TE OGH 1991/1/16 9ObA609/90

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Veröffentlicht am 16.01.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Dorner sowie Walter BACHER als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Partei VERBAND DER VERSICHERUNGSUNTERNEHMUNGEN ÖSTERREICHS, Wien 3., Schwarzenbergplatz 7, vertreten durch Dr. E***** S*****, Rechtsanwalt in L*****, wider den Antragsgegner ÖSTERREICHISCHER GEWERKSCHAFTSBUND, Gewerkschaft der Privatangestellten, Sektion Versicherung, Wien 1., Deutschmeisterplatz 2, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Antrag, festzustellen, daß aufgrund der Bestimmung des § 3 Abs 3 des Kollektivvertrages für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmungen den Dienstnehmern nur nach einjährigem Bestehen des ungekündigten Dienstverhältnisses die in § 3 Abs 3 und 4 angeführten Remunerationszahlungen zustehen, und bei Beendigung oder Aufkündigung des Dienstverhältnisses vor Ablauf eines Jahres kein aliquoter Anspruch gegeben ist, wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Antragsteller und Antragsgegner sind kollektivvertragsfähige Körperschaften im Sinne des § 4 Abs 2 ArbVG (siehe Cerny ArbVG8, 48). Die im vorliegenden Feststellungsantrag aufgeworfene Rechtsfrage ist für mindestens drei Arbeitgeber und drei Arbeitnehmer von Bedeutung.

Der Antragsteller stützt seinen aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungsantrag auf folgenden Sachverhalt:

Der Kollektivvertrag für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmungen enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

"......

§ 3 Provision, Mindesteinkommen

.......

(3) Sämtliche Angestellte erhalten nach einjährigem Bestehen des ungekündigten Dienstverhältnisses rückwirkend ab dem Beginn desselben die Hälfte des gemäß Abs 2 bzw. im Dienstvertrag garantierten monatlichen Mindesteinkommens als Urlaubszulage, die bei Urlaubsantritt, frühestens jedoch am 1. Mai, und eine Weihnachtsremuneration in derselben Höhe, die am 15. Dezember fällig wird.

(4) Sämtliche Angestellte erhalten nach einjährigem Bestehen des ungekündigten Dienstverhältnisses rückwirkend ab dem Beginn desselben 100 % des gemäß Abs 2 bzw. im Dienstvertrag garantierten monatlichen Mindesteinkommens als Anschaffungsbeitrag, einmalig im Kalenderjahr, auszahlbar in zwei Teilbeträgen.

(5) Die Urlaubszulage und ein halber Anschaffungsbeitrag gelten als ein Teil der Bezüge des ersten, ein halber Anschaffungsbeitrag und die Weihnachtsremuneration als ein Teil der Bezüge des zweiten Halbjahres; die Angestellten haben auf denjenigen Teil dieser Zulagen Anspruch, der ihrer Dienstzeit in dem betreffenden Kalenderhalbjahr entspricht. ......."

Wegen der hohen Fluktuation im Außendienst während des ersten Jahres haben die Kollektivvertragsparteien im Kollektivvertrag die Entstehung des Anspruches auf Sonderzahlungen vom einjährigen Bestehen des ungekündigten Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht, nachdem zunächst vereinbart war, daß die Außendienstmitarbeiter Sonderzahlungen erst im zweiten Dienstjahr erhalten sollten. Die Mitgliedsfirmen des Antragstellers zahlen daher bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf dieser Frist die Sonderzahlungen nicht anteilsmäßig aus, sondern lehnen ein entsprechendes Begehren unter Hinweis auf § 3 Abs 3 Kollektivvertrag ab.

Mit der Entscheidung 9 Ob A 177/89 hat der Oberste Gerichtshof der Klage eines Arbeitnehmers eines Mitgliedsunternehmens auf anteiluge Sonderzahlung mit der Begründung stattgegeben, daß die zwingende Bestimmung des § 16 AngG nicht dadurch umgangen werden dürfe, daß die Entstehung des nicht mit einer spezifischen Leistung des Arbeitnehmers verknüpften, sondern für die gesamte Arbeitsleistung im Kalender- oder Arbeitsjahr gebührenden Anspruches auf Sonderzahlungen an das Erreichen eines bestimmten Stichtages gebunden wird.

