Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller (AG) und Norbert Kunc (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Lotte V***, Kellnerin, 6230 Ternitz, F.Gansterer-Gasse 15, vertreten durch Dr. Norbert Lehner und Dr. Alfred Steinbuch, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. Juli 1990, GZ 33 Rs 127/90-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 8. Februar 1990, GZ 4 Cgs 602/89-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt schon deshalb nicht vor, weil die von der Klägerin geforderten Feststellungen für die Entscheidung nicht wesentlich sind und es daher der Aufnahme von Beweisen hiezu nicht bedurfte. Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache ist richtig (§ 48 ASGG).
Ein erlernter Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG ist ein Beruf, für den ein bestimmter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist, dessen erfolgreicher Abschluß Voraussetzung für die Ausübung dieses Berufes ist (Teschner in Tomandl, System 2.4.2.1.2 B 4. ErgLfg 364). Sieht man von der - in dem hier behandelten Zusammenhang allerdings kaum in Betracht kommenden - Berufstätigkeit jener Personen ab, die durch besondere Vorschriften Dienstnehmern gleichgestellt sind (vgl § 4 Abs 3 ASVG), muß es sich um eine unselbständige Erwerbstätigkeit handeln (vgl vor allem § 1 und § 3 Abs 1 ASVG).
Dies trifft auf die Klägerin zu. Die Konzessionsprüfung für das Gastgewerbe, die zur Erbringung des Befähigungsnachweises dient, der gemäß § 193 Abs 1 Z 1 GewO für die Ausübung dieses Gewerbes erforderlich ist (vgl § 1 der Gastgewerbebefähigungsverordnung BGBl 1974/387), kann eine Berufstätigkeit nicht zur Tätigkeit in einem erlernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG machen, weil sie Voraussetzung für die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist. Für die Klägerin kommt daher nur die Tätigkeit in einem ungelernten Beruf im Sinn der zuletzt genannten Gesetzesstelle in Betracht.
Damit der Versicherte aber den Berufsschutz gemäß § 255 Abs 1 ASVG auf Grund einer Tätigkeit in einem angelernten Beruf besitzt, genügt es nicht, daß er die Kenntnisse und Fähigkeiten hat, die jenen in einem Lehrberuf entsprechen, sondern diese Kenntnisse und Fähigkeiten müssen in der im Beobachtungszeitraum überwiegend ausgeübten Berufstätigkeit in jenem Ausmaß zum Tragen gekommen sein, das hiefür üblicherweise von gelernten Arbeitern dieser Berufsgruppe erwartet wird (SSV-NF 3/70).
Dies war jedoch bei der Klägerin nicht der Fall, weil sie im Beobachtungszeitraum, soweit es sich um eine unselbständige Erwerbstätigkeit handelte, überwiegend als "Kellnerin" in einer Imbißstube beschäftigt war, in der Würstel, Pommes frites, Grillkottelets und gegrillte Hühner angeboten wurden. Diese Tätigkeit ging aber über jene einer Serviererin nicht hinaus. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht dem Umstand keine Bedeutung beigemessen, daß die Klägerin die für den Erwerb der Konzession zum Betrieb eines Gastgewerbes nötige Prüfung abgelegt hat, und hat deshalb zutreffend hiezu keine Feststellungen getroffen, weil sie für die Entscheidung ohne Bedeutung gewesen wären. Hiedurch hätte höchstens nachgewiesen werden können, daß die Klägerin über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die jenen des Lehrberufes einer Kellnerin entsprechen. Dies genügt nach dem Gesagten aber nicht. Da die Klägerin somit keinen Berufsschutz genießt, ist die Frage ihres Anspruchs auf Pension nach § 255 Abs 3 ASVG zu beurteilen (vgl SSV-NF 3/2). Hier ist das Verweisungsfeld aber mit dem allgemeinen Arbeitsmarkt ident und es gibt für sie eine Vielzahl von Berufstätigkeiten, die ihrem Leistungskalkül entsprechen (SSV-NF 3/156). Hingewiesen sei schließlich noch auf die Entscheidung SSV-NF 2/128, in der in einem mit dem hier in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Fall der Pensionsanspruch der Versicherten ebenfalls verneint wurde.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E22651European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00370.9.1218.000Dokumentnummer
JJT_19901218_OGH0002_010OBS00370_9000000_000