TE OGH 1990/12/18 15Os128/90

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Veröffentlicht am 18.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Armin L*** wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 25.Juli 1990, GZ 35 Vr 2071/89-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben: das angefochtene Urteil, welches sonst unberührt bleibt, wird in den Schuldsprüchen lt. den Pkten 1. und 2. sowie im Strafausspruch nach dem FinStrG aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch nach dem FinStrG wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Zur Entscheidung über die Berufung gegen den Strafausspruch nach dem StGB und gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die den erfolglos gebliebenen Teil der Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Armin L*** der Finanzvergehen (1.) des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG und (2.) der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG sowie der Vergehen (3.) des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und (4.) der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er

(zu 1.) anläßlich wiederholter Einreisen nach Österreich insgesamt 5.946 Mappen und Lichtbilder sowie 170 unbelichtete Filme durch deren Nichtstellung bei der Einfuhr dem Zollverfahren entzogen und

(zu 2.) anläßlich der Verzollung von Kraftfahrzeugen in sechs Fällen durch die Vorlage von Rechnungen mit unvollständigen Wertangaben Eingangsabgaben verkürzt,

wobei es ihm (zu 1. und 2.) jeweils darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung der betreffenden (vorsätzlich pflichtwidrig verübten) Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; ferner (zu 3.) zum Schaden der Maria D***

(a) von ihr selbst durch die Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit 10.000 S als Darlehen und

(b) von einer Bank durch das Vortäuschen seiner Zeichnungsbefugnis für ihr Konto 20.145,18 USD betrügerisch herausgelockt; sowie

(zu 4.) 150.000 S, die ihm D*** zur Einzahlung auf ihr Konto bei der R*** T*** übergeben hatte, mit dem Vorsatz für sich verwendet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ergriffen sowie (mit Beziehung auf die Finanzvergehen einerseits und auf die Vermögensdelikte anderseits in zwei getrennten, jedoch am selben Tag (zu nicht mehr feststellbarer Zeit) überreichten und deshalb iS § 285 Abs. 1 StPO als Einheit zu beurteilenden Rechtsmittelschriften - seiner beiden Verteidiger, die ihm in den beiden ursprünglich gesondert geführten (und erst nach getrennter Anklageerhebung vereinigten) Verfahren gemäß § 41 Abs. 2 StPO beigegeben sowie nach § 42 Abs. 1 StPO bestellt worden waren - zur Ausführung gebracht.

Der auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit. b StPO gestützten Beschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Nicht stichhältig sind die Einwände gegen die Schuldsprüche lt. den Pkten 3. und 4.

Zum Faktum 4. hatte der Beschwerdeführer die Beischaffung eines Strafaktes betreffend ein Verfahren gegen die Zeugin D*** wegen des Verdachts der betrügerischen Überziehung ihres Kontos bei der R*** T*** beantragt, um nachzuweisen, daß ihre (ihn belastende) Bekundung im vorliegenden Verfahren, sie habe ihm 150.000 S zur Einzahlung auf jenes Konto übergeben, nur eine im Hinblick auf das bezeichnete Strafverfahren erhobene Schutzbehauptung sei (S 225). Dem Antrag war jedoch, worin dem Erstgericht beizupflichten ist, nicht zu entnehmen, inwiefern sich aus der dortigen Aktenlage über die hier erzielten Verfahrensergebnisse hinaus Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Darstellung hätten ergeben sollen.

Rechtliche Beurteilung

Ein Hinweis auf konkrete Ergebnisse jenes Verfahrens freilich - der vom hier Angeklagten deswegen, weil ihm dort kein Recht auf Akteneinsicht zustand, zur Begründung seines Antrags in der Tat nicht hätte erwartet werden können - wäre hiezu (entgegen der insoweit mißverständlichen Formulierung des abweisenden Zwischenerkenntnisses, S 225 f.) nicht erforderlich gewesen. Wohl aber hätte es immerhin des Aufzeigens einer realen Wahrscheinlichkeit dafür bedurft, daß in beiden gleichzeitig geführten Strafverfahren zum hier interessierenden selben Thema unterschiedliche Beweisergebnisse vorliegen könnten. Eine derartige konkrete Tauglichkeit der von ihm angestrebten Beweisaufnahme vermag der Beschwerdeführer aber auch mit der Verfahrensrüge (Z 4) nicht darzutun. Die Bezugnahme auf eine hiedurch gebotene Möglichkeit, die Glaubwürdigkeit der Zeugin D*** schlechthin zu überprüfen, reicht dazu für sich allein jedenfalls nicht aus, weil eine dahingehende Überprüfung in Ansehung ihrer Relevanz für die Würdigung der Angaben der genannten Zeugin zum hier maßgebenden konkreten Thema eine reine Erkundungs-Beweisführung bedeutet hätte. Durch die gerügte Ablehnung der beantragten Aktenbeischaffung wurde daher der Angeklagte in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt.

