TE OGH 1990/12/14 16Os42/90

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Veröffentlicht am 14.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 1990 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden sowie durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Müller und Dr. Kießwetter und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Siegl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Walter R*** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Vorgang, daß der Widerruf der Strafvollzugsanordnung des Bezirksgerichtes Spittal an der Drau vom 16. Juni 1988, GZ 9 U 164/87-5, nach Bezahlung der ausständigen Geldstrafe am 11. Juli 1989 unterlassen und die Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen in der Zeit vom 24. Oktober 1989 bis zum 23. November 1989 vollzogen wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Walter R*** wegen § 83 Abs. 2 StGB, AZ 9 U 164/87 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau, wurde durch die Unterlassung des Widerrufs der Strafvollzugsanordnung vom 16. Juni 1988, ON 5, nach Bezahlung der ausständigen Geldstrafe am 11. Juli 1989 und den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen in der Zeit vom 24. Oktober 1989 bis zum 23. November 1989 das Gesetz in der Bestimmung des § 409 Abs. 3 StPO verletzt. Die bezeichnete Strafvollzugsanordnung sowie der (unter anderem) darauf beruhende Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. Jänner 1990, AZ 4 BE 355/89, mit welchem Walter R*** am 24. Jänner 1990 gemäß § 46 Abs. 2 StGB nach Verbüßung von drei Monaten aus den über ihn mit den Strafurteilen des Bezirksgerichtes Spittal/Drau zu 9 U 164/87, 9 U 91/88 und 9 U 265/88 verhängten, unmittelbar nacheinander zu vollziehenden Freiheitsstrafen mit einem für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Strafrest von einem Monat und fünfzehn Tagen bedingt entlassen worden ist, werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht Klagenfurt die neuerliche Entscheidung über die bedingte Entlassung aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 21. Dezember 1987, GZ 9 U 164/87-3, wurde Walter R*** des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen a 40 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Infolge Uneinbringlichkeit dieser Geldstrafe (von 2.400 S) ordnete das Bezirksgericht Spittal/Drau am 16. Juni 1988 den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen an, stellte die Strafvollzugsanordnung StPOForm StV 1 dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus Klagenfurt zu und forderte den Verurteilten mit StPOForm StV 8 zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe auf (ON 5). Da Walter R*** die Ersatzfreiheitsstrafe bis 7. September 1988 nicht angetreten hatte, veranlaßte das Bezirksgericht Spittal/Drau an diesem Tag die Vorführung des Genannten zum Strafantritt durch den Gendarmerieposten Flattach (S 23 d.A). Diesen Vorführungsbefehl stellte der Gendarmerieposten Flattach am 14. November 1988 unentsprochen mit der Mitteilung zurück, daß sich Walter R*** vermutlich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte (ON 7). Am 16. Juni 1989 teilte der Gendarmerieposten Kolbnitz dem Gericht mit Bezug auf den Vorführungsbefehl vom 7.September 1988 mit, daß Walter R*** sich wieder in Kolbnitz aufhält und die Bezahlung der Geldstrafe für 7. Juli 1989 angekündigt habe. Daraufhin verfügte der Richter des Bezirksgerichtes Spittal/Drau am 20. Juni 1989 (unter 1.) die Kalendierung des Aktes mit 10. Juli 1989 mit dem Beifügen: "Sodann betreibe Vorführung i.F. der Nichtzahlung der EFS" und (unter 2.) "Nach Vorführung bzw Zahlung der GS Fahn 2 an GP Kolbnitz" (ON 9).

Ersichtlich ohne den Akt neuerlich dem Richter vorzulegen, fertigte die Geschäftsabteilung am 12. Juli 1989 die Verfügung unter Punkt 1. ab (vgl den im Akt unjournalisiert erliegenden Vorführungsbefehl vom 20. Juni 1989, der allerdings das unrichtige Aktenzeichen 9 U 147/87 trägt).

