Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Dezember 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Leopold P*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs 1 StGB
I. über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Leopold P***, Roman P*** und Harald R*** und der Helene S*** als gesetzliche Vertreterin des Angeklagten P*** sowie über die Berufung des Angeklagten Djordje N*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 15.Oktober 1990, GZ 9 a Vr 616/90-42, und II. über die Beschwerden der Angeklagten Leopold P***, Roman P*** und Djordje N*** und der Helene S*** gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 15. Oktober 1990, GZ 9 a Vr 616/90-42, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten P***, P*** und R*** auch die bisherigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil wurden der am 9.Mai 1972 geborene Leopold P***, der am 30.Jänner 1972 geborene Roman P***, der am 8.August 1972 geborene Djordje N*** und der am 4.Juli 1971 geborene Harald R*** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach den §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Ihnen liegt zur Last, am 30.Mai 1990 in (der Sonderanstalt für Jugendliche) Gerasdorf im einverständlichen Zusammenwirken dadurch den Peter R*** mit schwerer gegen ihn gerichteter Gewalt und durch eine gegen ihn gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gewalt für Leib oder Leben zur Vornahme eines Oralverkehrs, sohin einer dem Beischlaf entsprechenden geschlechtlichen Handlung, zu nötigen versucht zu haben, indem sie ihm Faustschläge sowie Schläge mit der flachen Hand versetzten, zeitweise die Zellentür versperrten und P*** sich überdies äußerte, er werde ihm "den Schädel einschlagen", wobei er eine mit einem Nagel versehene abgebrochene Besenstange in der Hand hielt.
Rechtliche Beurteilung
Der Schuldspruch wird von den Angeklagten P*** und
R*** mit jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5 a StPO, vom Angeklagten P*** mit auf die Z 5 und 10 dieser Gesetzesstelle gestützten Nichtigkeitsbeschwerden bekämpft; der Angeklagte N*** zog die von ihm angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurück. Helene S***, die Mutter und gesetzliche Vertreterin des Angeklagten P***, meldete gegen das Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, ohne daß dabei Nichtigkeitsgründe bezeichnet wurden; diese Rechtsmittel wurden nach Zustellung einer Urteilsausfertigung ebenso wie eine gegen einen Beschluß nach dem § 494 a StPO angemeldete Beschwerde nicht ausgeführt. Die Nichtigkeitsbeschwerde der Helene S*** wäre mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen (§ 285 a Z 2 StPO) schon vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes zurückzuweisen gewesen (§ 285 b Abs 1 StPO). Da dies unterblieb, war die Zurückweisung vom Obersten Gerichtshof zu verfügen (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO).
Den ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten P***, P*** und R*** kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten
P***:
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers besteht kein Widerspruch (Z 5) zwischen Urteilsspruch (mit dem Ausspruch schwerer gegen das Tatopfer gerichteter Gewalt und einer Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gewalt für Leib oder Leben) und jenen Ausführungen in den Entscheidungsgründen (US 15), wonach die Angeklagten die Tat "nicht mit überlegener körperlicher Gewalt verwirklichen wollten", denn mit der zuletzt bezeichneten Wendung brachte das Schöffengericht - wie die Urteilsgründe insgesamt der Sache nach zeigen - ersichtlich nur illustrativ-überflüssig zum Ausdruck, den Angeklagten sei es (zunächst) darauf angekommen, daß sich das Opfer letztlich "von sich aus" und damit sich selbst erniedrigend zu einem Oralverkehr bereitfinden sollte (US 11, 13). Die weiteren, die behaupteten Nichtigkeitsgründe nicht gesondert darstellenden Ausführungen des Beschwerdeführers sind inhaltlich als Tatsachenrüge (Z 5 a) zu werten:
Das darin enthaltene Bestreiten der im Urteil festgestellten (US 11 ff) subjektiven, in die Richtung einer Erzwingung eines Sexualaktes gehenden Tatseite vermag aber im Licht des gesamten, vom Schöffengericht einer eingehenden Würdigung unterzogenen Beweismaterials keine erheblichen Bedenken gegen die bekämpften entscheidungswichtigen Tatsachenfeststellungen zu erwecken.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P***:
Der Vorwurf in der Mängelrüge (Z 5), das Schöffengericht hätte bei seiner Feststellung des auf Herbeiführung eines Sexualaktes gerichteten Vorsatzes der Angeklagten Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen, trifft nicht zu:
Das Schöffengericht zog nämlich die einen solchen Vorsatz leugnenden Verantwortungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung in den Kreis seiner beweiswürdigenden Betrachtungen mit ein (US 13), hielt aber demgegenüber die Bekundungen des Zeugen R*** - vor allem jene im Vorverfahren - für überzeugend (US 13, 15 f). Es war im Interesse der gebotenen gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gehalten, sich auch noch mit einzelnen Sätzen aus den - im Urteil summarisch zutreffend wiedergegebenen - Verantwortungen der Angeklagten gesondert auseinanderzusetzen.