Seine sorgfältig geprüfte Tatsachenrüge (Z 5 a) zu den Fakten 3. und 4. hinwieder, mit der er die Beweiskraft der in Rede stehenden Aussage - zunächst in bezug auf die damit bekundete Vertrauensseligkeit der Zeugin D*** ihm gegenüber und hinsichtlich ihrer Täuschung durch ihn bei der Kontoeröffnung im Miami sowie (davon ausgehend) in weiterer Folge ganz allgemein - in Zweifel zu ziehen trachtet, ist im Licht der gesamten Aktenlage nicht geeignet, gegen die Richtigkeit der insoweit dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen erhebliche Bedenken zu erwecken.

In diesem Umfang war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs. 1 Z 2 StPO). Mit Recht hingegen remonstriert der Beschwerdeführer gegen die Schuldsprüche lt. den Pkten 1. und 2.

Bei der Beurteilung des Faktums 2. ist das Schöffengericht davon ausgegangen, daß er es gewesen sei, der sämtliche verfahrensgegenständlichen Jeeps der Verzollung zugeführt habe; dabei schenkte es seiner Verantwortung, die (in der Folge der Eingangsabgabenbemessung zugrunde gelegten) Rechnungen des ausländischen Lieferanten seien von jenem vereinbarungsgemäß dem mit der Zollabwicklung betraut gewesenen Spediteur jeweils direkt zugegangen und von letzterem ohne sein Wissen dem Zollamt nur unvollständig vorgelegt worden, keinen Glauben (US 6/7, 12). Darüber hinaus hatte der Angeklagte aber des weiteren behauptet, auch sein damaliger Partner N*** habe (zwar unter seinem Namen, jedoch "in eigener Regie") in gleicher Weise PKWs importiert, und ein Teil der ihm angelasteten Geschäfte sei möglicherweise ohne sein Zutun von letzterem abgewickelt worden (S 207-210, 217). Diese den vollen Umfang seiner Täterschaft in Frage stellende Darstellung hat das Erstgericht in der Tat ebenso übergangen (Z 5) wie die darauf bezogenen Angaben des Zeugen G*** (S 215 f.). In bezug auf das Faktum 1. schließlich ist dem Beschwerdeführer zum einen darin (Z 9 lit. b, sachlich indessen Z 5: vgl. Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch FinStrG § 55 E 11 a, 11 b) beizupflichten, daß sich die sogenannte "Bindungswirkung" des rechtskräftigen Abgabenbescheids vom 19.März 1981 nicht auch auf die Feststellung jener Tatumstände erstreckt, von denen die Beurteilung abhängt, ob er den Schmuggel (zur Gänze oder teilweise) als unmittelbarer, Bestimmungs- oder Beitragstäter (§ 11 erster, zweiter oder dritter Fall FinStrG) begangen, also die tatgegenständlichen Waren, ohne sie dem Zollamt zu stellen, durchwegs persönlich ins Inland gebracht oder zum Teil andere Personen dazu veranlaßt oder dabei (sei es auch nur psychisch) unterstützt hat.

Denn aus dem insoweit allein maßgebenden Spruch des zitierten Bescheids (vgl. aaO E 12, 17) - demzufolge ungeachtet dessen, daß er andere als die in § 55 FinStrG bezeichneten Abgaben betrifft (vgl. aaO E 2, 18 e), entgegen der Beschwerdeansicht vom Bestand der sich daraus ergebenden Abgabenschuld des Angeklagten dem Grund und der Höhe nach als Tatsache auszugehen ist (vgl. aaO E 10 a, 12) - ergibt sich dazu nur die Verwirklichung eines der mehreren für die Entstehung der hier aktuellen Abgabenschuld nach § 174 Abs. 3 lit. a ZollG in Betracht kommenden Sachverhalte durch ihn: mit dem Bestand der betreffenden Schuld wäre sohin darnach auch die Annahme vereinbar, daß er die (nicht dem Zollverfahren unterzogenen) importierten Waren nicht selbst nach Österreich gebracht, sondern bloß trotz Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis ihrer (durch eine derartige Einfuhr begründeten) Zollhängigkeit erst hier übernommen habe.