Der Antragsteller vertritt die Rechtsansicht, daß die kollektivvertragliche Regelung nach § 16 AngG ebenso wie nach der vorangegangenen Regelung des § 16 Handlungsgehilfengesetz zulässig sei. Im Zusammenhang mit der Regelung des § 16 Handlungsgehilfengesetz habe der volkswirtschaftliche Ausschuß des Abgeordnetenhauses ausgeführt:

"Die Frage, ob es sich im einzelnen Falle um einen vertragsmäßigen Anspruch oder um eine remuneratorische Schenkung, oder ob es sich in einem solchen Falle um einen zeitlich befristeten oder bedingungsweise zuerkannten Anspruch handelt, wird der Richter auch künftighin zu entscheiden haben."

Bereits aus dieser Äußerung sei zu ersehen, daß das Entstehen des Anspruches von einer Bedingung abhängig gemacht werden könne. In Rechtsprechung und Lehre werde daher überwiegend die Ansicht vertreten, daß die Vorschrift des § 16 AngG keinen Anspruch auf Remuneration schaffe, sondern einen solchen voraussetze. Das Entstehen des Anspruches auf Remuneration könne daher auch von der Bedingung der tatsächlichen Beschäftigung an einem bestimmten Tag sowie vom Bestehen des ungekündigten Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Tag abhängig gemacht werden. Die Wortfolge im § 3 Abs 3 Kollektivvertrag "nach einjährigem Bestehen des ungekündigten Arbeitsverhältnisses" sei als Bedingung für das Entstehen des Anspruches auf Remuneration zu werten, weil es auf der Hand liege, daß es sich dabei um ein ungewisses Ereignis handle. Da mit dieser Regelung nicht bloß die Fälligkeit hinausgeschoben, sondern das Entstehen des Anspruches vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemacht worden sei, fehle es am Bestehen eines bloß noch nicht fälligen Anspruches als Voraussetzung für die Anwendung des § 16 AngG. Die Bedingung sei von den Kollektivvertragsparteien vereinbart worden, weil es sich bei den betroffenen Mitarbeitern um stark fluktuierendes Personal handle, dessen Eignung bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht sicher beurteilt werden könne. Ein Ausscheiden noch vor Vollendung des ersten Jahres führe zu einem Verlust von Ausbildungsinvestitionen; dies solle durch eine geringere Entlohnung - Entfallen der Sonderzahlungen - wettgemacht werden. Die sachlich gerechtfertigte kollektivvertragliche Regelung sei keine rechtswidrige Umgehung des § 16 AngG.

Der Antragsgegner beantragt die Abweisung des Feststellungsantrages. Es sei nicht Wille der Kollektivvertragsparteien gewesen, daß der Anspruch auf Sonderzahlungen erst nach einjährigem Bestehen des ungekündigten Arbeitsverhältnisses entstehen solle; die Kollektivvertragsparteien seien vielmehr von einem auch im ersten Arbeitsjahr bestehenden Anspruch und einer Karenzierung dieses Anspruches ausgegangen. Das Abfangen der wirtschaftlichen Nachteile durch zu hohe Personalfluktuation im ersten Dienstjahr sei möglicherweise ein Motiv der Arbeitgeberseite, nicht aber ein gemeinsames Motiv der Kollektivvertragsparteien für die getroffene Regelung gewesen.

Entscheidend sei, ob die Kollektivvertragsbestimmung gegen zwingendes Recht verstoße. Sinn der Norm des § 16 AngG, die einen Sonderzahlungsanspruch nicht schaffe, sondern voraussetze, sei es, daß Angestellten der bereits erarbeitete Teil von Sonderzahlungen auch dann zukomme, wenn der Anspruch vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhänge. Mit dieser Bestimmung sollten somit die "Stichtagsfälle" und nicht die ohnedies klaren Fälle des aliquoten Anwachsens mit Zahlungsfälligkeit an einem bestimmten Tag gesetzlich geregelt werden. Der Angestellte sollte die Sonderzahlung erhalten, die er bereits erarbeitet habe, ohne daß dies durch eine Stichtagsbedingung umgangen werde dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag ist nicht berechtigt.