Ebensowenig bedurfte es eines Eingehens auf die Behauptungen der Angeklagten, nicht homosexuell veranlagt zu sein, denn das konstatierte Bestreben, einen neu zugegangenen Strafgefangenen zu demütigen, steht in keinem diese Zielrichtung ausschließenden Zusammenhang mit homosexueller Neigung.
Desgleichen mußte sich das Schöffengericht nicht mit nachträglichen - weit hergeholten und kaum nachzuvollziehenden - Mutmaßungen des Zeugen R***, die Angeklagten könnten sich vielleicht doch mit ihm "einen Spaß" erlaubt haben, auseinandersetzen, weil es sich dabei jedenfalls nicht um eine Tatsachenbekundung handelt.
Soweit der Beschwerdeführer in weiterer Darstellung seiner Mängelrüge erneut unter Bezugnahme auf eine heterosexuelle Veranlagung der Angeklagten die These entwickelt, die Täter hätten durch Aufforderung zum Oralverkehr, deren Ablehnung erwartet worden sei, nur Gelegenheit zum Streit mit R*** gesucht, unternimmt er einen im Rechtsmittelverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile nach wie vor unzulässigen Versuch der Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Die in der Mängelrüge des weiteren bekämpfte Feststellung, wonach der Angeklagte P*** dem Zeugen R*** drohte, er werde ihn mit der abgebrochenen Besenstange, aus der ein Nagel herausragte, prügeln und ihm (damit) "den Schädel einschlagen", wenn er nicht einen Oralverkehr vollziehe (US 11), ist nicht aktenwidrig. Zu seiner Folgerung kommt der Beschwerdeführer nur, indem er einen Teil der Aussage R*** in der Hauptverhandlung (über eine in der Möglichkeitsform gehaltene Formulierung der Drohung) aus dem Zusammenhang nimmt und die unmittelbar davor stehende Bekundung über den Sinngehalt der Drohung (S 238) ebenso übergeht wie die unmißverständlichen Aussagen des Zeugen im Vorverfahren (S 12, 95), die er in der Hauptverhandlung eingangs seiner Vernehmung ausdrücklich aufrecht erhielt (S 217). Von einer Aktenwidrigkeit - die im übrigen nur in der unrichtigen Wiedergabe des Inhaltes eines Beweismittels im Urteil bestehen könnte (Mayerhofer-Rieder StPO2 E 185 zu § 281 Abs 1 Z 5) - kann demnach keine Rede sein.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) ist nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Dazu wäre nämlich ein Festhalten am gesamten vom Erstgericht festgestellten Urteilssachverhalt und ein Vergleich mit dem Gesetz erforderlich. Diesem Gebot entspricht sie nicht. Sie unterstellt nämlich - abweichend von den Urteilsfeststellungen, wonach die Tätlichkeiten und die Drohung P*** vom
gemeinsamen Vorsatz aller Angeklagten umfaßt waren (US 15, 16, 18) -, daß der Beschwerdeführer die Drohung P*** nicht zu verantworten habe und betrachtet von dieser urteilsfremden Prämisse ausgehend isoliert die als leicht beurteilten Folgen der durch die Tätlichkeiten verursachten Verletzungen. Sie läßt dabei außerdem den konstatierten Umstand außer acht, daß sich die tätlichen Attacken gegen R***, verbunden mit der Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit, mehr als zwei Stunden lang hinzogen (US 17), ein Umstand, der für die Beurteilung als schwere Gewalt im Sinn des § 201 Abs 1 StGB von wesentlicher Bedeutung war (Foregger-Serini, StGB4, Nachtrag 1989, Erl II zu § 201).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten R***:
Soweit dieser Angeklagte in der Mängelrüge (Z 5) moniert, daß die Aussage R*** in der Hauptverhandlung unbeachtet geblieben sei, wonach der Beschwerdeführer nicht auf R*** eingeschlagen habe (S 245), ist auch er darauf zu verweisen, daß sich das Erstgericht mit den - bezogen auf die Angaben im Vorverfahren - abgeschwächten Bekundungen des Zeugen in der Hauptverhandlung beschäftigte, diesen Umstand bei seiner Beweiswürdigung entsprechend wertete und das (Zeugen-)Vorbringen im Vorverfahren als verläßlicher erachtete (US 16): Im Vorverfahren hatte der Zeuge unmißverständlich deponiert, daß er auch von R*** mißhandelt wurde (S 12, 94 f). Nur am Rand bedarf es hiezu des Hinweises auf die tätliche Mißhandlungen eingestehende Verantwortung des Beschwerdeführers (S 100, 232). Gegen die Urteilsfeststellung, daß alle vier Angeklagten den Zeugen R*** zum Oralverkehr aufforderten (US 11), wendet sich der Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die Aussage R*** in der Hauptverhandlung, daß ihn (nur) N*** und P*** zum "blasen" aufgefordert hätten (S 238). Damit übergeht er jedoch die weiteren Bekundungen des Zeugen, daß alle vier Angeklagten (bei den Mißhandlungen und der Drohung) wußten, worum es ging (S 239), und demnach daran mitwirkten, R*** zu einem Sexualakt mit N*** oder P*** zu zwingen.
Der Beschwerdeführer verkennt bei seinen Ausführungen augenscheinlich, daß er als Mittäter schon dann haftet, wenn das Opfer zu einem beischlafsähnlichen Sexualakt mit nur einem der mehreren Mittäter gezwungen werden soll (Foregger-Serini aaO Erl IV zu § 201). Demnach betrifft sein Einwand überdies ebensowenig eine entscheidende Tatsache im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO wie der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer nicht zu R*** auf das Bett legte.
Die Tatsachenrüge (Z 5 a), die erneut darauf abstellt, daß R*** nur zu Sexualakten mit P*** und N*** genötigt werden sollte, wobei isoliert die (abgeschwächte) Aussage R*** in der Hauptverhandlung hervorgekehrt wird, vermag keine erheblichen Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes zu erwecken. Aus den angeführten Gründen waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden teils als nicht oder nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).
Die Entscheidung über die Berufungen - auch über jene der Helene S*** im Hinblick auf die nur einen Punkt umfassende Unrechtsfolge (§ 294 Abs 2 StPO) - sowie über die Beschwerden gegen den mit dem Strafausspruch im Zusammenhang stehenden Beschluß auf Widerruf bedingter Strafnachsichten fällt dem Oberlandesgericht Wien zu (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung ist in der zitierten Gesetzesstelle verankert.
Anmerkung
E22527European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00131.9.1214.000Dokumentnummer
JJT_19901214_OGH0002_0110OS00131_9000000_000