Am 13. Juli 1989 teilte der Gendarmerieposten Kolbnitz dem Bezirksgericht Spittal/Drau mit, daß Walter R*** die Geldstrafe von 2.400 S am 11. Juli 1989 bezahlt hat und daher "von der Vorführung zum Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe abgesehen werden konnte" (ON 10 ohne Eingangsvermerk des Gerichtes). Am selben Tag (13. Juli 1989) bestätigte der Rechnungsführer des Bezirksgerichtes Spittal/Drau den Eingang der Geldstrafe bei Gericht (siehe die im Akt erliegende Zahlungsnachricht). Dies nahm der Richter zum Anlaß, den Beginn der Tilgungsfrist mit 13. Juli 1989 zu bezeichnen und davon das Strafregisteramt zu verständigen; gleichzeitig verfügte er mittels StPOForm Fahn 2 den Widerruf des Ersuchens um Ausforschung vom 18. November 1988 (siehe Rückseite der Zahlungsnachricht). Ein Widerruf der dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus Klagenfurt übermittelten Anordnung des Strafvollzugs ist unterblieben.

Am 23. August 1989 teilte der Gendarmerieposten Kolbnitz dem Bezirksgericht Spittal/Drau "zur Aufforderung vom 13. Juli 1989" (ersichtlich gemeint zu dem am 12. Juli 1989 abgefertigten Vorführungsbefehl vom 20. Juni 1989 mit dem unrichtigen Aktenzeichen 9 U 147/87) mit, daß der dort (unter P 194/89) registrierte Vorführungsbefehl (vom 7. September 1988; vgl S 31 d.A) "mit Bezahlung der Geldstrafe am 13. Juli 1989 erledigt" und "keine Erneuerung der Ausschreibung veranlaßt wurde" (ON 11). Inzwischen hatte das Bezirksgericht Spittal/Drau in den gleichfalls Walter R*** betreffenden Strafverfahren AZ 9 U 91/88 und 9 U 265/88, in welchen über den Genannten ebenfalls jeweils Geldstrafen, und zwar von 120 Tagessätzen und von 90 Tagessätzen, verhängt worden waren, infolge Uneinbringlichkeit (auch) dieser Geldstrafen am 6. Juli 1989 in beiden bezeichneten Verfahren den Vollzug der jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafe (in der Dauer von 60 Tagen und von 45 Tagen) angeordnet (ON 15 in 9 U 91/88 und ON 14 in 9 U 265/88). Am 2. Oktober 1989 veranlaßte das Bezirksgericht Spittal/Drau im Verfahren 9 U 265/88 die Vorführung des Walter R*** zur Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe von 45 Tagen (S 73 in 9 U 265/88). In Vollziehung dieses Auftrages wurde Walter R*** am 24. Oktober 1989 festgenommen und dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus Klagenfurt eingeliefert (ON 18 in 9 U 265/88). Bei seiner Festnahme wurde Walter R*** von der Gendarmerie auch die Aufforderung zum Strafantritt in Ansehung der im Verfahren 9 U 91/88 zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen zugestellt; dem Bezirksgericht Spittal/Drau teilte die Gendarmerie mit, daß Walter R*** "am 24. Oktober 1989 zur Verbüßung einer 75-tägigen Ersatzfreiheitsstrafe (Vorführungsbefehle des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 20. Juni 1989, Zl 9 U 147/87, und vom 2. Oktober 1989, Zl 9 U 265/88) in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Klagenfurt eingeliefert" wurde (ON 20 in 9 U 91/88). Im Akt 9 U 91/88 erliegt unter ON 19 auch eine ersichtlich zum Verfahren 9 U 164/87 gehörende Mitteilung des Gendarmeriepostens Kolbnitz, wonach Walter R*** auf Grund des "Vorführungsbefehls des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 20. Juni 1989, AZ 9 U 147/87" zur Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Klagenfurt eingeliefert wurde. Auf beide Mitteilungen reagierte der Richter im Verfahren 9 U 91/88 mit der Verfügung "Kal. Vollzugsbericht" (S 63, 65 in 9 U 91/88). Zum Akt 9 U 164/87 zeigte der Gendarmerieposten Flattach am 9. November 1989, "zu den Aufträgen des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 8. November 1989, Zl 9 U 164/87 und 9 U 201/88 (?)" an, daß Walter R*** vom Gendarmerieposten Kolbnitz in das landesgerichtliche Gefangenenhaus Klagenfurt eingeliefert wurde und "derzeit dort zur Verfügung steht", wobei auch mitgeteilt wurde, daß "die veranlaßte Ausschreibung in der Fahndung" widerrufen wurde (ON 12). Eine richterliche Verfügung zu diesen Mitteilungen des Gendarmeriepostens Flattach ist dem Akt nicht zu entnehmen. Am 27.November 1989 langte zu 9 U 164/87 der Bericht des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Klagenfurt über den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen ein (ON 13). Obwohl es aktenkundig war, daß Walter R*** die Geldstrafe von 2.400 S bereits am 11. Juli 1989 bezahlt hatte und daß bereits mit richterlicher Verfügung vom 13. Juli 1989 der Beginn der Tilgungsfrist mit diesem Tag bezeichnet worden war (siehe Rückseite der Zahlungsbenachrichtigung des Rechnungsführers), hielt der Richter nunmehr fest, daß die Tilgungsfrist mit 23. November 1989 zu laufen begonnen habe, wovon auch das Strafregisteramt verständigt wurde (S 39 d.A). Ersichtlich erst durch die Rückfrage des Strafregisteramtes vom 9. Feber 1990, wann nun die Tilgungsfrist tatsächlich zu laufen begonnen habe, wurde aufgedeckt, daß Walter R*** trotz Bezahlung der Geldstrafe die Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verbüßt hatte.

