Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** A*** I*** A*** L***, Kärntner Straße 25, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Erich Gibel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien
1.) Werner H***, Hauseigentümer, Opernring 9, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Franz J. Salzer, Rechtsanwalt in Wien, 2.) G*** Allgemeine Lebensversicherungs AG, Landskrongasse 1-3, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Alfred Haberhauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abgabe einer Willenserklärung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Mai 1990, GZ 41 R 244/90-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11. Dezember 1989, GZ 48 C 539/89 b-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Nach dem Klagevorbringen hat die klagende Partei im Jahre 1962 mit den beiden Beklagten, die je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 833 KG Innere Stadt, Grundstück Opernring 5, sind, einen Mietvertrag über die dort gelegenen Geschäftslokale top Nr. 2a, 2 1/2 und 5 sowie weitere Räumlichkeiten geschlossen. In diesem Vertrag sei ihr ausdrücklich das Recht zugestanden worden, über dem gemieteten Geschäftslokal ein Schild und eine nicht intermittierende Leuchtreklame in demselben Ausmaß wie der bisherige Mieter anzubringen. Weiters sei hierin vereinbart worden, daß sie das Mietobjekt an eine solvente und gut beleumundete Person oder Firma untervermieten dürfe, jedoch nur zum Betrieb eines Reise- oder Fluglinienbüros oder eines im Hause nicht bereits vertretenen Geschäftszweiges. Im Jahre 1985 habe sie das Bestandobjekt an die Firma M***-Reisen GesmbH untervermietet und dieser ebenfalls das Recht zur Anbringung einer Leuchtreklame und Firmentafel zugestanden. Es sei für die Anbringung der Leuchtschildreklame über dem Geschäftslokal die Erteilung einer Baubewilligung und für das diesbezügliche Bauansuchen die Zustimmung der Grundeigentümer in Form der Mitunterfertigung des Bauansuchens erforderlich. Demgemäß sei vom Magistrat der Stadt Wien an die Untermieterin die Aufforderung zur Beibringung der Einwilligung der Grundeigentümer ergangen. Zufolge deren Weigerung habe die Untermieterin eine Klage gegen die beiden Grundeigentümer eingebracht, die jedoch mangels einer zwischen diesen und der Untermieterin bestehenden Vertragsbeziehung rechtskräftig abgewiesen worden sei. Die Untermieterin verlange nunmehr von der klagenden Partei die Vertragszuhaltung. Mehrere von dieser an die beiden beklagten Parteien als Bestandgeber gerichtete Ersuchen um Unterfertigung der Pläne seien erfolglos geblieben. Deren Verweigerung sei vertragswidrig und verletze wichtige Interessen der klagenden Partei als Bestandnehmerin. Demgemäß werde der Urteilsantrag gestellt, die beklagten Parteien schuldig zu erkennen, der Anbringung eines nicht intermittierenden Leuchtschildes, wie aus den vier beiliegenden Plänen ersichtlich, in 1010 Wien, Opernring 9, zuzustimmen und die vier dieser Klage angeschlossenen Originalpläne (Beilagen ./2, ./3, ./4 und ./5) über die Situation einer Lichtwerbung der Firma M***-Reisen Gesellschaft mbH 1010 Wien, Opernring 9, als Hauseigentümer zu unterfertigen.
Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendeten ua. mangelnde Passivlegitimation ein, weil hinsichtlich des Eigentumsanteiles des Erstbeklagten Fruchgenußrechte einverleibt seien und das Klagebegehren daher gegen die Fruchtgenußberechtigten als Bestandgeber zu richten sei. Demgemäß fehle auch der zweitbeklagten Partei als bloßer Hälfteeigentümerin die passive Klagslegitimation.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es stellte fest, daß der Erstbeklagte und die zweitbeklagte Partei je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft Wien 1., Opernring 9, sind und hinsichtlich eines Zwölftels des Miteigentumsanteiles des Erstbeklagten ein Fruchtgenußrecht für Frau Charlotte G*** sowie hinsichtlich von fünf Zwölfteln seines Miteigentumsanteiles das Fruchtgenußrecht für Helga H*** bücherlich einverleibt ist.