Dem Antragsteller ist darin beizupflichten, daß nach der kollektivvertraglichen Regelung der Anspruch der betroffenen Arbeitnehmer auf Sonderzahlung dadurch aufschiebend bedingt ist, daß das Arbeitsverhältnis zumindest ein Jahr ungekündigt aufrecht besteht. Es ist lediglich zu prüfen, ob die mit Kollektivvertrag vereinbarte aufschiebende Bedingung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag gegen die gemäß § 40 AngG zwingende gesetzliche Bestimmung des § 16 AngG verstößt und daher nichtig ist (siehe Strasser in Floretta - Strasser Kommentar ArbVG, 39).

Eine mit § 16 AngG wortgleiche Bestimmung enthält bereits das Handlungsgehilfengesetz vom 10.1.1910, BGBl Nr 20. Der Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses des Abgeordnetenhauses zu dieser Bestimmung hat folgenden (vollständigen) Wortlaut:

"Die Frage, ob es sich im einzelnen Fall um einen vertragsgemäßen Anspruch oder um eine remuneratorische Schenkung, oder ob es sich in einem solchen Falle um einen zeitlich befristeten oder nur bedingungsweise zuerkannten Anspruch handelt, wird der Richter auch künftighin zu entscheiden haben. Allein es bleibt wertvoll, dem Dienstnehmer einen verhältnismäßigen Anspruch als Regel zu sichern und dies durch eine gesetzliche Bestimmung außer allen Zweifel zu stellen" (siehe Mayer - Grünberg, Kommentar zum Handlungsgehilfengesetz, 190).

Diesem Bericht läßt sich ebenso wie dem Gesetzestext selbst entnehmen, daß diese Regelung einen Remunerationsanspruch nicht schafft, sondern voraussetzt, und es daher weiterhin der Beurteilung des Richters überlasasen bleibt, ob - als Voraussetzung für die Anwendung dieser Aliquotierungsbestimmung - ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Remuneration besteht. Auch kann wirksam vereinbart werden, daß der Anspruch nur unter gewissen Bedingungen (zB positive Bilanz, siehe Mayer - Grünberg aaO, 190) entstehen soll. Nach dem Regelungszweck erstreckt sich die zwingende Wirkung aber auf den Rechtssatz, daß dem anspruchsberechtigten Dienstnehmer die Remuneration nicht deshalb entzogen werden darf, weil die Lösung des Dienstverhältnisses vor dem Fälligkeitstag eingetreten ist. Es kann daher zwar wirksam vereinbart werden, daß der Anspruch nur unter gewissen Bedingungen entstehen oder unter gewissen Voraussetzungen wegfallen soll; nur dürfen derartige Bedingungen sich nicht entgegen der Vorschrift des Gesetzes auf das Erlöschen des Anspruches wegen Beendigung des Dienstverhältnisses vor dem Fälligkeitstag beziehben (siehe Mayer - Grünberg aaO, 194).

Dieser klaren Stellungnahme der führenden Kommentatoren des Handlungsgehilfengesetzes - sie werden auch vom Verfasaser des vom Antragsteller vorgelegten Privatgutachtens wiederholt zitiert - wäre an sich nichts mehr hinzuzufügen. Auch Pisko, Das Handlungsgehilfengesetz (Sonderabdruck aus der Zeitschrift für das gesamte Handels- und Konkursrecht), 469, vertrat die Auffassung, daß aufgrund der zwingenden gesetzlichen Bestimmung die anteilsweise Belohnung dem Dienstnehmer auch dann gebühre, wenn er wegen schwerer Verfehlungen entlassen werde. Diese Bestimmung sei aber nur dann anwendbar, wenn der Fälligkeitstag der Remuneration nicht gerade mit Rücksicht auf eine bestimmte durch die Remuneration besonders zu vergütende Leistung festgesetzt werde; sei etwa dem Dienstnehmer eine Remuneration für die Aufstellung von Inventar und Bilanz versprochen worden, so habe er auch aufgrund dieser Bestimmung keinen Anspruch auf anteilsweise Zahlung, wenn das Dienstverhältnis vorher gelöst werde.

