Kopf
Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch den stellvertretenden Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Hon.Prof.DDr. Dittrich, Dkfm.Dr. Grünwald, Mag. Kinscher, Dr. Lettner und Dr. Placek in der Nahversorgungsrechtssache des Antragstellers VSW-Verein für sauberen Wettbewerb, 5020 Salzburg, Mildenburggasse 6, vertreten durch Dr. Peter Raits, Dr. Alfred Ebner, Dr. Harald Lettner, Dr. Walter Aichinger und Dr. Peter Bleiziffer, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die Antragsgegnerin "f***" F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co, 6850 Dornbirn, Wallenmahd 46, vertreten durch Dr. Viktor Straberger, Rechtsanwalt in Wels, wegen Untersagung gemäß § 3 a Abs 1 NVG infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien vom 24. November 1989, NaV 15/88-46, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der VSW-Verein für sauberen Wettbewerb stellte den Antrag, der Antragsgegnerin gemäß § 3 a NVG bei sonstiger Exekution zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Waren, insbesondere Rauch "Happy Day Apfelsaft 1-Liter-Packung" unter dem Einstandspreis - das ist der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstigen Preisnachlässe ergibt, die der Antragsgegnerin vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungstellung eingeräumt werden, zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen -, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzuweisen. Mit dem angefochtenen Beschluß untersagte das Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien der Antragsgegnerin im geschäftlichen Verkehr Rauch "Happy Day Apfelsaft 1-Liter-Packung" unter dem Einstandspreis - das ist der Preis, der sich nach Abzug aller Rabatte oder sonstigen Preisnachlässe ergibt, die der Antragsgegnerin vom Lieferanten im Zeitpunkt der Rechnungstellung eingeräumt werden, zuzüglich der Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen -, zu verkaufen oder zum Verkauf anbzubieten. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren, der Antragsgegnerin zu untersagen, "Waren, insbesondere" Rauch Happy Day Apfelsaft 1-Liter-Packung unter dem Einstandspreis zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, wies das Kartellgericht (rechtskräftig) ab. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin mit den Anträgen, den Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag zur Gänze abgewiesen werde oder den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist unzulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus; es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 49/22, SZ 53/86, SZ 61/6; MR 1990, 73 uva;
Heller-Berger-Stix, 648; Fasching IV 13 f und Lehrbuch Rz 1709 ff). Die Beschwer muß nach nunmehr herrschender Auffassung zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen (SZ 61/6 mwN;
Heller-Berger-Stix aaO).
Mit Erkenntnis vom 15. Juni 1990, G 56/89-16, kundgemacht am 19. September 1990, BGBl. 1990/590a, hat der Verfassungsgerichtshof § 3 a NVG in der derzeit gültigen Fassung als verfassungswidrig aufgehoben. Da der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten keine Frist bestimmt hat, trat die Aufhebung mit dem Tage der Kundmachung in Kraft (Art 140 Abs 5 Satz 3 B-VG). Seither kommt ein Verstoß gegen § 3 a NVG begrifflich nicht mehr in Frage. Wenngleich das aufgehobene Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles - sofern der Verfassungsgerichtshof nicht etwas anderes ausspricht - weiterhin anzuwenden ist (Art 140 Abs 7 Satz 2 B-VG), kann im vorliegenden Fall doch eine Exekution auf Grund des angefochtenen Beschlusses nicht bewilligt werden, weil dem Exekutionstitel nach dem Eintritt seiner Vollstreckbarkeit nicht mehr zuwidergehandelt werden kann (§ 355 EO). Im übrigen könnte auch bei Verstößen gegen § 3 a NVG vor dem Wirksamwerden der Aufhebung (19. September 1990) die Exekution nach § 355 EO nicht bewilligt werden, weil der Zweck dieser Maßnahmen nicht darin liegt, den Verpflichteten für begangene Delikte zu bestrafen, sondern darin, ein künftiges Zuwiderhandeln zu verhindern (Heller-Berger-Stix 2579 f, 2591 mwN). Ist aber das vom aufgehobenen Gesetz verbotene Verhalten nunmehr zulässig, dann darf die Unterlassung nicht erzwungen werden.
Da sohin aufgrund des Beschlusses des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien Exekution nicht geführt werden kann, ist die Antragsgegnerin durch diesen Beschluß nicht beschwert. Gegen einen allenfalls zu Unrecht gefaßten Exekutionsbewilligungsbeschluß könnte sie sich mit rechtlichen Mitteln erfolgreich zur Wehr setzen. An der mangelnden Beschwer der Antragsgegnerin ändert auch der Umstand nichts, daß gemäß § 7 Abs 10 NVG der Vorsitzende des Kartellgerichts einer Partei auf deren Antrag die Befugnis zusprechen kann, die rechtskräftige Entscheidung über eine Verhaltensweise gemäß §§ 1, 2 und 3 a binnen einer bestimmten Frist auf Kosten des Gegners zu veröffentlichen, wobei Umfang und Art der Veröffentlichung im Beschluß zu bestimmen sind. Einem solchen Antrag dürfte nämlich auf Grund der inzwischen erfolgten Aufhebung des § 3 a NVG nicht stattgegeben werden. Da sowohl das Stammgesetz BGBl 1977/392 als auch die beiden Novellen zum Nahversorgungsgesetz auf Initiativanträgen beruhen, fehlen erläuternde Bemerkungen hiezu. Auch dem Ausschußbericht ist nichts über die Voraussetzungen zu entnehmen, unter denen einem Antrag auf Veröffentlichung stattzugeben wäre (565 BlgNR 14. GP 2). Dise Bestimmung ist jedoch dem § 25 UWG und § 85 UrhG nachgebildet, weshalb Lehre und Rechtsprechung zu diesen Bestimmungen herangezogen werden können (Heil, Das Verfahren auf Grund des Nahversorgungsgesetzes GesRZ 1977, 83 (89); Okt 17/90). Die Regelungen über die Veröffentlichung beruhen auf dem Gedanken, daß es häufig im Interesse der Allgemeinheit liegt, derartige Handlungen in aller Öffentlichkeit aufzudecken und die beteiligten Verkehrskreise über die wahre Sachlage aufzuklären (Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 88; ÖBl 1980, 73 uva; Okt 17/90). Ein solches Begehren ist aber nur bei einem schutzwürdigen Interesse des Antragstellers an der Aufklärung des Publikums berechtigt (Hohenecker-Friedl aaO; SZ 49/147; SZ 51/76; ÖBl 1980, 73 uva). Ein schutzwürdiges Interesse des Antragstellers besteht aber dann nicht mehr, wenn die seinerzeit verbotene Handlungsweise nunmehr erlaubt ist und überdies durch die Aufhebung des Verbotes als verfassungswidrig klargestellt wurde, daß das seinerzeitige Verbot gegen die Verfassung verstieß. Damit besteht aber wegen der Möglichkeit eines Antrages auf Veröffentlichung der Entscheidung gleichfalls keine Gefahr für die Antragsgegnerin, weil ein solcher Antrag jedenfalls abzuweisen wäre. Auch diese Möglichkeit begründet daher keine Beschwer der Antragsgegnerin.
Der Rekurs war daher mangels Beschwer als unzulässig zurückzuweisen.
Anmerkung
E22457European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:000OKT00010.9.1217.000Dokumentnummer
JJT_19901217_OGH0002_000OKT00010_9000000_000