Norm
KVG 1934 §21 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Siegl, über die Beschwerde der R-GmbH in W, vertreten durch Ernst & Young Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 31. Jänner 2005, Zl. RV/2029- W/02, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die C GmbH (in der Folge: Verkäuferin) und die Beschwerdeführerin (Käuferin) schlossen am 27. Juli 2000 den Kauf- und Abtretungsvertrag mit nachstehendem, auszugsweise wiedergegebenem Inhalt:
"Erstens
Die Verkäuferin ist Gesellschafterin der im Firmenbuch ... eingetragenen (A. GmbH) ... mit einem zur Hälfte bar einbezahlten Geschäftsanteil, der einer Stammeinlage von ATS 499.000,-- ... entspricht.
Zweitens
(1) Die Verkäuferin verkauft sohin Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises an die (Beschwerdeführerin) ihren zur Hälfte bar einbezahlten Geschäftsanteil an der (A. GmbH), der einer Stammeinlage mit ATS 499.000,-- ... entspricht, zum Abtretungspreis von ATS 12,620.708,-- ...
(2) Die (Beschwerdeführerin) erklärt hiemit die Vertragsannahme.
Drittens
(1) Der Kaufpreis für den an die (Beschwerdeführerin)
verkauften Geschäftsanteil ist bei Unterfertigung dieses Kauf- und
Abtretungsvertrages durch die Vertragsparteien auf das Konto der
Verkäuferin ... zu überweisen.
(2) Gleichzeitig mit der Fälligkeit des Kaufpreises für den
verkauften Geschäftsanteil hat die (Beschwerdeführerin) für die
Umschuldung der zum 31.7.2000 ... aushaftenden Verbindlichkeiten
der (A. GmbH) in Höhe von ATS 60,401.387,33 ... gegenüber der Verkäuferin zu sorgen.
...
(4) Zur Sicherstellung der Kaufpreisforderung sowie der Verpflichtung zur Umschuldung der gemäß Absatz (2) aushaftenden Verbindlichkeiten übergibt die (Beschwerdeführerin) zwei abstrakte Bankgarantien mit einem Garantiehöchstbetrag von insgesamt ATS 73,000.000,-- ... und mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2000 ... Soferne die Bezahlung des auf die Verkäuferin entfallenden Kaufpreises sowie die Umschuldung der unter Absatz (2) erwähnten Verbindlichkeiten nicht innerhalb von sieben Tagen nach beidseitiger Unterfertigung dieses Vertrags durch die (Beschwerdeführerin) erfolgt, ist die Verkäuferin zur Ziehung dieser Bankgarantien berechtigt."
Mit Bescheid vom 27. November 2000 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Beschwerdeführerin ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 73,022.095,33 (S 12,620.708,-- + S 60,401.387,33) Börsenumsatzsteuer von S 1,825.552,-- vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, im Beschwerdefall sei von ihr eine bloße Verwendungszusage abgegeben worden, für die Umschuldung der zum 31. Juni 2000 aushaftenden Verbindlichkeiten der A. GmbH in Höhe von S 60,401.387,33 gegenüber Drittgläubigern zu sorgen. Die vereinbarte Zusage beinhalte jedoch nach dem eindeutigen Vertragswortlaut nur, für die Umschuldung bestehender Verpflichtungen Sorge zu tragen, und stelle keine zusätzliche Haftung, Schuldübernahme oder eine Klag- oder Schadlosstellung der Verkäuferin dar. Bei den "umgeschuldeten Verbindlichkeiten handle es sich nämlich um keine Verbindlichkeiten gegenüber der Anteilseignerin". Ebenso wenig würden Eventualverbindlichkeiten, gleichgültig in welcher Form von der Beschwerdeführerin mitübernommen. Eine Vermögensvermehrung der Verkäuferin sei nicht eingetreten. Zur Sicherstellung sei der "Käuferin" (nach dem Vertrag richtig: der Verkäuferin) eine abstrakte Bankgarantie mit einer Laufzeit bis zum 31. Dezember 2000 übergeben worden. Bei der Übergabe einer Bankgarantie handle es sich nicht um eine zusätzliche Leistung der Beschwerdeführerin, "sondern um eine Besicherung der Kaufpreisansprüche", die die Bemessungsgrundlage der Börsenumsatzsteuer darstellten. Das KVG lasse nicht erkennen, dass Anschaffungsgeschäfte über Wertpapiere unterschiedlich besteuert werden sollten, je nachdem, ob die Kaufpreisverpflichtung besichert oder unbesichert sei.