Auch der Oberste Gerichtshof erachtete aufgrund der §§ 16 und 40 Handlungsgehilfengesetz die aufschiebende Bedingung des aufrechten Bestehens des Dienstverhältnisses an einem bestimmten Stichtag für den Anspruch auf Remuneration als ungültig (siehe Entscheidungen des OGH vom 4.2.1914 und vom 17.2.1914 in Fuchs, Judikatur des kk Obersten Gerichtshofes zum Handlungsgehilfengesetz, Nr 151 b und Nr 155 sowie die Entscheidung vom 17.9.1918, ZBl 1919/39). Es sei nach dem Gesetz nicht zu unterscheiden, ob das Dienstverhältnis durch Kündigung seitens des Dienstnehmers oder des Dienstgebers, durch vorzeitige Auflösung oder durch vorzeitigen Austritt während der Dienstperiode ende. Der Teil der für die ganze Periode dem Dienstnehmer gebührenden Remuneration, welcher der wirklichen Dienstzeit entspreche, sei durch den Verlauf dieser Dienstzeit bereits ins Verdienen gebracht worden und könne dem Dienstnehmer durch nachfolgende Lösung des Dienstverhältnisses nicht wieder entzogen werden (ZBl 1919/39, im gleichen Sinn auch OGH vom 4.2.1914, Fuchs Nr 151 b).

Die Regelungen der §§ 16 und 40 Handlungsgehilfengesetz wurden in das Angestelltengesetz vom 11.5.1921 übernommen. Lenhoff verwies daher in seiner kommentierten Gesetzesausgabe des Angestelltengesetzes (1921) in den Anmerkungen 4, 5 und 6 zu § 16 auf die obzitierten, zu § 16 Handlungsgehilfengesetz ergangenen Entscheidungen. Auch Grünberg vertrat in seinem System "Das österreichische Angestelltenrecht" (1926), 53 f, die Auffassung, daß nach der zwingenden Bestimmung des § 16 AngG der Angestellte den Anspruch auf Remuneration quotenmäßig fortlaufend von Tag zu Tag erwerbe. Scheide er vor der Fälligkeit des Anspruches - aus welchen Gründen immer - aus, sei ihm die der im Dienst zugebrachten Zeit entsprechende Quote zugewachsen. Hingegen vertrat Lautner in "Geltendes und künftiges Angestelltenvertragsrecht auf rechtsvergleichender Grundlage unter Berücksichtigung des deutschen Entwurfes eines allgemeinen Arbeitsvertragsgesetzes und der tschechoslowakischen Entwürfe", I, Teil (1927), 429, offenbar unter dem Einfluß des deutschen Entwurfes - nach dem die Gratifikation im Zweifel nicht zu zahlen war, wenn der Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsvertrages vor Fälligkeit verschuldet oder durch eine nicht in der Person des Arbeitgebers begründete Kündigung herbeigeführt hat - die Auffassung, daß auch nach österreichischem Recht vereinbart werden dürfe, daß die Remuneration im Falle begründeter, vom Arbeitnehmer verschuldeter Entlassung nicht zu zahlen sei.

