten. Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag ab. Die Leistungsfrist sei im Titel zwar mit "Ende Jänner 1990" angegeben, ihr Eintritt aber von der bejahenden Bedingung abhängig gemacht, daß die vorzunehmende Fassadenherstellung "witterungsbedingt möglich" ist. Den Eintritt dieser Bedingung hätten die betreibenden Gläubiger weder durch eine öffentliche noch eine öffentlich beglaubigte Urkunde iSd § 7 Abs 2 EO nachgewiesen. Es sei auch nicht gerichtsnotorisch, daß die auszuführenden Arbeiten an der Fassade bei der milden Witterung Ende Jänner 1990 möglich waren, weil nicht bekannt sei, bei welchen Temperaturen daran gearbeitet werden könne. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Nach dem Wortlaut des Exekutionstitels hat die verpflichtete Partei bestimmte, durch die Aufzählung in einem Kostenvoranschlag umschriebene Fassadenarbeiten an der Baulichkeit ehest möglich, also ab dem Tag des Vergleichsabschlusses, beginnend spätestens Ende Jänner 1990, sofern dies witterungsbedingt möglich ist, kontinuierlich und abschließend spätestens mit 30.April 1990 vorzunehmen gehabt. Die in den Vergleichstext aufgenommene Einschränkung, daß die Verpflichtung von der Wetterlage abhängt, bedeutet nichts anderes, als daß der verpflichteten Partei nicht vorgeworfen werden kann, sie sei mit der übernommenen Leistung in Verzug, wenn sich die Verzögerung daraus ergibt, daß die (jeweils) anstehenden Arbeiten an der Außenfassade infolge der Wetterlage nicht (ordnungsgemäß) ausgeführt werden können. Der Einschubsatz bezieht sich sowohl auf den Beginn der Fassadenarbeiten als auch auf deren kontinuierliche (zügige) Abwicklung und deren Abschluß, es trifft die verpflichtete Partei daher kein Vorwurf, wenn sie infolge witterungsbedingter Umstände außerstande ist, die übernommene Fassadenherstellung rechtzeitig zu beginnen, laufend fortzuführen und rechtzeitig zum Abschluß zu bringen und die jeweils erforderlichen Veranlassungen zur Ausführung der Bauarbeiten zu treffen.
Ist im Exekutionstitel die Vollstreckbarkeit des Anspruches von dem seitens des Berechtigten zu beweisenden Eintritt einer Tatsache abhängig gemacht, so muß der Eintritt der für die Fälligkeit oder Vollstreckbarkeit des Anspruches maßgebenden Tatsachen mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden bewiesen werden (§ 7 Abs 2 Satz 2 EO).
Diese Bestimmung ist nur anzuwenden, wenn im Exekutionstitel die Fälligkeit oder die Vollstreckbarkeit des Anspruches vom Eintritt einer Tatsache abhängig gemacht ist und der Beweis dieser Tatsache dem Berechtigten obliegt. Trifft auch nur eine dieser Voraussetzungen nicht zu, sei es, daß der Eintritt der Tatsache nicht zur Bedingung gemacht ist, sei es, daß der Beweis nach dem Inhalt des Exekutionstitels nicht dem Berechtigten obliegt, so ist die Exekution ohne Nachweis der Tatsache zu bewilligen (Heller-Berger-Stix 195). Ob eine Tatsache vom Berechtigten zu beweisen ist, hängt vielfach von der objektiv vorzunehmenden Auslegung des Exekutionstitels ab (Heller-Berger-Stix 196). Während bei einer bejahenden Bedingung in jedem Fall der betreibende Gläubiger ihren Eintritt durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde zu beweisen oder sonst erst einen weiteren Titel nach § 10 EO zu erwirken hat, obliegt es dem Gläubiger nicht, zu beweisen, daß der Schuldner mit der Erbringung der geschuldeten Leistung in Verzug geraten ist (vgl SZ 27/28).
Im vorliegenden Fall wurde die Fälligkeit und Vollstreckbarkeit des Anspruches der betreibenden Parteien im Titel nicht von dem Eintritt der Tatsache, daß die Wetterlage eine fachgerechte Arbeitsausführung zuläßt, abhängig gemacht und es ist auch nicht vereinbart, daß der Beweis dieser Tatsache den betreibenden Wohnungseigentümern obliegt.
Nach dem klaren Wortlaut des Exekutionstitels sollten die Arbeiten an der Hausfassade rasch und zügig vorgenommen und daher ehestens - spätestens Ende Jänner 1990 - begonnen, kontinuierlich fortgesetzt und bis Ende April 1990 beendet werden. Daraus folgt, daß die Parteien wohl nicht unterstellten, daß erst in einem neuen Prozeß eine Titelergänzung erfolgen solle, denn ob an jeweils einem Tag die Arbeit begonnen, also etwa die Eingerüstung in Angriff genommen werden konnte oder ob witterungsbedingte Umstände entgegenstanden, ließ sich durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nicht beweisen, würde es doch eines neuen Sachverständigengutachtens bedürfen. Es ist daher davon auszugehen, daß hier nicht die betreibenden Parteien zu beweisen hatten, daß witterungsbedingte Umstände die geschuldete Leistung nicht hinderten, sondern daß die Geltendmachung eines solchen Hindernisses der verpflichteten Partei mit den nach den §§ 35 ff EO zur Verfügung stehenden Mitteln vorbehalten blieb. Die im Titel enthaltene Einschränkung, daß die witterungsabhängigen Fassadenarbeiten nur unter Bedachtnahme auf die Wetterlage auszuführen waren, ist nicht als Bedingung iSd § 7 Abs 2 Satz 2 EO aufzufassen, sondern einer auflösenden Bedingung ähnlich, deren Nachweis dem Verpflichteten obliegt (GlUNF 843; GlUNF 7065; SZ 51/125 ua). Die Verpflichtung selbst ist mit dem genannten Termin Ende Jänner fällig geworden. Es ist daher die Exekution zu bewilligen gewesen, ohne daß die betreibenden Wohnungseigentümer den Beweis zu erbringen hatten, daß die verpflichtete Partei nach dem Ablauf der für den Beginn der zu erbringenden Leistung gesetzten Frist in Verzug geraten war, weil witterungsmäßige Hindernisse der Aufnahme der Fassadenarbeit nicht entgegenstanden.
Dies führt zur Wiederherstellung des erstrichterlichen Exekutionsbewilligungsbeschlusses. Es bestehen auch keine Bedenken, die betreibenden Parteien zu ermächtigen, die vorzunehmende Handlung durch die Bauunternehmung ausführen zu lassen, deren Voranschlag zur Bestimmung des Leistungsumfanges im Exekutionstitel zugrunde gelegt wurde, wenn es auch der verpflichteten Partei nach dem Titel freistand, auch jeden anderen Unternehmer mit der Ausführung zu betrauen (Heller-Berger-Stix 2553; SZ 27/200 ua; JBl 1986, 257 = MietSlg 36.895/50 betrifft den besonders gelagerten Fall der Exekution zur Erwirkung der Übernahme des Bestandobjektes). Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 EO.
Anmerkung
E22593European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00129.9.1212.000Dokumentnummer
JJT_19901212_OGH0002_0030OB00129_9000000_000