In der Zwischenzeit war Walter R*** mit Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. Jänner 1990, AZ 4 BE 355/89, gemäß § 46 Abs. 2 StGB nach Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafen von 30 Tagen (zu 9 U 164/87; bis 23. November 1989) und von 60 Tagen (zu 9 U 91/88; bis 22. Jänner 1990), am 24. Jänner 1990, sohin nach Verbüßung von drei Monaten, aus diesen unmittelbar nacheinander vollzogenen Strafen und der im Anschluß daran zu vollziehenden, im Verfahren 9 U 265/88 verhängten Ersatzfreiheitsstrafe (von 45 Tagen) mit einem Strafrest von einem Monat und 15 Tagen bedingt entlassen worden.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner deshalb gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht, wurde durch die Unterlassung des Widerrufs der Strafvollzugsanordnung vom 16. Juni 1988, GZ 9 U 164/87-5, nach Bezahlung der Geldstrafe am 11. Juli 1989 und den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen in der Zeit vom 24. Oktober 1989 bis zum 23. November 1989 das Gesetz in der Bestimmung des § 409 Abs. 3 StPO verletzt. Dem Verurteilten Walter R*** ist allerdings durch diese Gesetzesverletzung nur insoweit ein Nachteil erwachsen, als der im Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. Jänner 1990, AZ 4 BE 355/89, ausgewiesene und unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Strafrest unter Ausklammerung der unterlaufenen Gesetzesverletzung nur 15 Tage (und nicht einen Monat und 15 Tage) beträgt. Denn auch im Fall des Vollzugs nur der in den Verfahren zu 9 U 91/88 und 9 U 265/88 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau verhängten Ersatzfreiheitsstrafen von 60 Tagen und von 45 Tagen wäre eine bedingte Entlassung des Walter R*** erst nach Verbüßung von mindestens drei Monaten (§ 46 Abs. 2 StGB) der (nacheinander zu vollziehenden; vgl § 46 Abs. 4 StGB und § 1 Z 5 StVG) Freiheitsstrafen, sohin am 24. Jänner 1990 - an welchem Tag Walter R*** tatsächlich aus der Strafhaft bedingt entlassen wurde - möglich gewesen. Es war demnach in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes die unterlaufene Gesetzesverletzung festzustellen, zugleich aber der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 11. Jänner 1990, AZ 4 BE 355/89, aufzuheben und dem bezeichneten Gerichtshof aufzutragen, entsprechend der tatsächlichen Sach- und Rechtslage über die bedingte Entlassung neuerlich zu entscheiden.

Anmerkung

E22312

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0160OS00042.9.1214.000

Dokumentnummer

JJT_19901214_OGH0002_0160OS00042_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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