Daran hingegen, daß die Abgabenbehörde zur Begründung des Bescheids als erwiesen annahm, der Beschwerdeführer habe die verfahrensgegenständlichen Mappen, Lichtbilder und Filme persönlich eingeführt, war das Schöffengericht, welches nicht nur die strafrechtliche Schuld des Täters und den subjektiven Tatbestand des § 35 Abs. 1 StGB eigenständig zu prüfen hatte, sondern auch die spezifisch strafrechtlichen objektiven Tatbestandsmerkmale (vgl. aaO E 18 d, 18 e), tatsächlich nicht gebunden.

In diese Richtung hin aber hat es zwar - trotz der (nach dem Gesagten verfehlten) Annahme einer auch insoweit vorliegenden "Bindungswirkung" des Abgabenbescheids (US 10, 11) - ohnehin (zusätzlich) ein eigenes Beweisverfahren abgeführt, doch reklamiert der Angeklagte zum anderen auch mit Bezug darauf berechtigterweise einen Begründungsmangel des Urteils (Z 5).

Indem es sich bei der Feststellung, der Beschwerdeführer habe die Bildermappen seiner Verantwortung zuwider nicht teilweise erst in Österreich, sondern ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland übernommen, unter anderem über die Aussagen des Zeugen Johann K*** beruft (US 11), übergeht nämlich das Erstgericht mit Stillschweigen jenen (die in Rede stehende Verantwortung unterstützenden) Teil von dessen Bekundungen, wonach er einem Gespräch zwischen dem Angeklagten und dem Lieferanten der Bilder entnommen habe, daß von den Genannten Treffpunkte für deren Übergabe auf österreichischem Gebiet im Raum Salzburg vereinbart worden seien (S 73).

Die damit aufgezeigten Begründungsmängel zum Faktum 1. betreffen gleichfalls im Sinn des bezeichneten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsachen, weil dem Täter - wie aus §§ 314 Abs. 1, 345 Abs. 1 Z 6 StPO nicht nur für das geschwornengerichtliche Verfahren erhellt - ein mit Nichtigkeitsbeschwerde sanktionierter Anspruch auf eine mängelfreie Feststellung desjenigen Sachverhalts hat, der für die Subsumtion seines Tatverhaltens in bezug auf die Täterschaftsform (§ 12 erster bis dritter Fall StGB = § 11 erster bis dritter Fall FinStrG) maßgebend ist (vgl. EvBl. 1982/13 uva). In Ansehung der Schuldsprüche lt. den Pkten 1. und 2. war demgemäß - gleichfalls nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei der nichtöffentlichen Beratung - in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sofort, und zwar in bezug auf das Faktum 1. aus Gründen des Zusammenhangs (§ 289 StPO) im vollen Umfang, die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen (§ 285 e StPO), ohne daß es einer Erörterung des weiteren darauf bezogenenen Beschwerdevorbringens bedarf.

Im zweiten Verfahrensgang, für den zur Aufrechterhaltung der Beigebung zweier Verteidiger nach § 41 Abs. 2 StPO kein Anlaß bestehen dürfte, wird für den Fall einer neuerlichen Verurteilung des Beschwerdeführers nach dem FinStrG im Hinblick auf die in Betracht kommenden Tatzeiten ein Günstigkeitsvergleich (§ 4 Abs. 2 FinStrG) vorzunehmen sein (vgl. hiezu EvBl. 1990/108). Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch nach dem FinStrG war der Angeklagte auf dessen Aufhebung zu verweisen. Die davon unabhängige (§ 22 Abs. 1 FinStrG) Entscheidung über seine Berufung gegen den Strafausspruch nach dem StGB und gegen das Entschädigungserkenntnis hingegen fällt in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz (§ 285 i StPO).

Anmerkung

E22543

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0150OS00128.9.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19901218_OGH0002_0150OS00128_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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