Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des (mj) Heinrich K***, geboren am 2.September 1971, infolge Revisionsrekurses des (Adoptiv-)Vaters Peter K***, Fahrschullehrer, Wien 6, Mariahilferstraße 47/5/4/9, vertreten durch Dr.Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 12.September 1990, GZ 44 R 521/90-113, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 7.Mai 1990, GZ 2 P 253/89-103, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab dem am 22.12.1987 gestellten Antrag der Mutter auf Übertragung der Obsorge über den mj. Heinrich K*** vom Adoptivvater, dem Antragsgegner, auf sie mit Beschluß vom 28.3.1989 statt, der durch den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27.7.1989 bestätigt wurde. Der mj. Heinrich befand sich bis zum 30.6.1988 in einem Internat, dessen Kosten vom (Adoptiv-)Vater beglichen wurden. Seither wohnt er bei seiner Mutter. Er begehrte am 8.9.1989, durch seine Mutter vertreten, ab 1.1.1988 einen monatlichen Unterhalt von S 3.080,- und brachte dazu vor, daß sein (Adoptiv-)Vater als Fahrschullehrer monatlich ca S 14.000,- verdiene und für keine weitere Person sorgepflichtig sei. Der zur Äußerung aufgeforderte anwaltlich vertretene (Adoptiv-)Vater wendete gegen das Unterhaltsbegehren (zusammengefaßt) ein, daß er die Lebenshaltungskosten des Minderjährigen, solange dieser im Internat untergebracht gewesen seil, voll getragen habe, und daß dem Minderjährigen bis zur Übertragung der Obsorge auf die Mutter der (Natural-)Unterhalt bei ihm zugestanden wäre und der Minderjährige daher keinen Anspruch auf Geldanspruch habe.
Das Erstgericht verpflichtete den (Adoptiv-)Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 3.080,- ab 1.7.1988 und wies das zeitlich davor gelegene Unterhaltsmehrbegehren (unbekämpft) ab. Es stellte fest, daß der Minderjährige nach seinem leiblichen Vater eine Waisenrente von monatlich S 1.100,- oder möglicherweise von S 1.500,- bezieht, die aber bei der Unterhaltsbemessung wegen des höheren Unterhaltsbedarfes keine Berücksichtigung zu finden habe. Der zugesprochene Betrag entspreche 22 % vom monatlichen Durchschnittseinkommen des (Adoptiv-)Vaters von S 14.375,-, den keine weiteren Sorgepflichten träfen.
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit dem angefochtenen Beschluß und erklärte den (ordentlichen) Revisionsrekurs für zulässig. Es erachtete die Behauptungen des (Adoptiv-)Vaters im Rekurs, weniger als vom Erstgericht festgestellt verdient zu haben und seit Jahren invalide zu sein und deshalb einen erhöhten Lebensbedarf zu haben, wegen Verschleppungsabsicht für unbeachtlich. Da aber zur Zulassung solcher Neuerungen keine einheitliche Judikatur vorliege, sei der Revisionsrekurs zulässig. Der Revisionsrekurs des (Adoptiv-)Vaters erweist sich trotz dieses Ausspruches als unzulässig.
Die Ansicht des Rekursgerichtes widerspricht Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, wonach im Außerstreitverfahren eine Zurückweisung relevanter Anträge auch nicht in analoger Anwendung des § 275 Abs 2 ZPO zulässig ist (ÖA 1985, 77; ähnlich EFSlg 58.461). Auf Grund des nach § 2 Abs 1 Z 5 AußStrG für dieses Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes trifft demnach das Gericht die Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung aller entscheidungswesentlichen Tatsachen (Stoffsammlungspflicht). Wenn auch das Rekursgericht die Überprüfung des erstgerichtlichen Beschlusses nach der Sach- und Rechtslage zur Zeit seiner Erlassung vorzunehmen hat, so bleibt es den Parteien nach § 10 AußStrG dennoch unbenommen, sich im Rekurs auf solche neue Umstände zu beziehen, die bereits vor der Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses vorlagen und für die richtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes von Bedeutung sein können (SZ 56/28 ua).
Die Nichtbeachtung solcher Neuerungen stellt aber im allgemeinen bloß einen Verfahrensmangel dar, und es darf sich nach ständiger Rechtsprechung nur um solche Neuerungen handeln, die das vorliegende Tatsachenmaterial ergänzen oder berichtigen. Die Parteien dürfen hingegen nicht Tatsachenbehauptungen vortragen, die von den bisherigen Behauptungen abweichen oder bisher überhaupt noch nicht aufgestellt worden sind (SZ 47/141 uva; zuletzt EFSlg 58.246), soferne nicht zum Vorteil von Kindern geänderten Verhältnissen sofort Rechnung getragen werden muß (EvBl 1965/133; EFSlg 58.248 ua). In diesem Sinn kommt hier dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, daß der anwaltlich vertretene Rekurswerber in erster Instanz den Unterhaltsanspruch des Kindes nur einerseits dem Grunde nach für die Vergangenheit und andererseits mit der Behauptung bestritt, daß er von seinem monatlichen Nettoeinkommen von S 14.000,- nur 22 % = S 3.080,- monatlich zu bezahlen habe, und daß die Waisenrente des Kindes von rund S 1.500,- auf den Unterhalt anzurechnen sei. Er hat also den Umstand, dessen Nichtprüfung durch die zweite Instanz im Revisionsrekurs gerügt wird, nicht einmal andeutungsweise geltend gemacht, obwohl bei einem im Berufsleben stehenden Unterhaltsverpflichteten im Zweifel keine ins Gewicht fallende Belastung durch Krankheitskosten anzunehmen ist.
Der im Revisionsrekurs aufgeworfenen Rechtsfrage, ob (sonst) das neuerungsweise Vorbringen im Rekurs an die zweite Instanz hätte zurückgewiesen werden dürfen, kommt demnach keine erhebliche Bedeutung iSd § 14 Abs 1 AußStrG zu.
Anmerkung
E22577European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00596.9.1219.000Dokumentnummer
JJT_19901219_OGH0002_0030OB00596_9000000_000