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, die Beschwerdeführerin habe die Verpflichtung übernommen, für die Umschuldung der zum 31. Juli 2000 aushaftenden Verbindlichkeiten der A. GmbH in der Höhe von S 60,410.387,33 gegenüber der Verkäuferin zu sorgen. Soweit die Beschwerdeführerin darauf verweise, dass sie für die Verbindlichkeiten nicht hafte, spreche sie das nach der Rechtsprechung geforderte Erfordernis der Entlastung an. Die am Rechtsgeschäft beteiligten Gesellschaften verfolgten jedenfalls wirtschaftliche Interessen und die Beschwerdeführerin sei nur zum Erwerb "zugelassen" worden, wenn sie auch die Verpflichtung zur Umschuldung übernehme. Wäre es der Verkäuferin nicht darauf angekommen, dass diese Verbindlichkeiten umgeschuldet würden, dann hätte sie diese Verpflichtung nicht verlangt und die Beschwerdeführerin wäre diese nicht eingegangen, so dass jedenfalls ein Entlastungseffekt gegeben sei. Dafür spreche auch die Übernahme der Bankgarantien. Auf Grund des Umstandes, dass die Verkäuferin zur Bankengruppe gehöre und diese Gläubigerbank vom bestehenden Kreditrisiko befreit werde, liege die Entlastung auf der Verkäuferseite auf der Hand. Ohne Relevanz sei, dass als neue finanzierende Bank wiederum dieselbe Bank gewonnen worden sei. Zweck der Umschuldung sei es auch gewesen, die bestehenden günstigen Bankkonditionen nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Miteinbeziehung der Verbindlichkeiten, für welche eine Umschuldung vorzunehmen gewesen sei, sei daher zu Recht erfolgt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichteinbeziehung des Umschuldungsbetrages in die Bemessungsgrundlage für die Vorschreibung der Börsenumsatzsteuer verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 21 Z. 1 KVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung wird die Steuer regelmäßig von dem vereinbarten Preis berechnet.
Die Beschwerdeführerin hat es mit dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 27. Juli 2000 übernommen, gleichzeitig mit der Fälligkeit des Kaufpreises für den verkauften Geschäftsanteil "für die Umschuldung" der zum 31. Juli 2000 aushaftenden Verbindlichkeiten der A. GmbH "gegenüber der Verkäuferin zu sorgen".
Diese Umschuldung war eine von der Beschwerdeführerin eingegangene Verpflichtung, die sie innerhalb kurzer Zeit nach Vertragsabschluss zu erbringen hatte. Nach Drittens Absatz 4 des Kauf- und Abtretungsvertrages vom 27. Juli 2000 hatte die Beschwerdeführerin zur Sicherstellung betreffend die Erfüllung dieser Verpflichtung sogar Bankgarantien von insgesamt S 73,000.000,-- zu übergeben, die unter den genannten Bedingungen von der Verkäuferin gezogen werden konnten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter dem vereinbarten Preis neben dem Kaufpreis auch noch sämtliche anderen ziffernmäßig bestimmten Leistungen zu verstehen, die der Erwerber erbringen muss, um die Geschäftsanteile zu erhalten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 19. Jänner 1994, Zlen. 93/16/0142, 0143 und vom 27. Jänner 2000, Zl. 99/16/0454).
Neben dem vereinbarten Abtretungspreis übernommene Verbindlichkeiten sind aber nur dann einzubeziehen, wenn dies zu einer Entlastung (= Vermehrung) des Vermögens des Verkäufers führt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/16/0137).