Unter Bedachtnahme auch auf das beiderseitige Parteienvorbringen vertrat das Erstgericht die Rechtsansicht, die Klage könne nicht gegen den Erstbeklagten, sondern nur gegen die beiden Fruchtgenußberechtigten gerichtet werden, welche die Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse hinsichtlich seines Liegenschaftsanteiles ausübten. Da er somit nicht passiv legitimiert erscheine und zwischen ihm und der zweitbeklagten Partei eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 14 ZPO bestehe, sei die Klage gegen beide beklagten Parteien abzuweisen.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß die Revision nicht zulässig sei. In seiner Entscheidungsbegründung trat das Berufungsgericht dem erstgerichtlichen Standpunkt bei, daß der Erstbeklagte nicht Vertragspartner der klagenden Partei sei, weil an seiner Stelle gemäß § 1120 ABGB die beiden Fruchtgenußberechtigten in den Bestandvertrag eingetreten seien. Somit hätten diese die Zustimmung zur Anbringung des Leuchtreklameschildes zu erteilen und die diesbezüglichen Pläne zu unterfertigen. Die zweitbeklagte Partei sei als bloße Hälfteeigentümerin zur Erteilung der begehrten Zustimmung als einer Verwaltungsmaßnahme nicht befugt.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die klagende Partei eine auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revision mit dem Antrage, diese aus den im einzelnen dargelegten Gründen zuzulassen, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Revisionswerberin führt aus, im gegenständlichen Falle gehe es um die im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage, ob der Fruchtnießer hinsichtlich bestehender Bestandverträge auch in jene Rechte und Pflichten des Liegenschaftseigentümers als vormaligen Bestandgebers eintrete, welche seine Kompetenz als Fruchtnießer überstiegen. Da gemäß § 63 Wiener BauO Bauansuchen der Unterfertigung durch den Liegenschaftseigentümer bedürften, reiche es nicht aus, daß der Fruchtnießer unterzeichne. Der Fruchtnießer selbst könne im Bestandvertrag auch keine Rechte einräumen, zu deren Verwirklichung die Unterfertigung durch den Liegenschaftseigentümer erforderlich sei. Er dürfe grundsätzlich die Substanz nicht umgestalten und bauliche Veränderungen auf der Liegenschaft nicht vornehmen. Im vorliegenden Falle habe der Erstbeklagte der klagenden Partei Bestandrechte eingeräumt. Die spätere Bestellung von Fruchtgenußrechten auf seinem Hälfteanteil habe zwar den Eintritt der Fruchtgenußberechtigten in die Bestandgeberposition bewirkt; die Annahme, daß der Fruchtnießer auch in vertragliche Verpflichtungen eintrete, deren Erfüllung ihm gar nicht möglich sei bzw. die er gegenüber einem Bestandnehmer gar nicht übernehmen könne, sei aber widersinnig und geradezu denkunmöglich. Ob ein vertraglicher Anspruch auf Abgabe von Zustimmungserklärungen durch mehrere Grundstückseigentümer als Vertragsparteien deswegen gegen den einzelnen Vertragspartner nicht geltend gemacht werden könne, weil eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO vorliege, sei eine weitere, im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage. Da es sich dabei um einen Leistungsanspruch handle, sei diese Frage zu verneinen.
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft die Revisionswerberin sodann die Ansichten der Vorinstanzen, daß der Erstbeklagte wegen der bestehenden Fruchtgenußrechte nicht passiv legitimiert sei und eine einheitliche Streitgenossenschaft nach § 14 ZPO vorliege bzw. die zweitbeklagte Partei zur Abgabe einer Zustimmungserklärung allein nicht befugt sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig und auch gerechtfertigt.
Nach ständiger Rechtsprechung tritt der Fruchtnießer mit der Begründung des Fruchtgenußrechtes gemäß § 1120 ABGB in bestehende Bestandverträge ein (SZ 21/152; MietSlg 18.236 (16); SZ 43/83; EvBl. 1986/56 S. 212 uva). Ihm stehen sodann alle Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse zu (SZ 60/28; 4 Ob 506/89 ua). Bei einem Fruchtgenußrecht an einem Anteil einer im Miteigentum stehenden Sache übt er die dem Anteilseigentümer zustehenden Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse aus (MietSlg. 20.069; 1 Ob 682/88 ua). Davon unberührt bleiben aber jene vertraglichen Pflichten des bisherigen Bestandgebers gegenüber dem Bestandnehmer, die sich aus seiner Rechtsstellung als Hauseigentümers ergeben und nicht die dem Fruchtnießer zustehende Nutzung und Verwaltung der Sache betreffen. Gemäß § 63 Abs. 1 lit c Wiener BauO bedürfen Baubewilligungsansuchen der zustimmung der Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaft. Baupläne und Beschreibungen müssen gemäß § 65 Abs. 1 Wiener BauO auch vom Eigentümer (allen Miteigentümern) unterfertigt sein. Baubewilligungsbedürftig sind nach § 60 Abs. 1 lit c Wiener BauO auch Änderungen von Gebäuden, wenn durch sie das äußere Aussehen geändert wird.
Nach dem Vorbringen der klagenden Partei wurde ihr in dem im Jahre 1962 mit den Hauseigentümern abgeschlossenen Bestandvertrag die Untervermietung und das Recht zugestanden, über dem gemieteten Geschäftslokal ein Schild und eine nicht intermittierende Leuchtreklame anzubringen. Die klagende Partei macht im vorliegenden Rechtsstreit einen vertraglichen Anspruch gegen die beklagten Hauseigentümer geltend, den zu erfüllen, diese - unbeschadet der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse von Fruchtnießern weiterhin verpflichtet sind. Da Bauansuchen nach den dargestellten baurechtlichen Bestimmungen der Unterfertigung durch den Eigentümer (Miteigentümer) bedürfen, kann die klagende Partei im Falle der Richtigkeit ihrer Klagebehauptungen somit jedenfalls auf Grund des Vertrages von den Beklagten die erforderliche Mitwirkung begehren. Die spätere Bestellung von Fruchtgenußrechten am Miteigentumsanteil des Erstbeklagten steht dessen Passivlegitimation in diesem Rechtsstreit demgemäß keinesfalls entgegen.
Da die Vorinstanzen wegen ihrer vom 8. Senat des Obersten Gerichtshofes nicht gebilligten Rechtsansicht auf das weitere bisherige Parteienvorbringen und die Beweisanbote bisher nicht eingingen und die zur Beurteilung des Falles erforderlichen weiteren Sachverhaltsfeststellungen unterließen, bedarf die Rechtssache einer Verfahrensergänzung und war zu diesem Zwecke an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E22620European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00678.9.1213.000Dokumentnummer
JJT_19901213_OGH0002_0080OB00678_9000000_000