Feststellungen darüber, wie die "Umschuldung gegenüber der Verkäuferin" im Beschwerdefall zu verstehen war und tatsächlich auch durchgeführt wurde, sind weder dem angefochtenen Bescheid noch den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen. In den Verwaltungsakten wird von der Beschwerdeführerin zwar der Zahlungsfluss dargestellt, nicht jedoch, wem er zuzurechnen war.
Erfolgte die "Umschuldung gegenüber der Verkäuferin" durch Tilgung der Schulden der A. GmbH durch die Beschwerdeführerin als Käuferin des Geschäftsanteiles, die ihrerseits Verbindlichkeiten eingegangen ist, dann waren diese Beträge Teil des Kaufpreises und in die Bemessungsgrundlage der Börsenumsatzsteuer einzubeziehen. Es kommt nämlich auf den Inhalt dieses Vertrages und nicht darauf an, was in dem zu beurteilenden Vertrag als vereinbarter Preis bloß formal angegeben ist. Neben den im Vertrag ausdrücklich genannten gehören auch weitere eingegangene Verpflichtungen zu Geldleistungen an den Erwerber oder Dritten, wenn diese notwendig waren, um den Geschäftsanteil zu erhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 1998, Zl. 98/16/0098).
Handelte es sich um eine Umschuldung, bei der die A. GmbH ihre alten Schulden durch Neuaufnahme von Krediten tilgte, dann stellt sich die Frage, ob dies zu einer Entlastung (= Vermehrung) des Vermögens der Verkäuferin führte.
Die Beschwerdeführerin stellte in Abrede, dass sie irgendwelche Verpflichtungen aus den vor Abschluss des Kauf- und Abtretungsvertrages bestandenen Verbindlichkeiten der A. GmbH getroffen hätten. Die belangte Behörde hat das Zutreffen dieser Behauptung nicht näher geprüft und auf Grund angenommener wirtschaftlicher Interessen, insbesondere auch des Kreditrisikos der Bank, zu deren Gruppe die Verkäuferin gehöre, und der Bankkonditionen auf einen "Entlastungseffekt" geschlossen.
Ein wirtschaftliches Interesse an der Umschuldung mag in dem im Beschwerdefall zu beurteilenden Sachverhalt schon bestanden haben; dies allein lässt aber im vorliegenden anders als in dem mit Erkenntnis vom 26. April 2001, Zl. 98/16/0265, entschiedenen Beschwerdefall nicht den zwingenden Schluss zu, dass es auch zu einer Entlastung des Vermögens der Verkäuferin kam. In dem damaligen Beschwerdefall hatten sich die Übernehmer verpflichtet, die Gesellschaft wegen der zum Stichtag der Errichtung des Abtretungsvertrages fällig werdenden Darlehen mit Geldmitteln auszustatten oder für die Finanzierung der Beträge zu sorgen. Damit wurden diese Beträge mit Recht in die Bemessungsgrundlage der Börsenumsatzsteuer einbezogen.
Die belangte Behörde ist im Beschwerdefall davon ausgegangen, dass sich das Kreditrisiko der Bank, zu deren "Gruppe" die Verkäuferin zählt, verringert habe und die günstigen Bankkonditionen nicht weiter aufrechterhalten werden sollten. Bei diesen Feststellungen handelt es sich um nicht weiter konkretisierte Annahmen, die - auch bei Zutreffen - nicht von vornherein erkennen lassen, dass damit eine Vermögensentlastung der Verkäuferin und in welcher Höhe stattfand. Die im angefochtenen Bescheid angeführte Begründung für die eingetretene Entlastung des Vermögens der Verkäuferin erweist sich daher als nicht stichhaltig.
Bei der gegeben Sachlage kann die fehlende Feststellung, ob die Übergabe der Bankgarantien "zur Sicherung der Kaufpreisforderung sowie der Verpflichtung zur Umschuldung", die unter bestimmten Voraussetzungen die Verkäuferin zur Ziehung berechtigt hätten, jedenfalls eine Vermögensvermehrung der Verkäuferin bewirkt habe, dahin gestellt bleiben. Diese eingegangene Verpflichtung war nicht Gegenstand der Abgabenvorschreibung.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid wegen Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Dezember 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005160080.X00Im RIS seit
19.01.2006