Zu der in der Folge zu § 16 AngG ergangenen Judikatur hat Mayer-Maly in "Die Weihnachtsremuneration", JBl 1956, 196 ff und 220 ff (220 f) Stellung genommen und unter Hinweis auf die Entscheidung ZBl 1919/39 die Ansicht vertreten, daß die in zahlreichen Kollektivverträgen vorgesehenen Ausnahmen von der Aliquotierung für bestimmte Arten der Auflösung des Dienstverhältnisses keinesfalls für dem Angestelltengesetz unterliegende Dienstverhältnisse gelten. Die einzige in diesem Zusammenhang zitierte weitere Entscheidung des OGH vom 8.7.1952, Arb 5462 - in der ein Anspruch auf Remuneration bei Ausscheiden vor Fälligkeit unter Ablehnung einer analogen Anwendung des § 16 AngG verneint wurde - betraf nicht einen Angestellten, sondern einen Arbeiter. Erstmals in der Entscheidung vom 20.5.1969, SozM I C 721 hat der Oberste Gerichtshof - allerdings unter Hinweis auf die Freiwilligkeit und jederzeitige Widerruflichkeit der gewährten Remunerationen - einen Anspruch des vor dem Stichtag ausgeschiedenen Angestellten auf aliquote Remuneration verneint. Eine Arbeitsordnung, nach der der Anspruch des Angestellten auf Remuneration bei Ausscheiden vor Fälligkeit von der Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht wurde, erachtete der Oberste Gerichtshof erstmals in der Entscheidung vom 6.10.1970, Arb 8806 = ZAS 1971, 142 (zustimmend Winkler) mit § 16 AngG vereinbar, da diese Bestimmung einen Anspruch auf periodische Remuneration nicht festsetze, sondern ihn voraussetze; darüber, ob ein solcher Entgeltanspruch überhaupt bestehe, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen er gewährt werde und wann er fällig sei, sage die Gesetzesstelle nichts, sondern überlasse die Regelung dieser Frage einer Vereinbarung, allenfalls dem Ortsgebrauch. Auch in der Entscheidung vom 21.9.1971, Arb 8898, hielt der Oberste Gerichtshof zu dem eine ähnliche Regelung wie § 16 AngG enthaltenden § 14 Abs 3 nöLAO an der Auffassung fest, daß es mit dem Gesetzeszweck vereinbar sei, den Anspruch auf aliquote Remuneration von der Art der Auflösung des Arbeitsverhältnisses abhängig zu machen. Die Entscheidung vom 14.9.1971, ZAS 1972, 182 (Koppensteiner), in der der Oberste Gerichtshof die Anwendung des § 16 AngG auf erfolgsabhängige Prämien ablehnte, ist für den vorliegenden Fall, in dem es um eine erfolgsunabhängige Remuneration geht, nicht von Bedeutung.

Mit der Entscheidung vom 24.6.1975, ZAS 1976, 146, erkannte der Oberste Gerichtshof einem Angestellten, der sein Arbeitsverhältnis durch Kündigung vor Fälligkeit der Remuneration beendet hatte, die aliquote Remuneration zu, weil sie bedingungslos vereinbart worden sei. In der Besprechung dieser Entscheidung verwies Tomandl - unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des § 16 AngG - darauf, daß es zwar dem Arbeitgeber unbenommen bleibe, das Entstehen des Anspruches an bestimmte Bedingungen zu knüpfen, aber mit der Einschränkung, daß derartige Bedingungen sich nicht - entgegen der Vorschrift des Gesetzes - auf das Erlöschen des Anspruches wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Fälligkeit beziehen dürfen. Nur dann, wenn - wie beim echten Bilanzgeld - die Remuneration mit einer ganz bestimmten, zeitlich begrenzten Tätigkeit (etwa der Bilanzerstellung) in Verbindung stehe, könne das Entstehen des Anspruches an die Fertigstellung dieser zeitlich befristeten Tätigkeit gebunden werden. Werde das Entstehen des Remunerationsanspruches hingegen an einen bestimmten Tag gebunden, ohne daß der Anspruch mit einer spezifischen Tätigkeit oder Leistung des Arbeitnehmers verknüpft wäre, liege eine unzulässige Umgehung des § 16 AngG vor.

Ohne Auseinandersetzung mit dieser Kritik und den weiteren kritischen Äußerungen (Martinek-Schwarz, AngG und Spielbüchler-Floretta, Arbeitsrecht I, siehe Apathy in DRdA 1976,

251) hielt der Oberste Gerichtshof auch in den Entscheidungen vom 16.12.1975, DRdA 1976, 250 (zustimmend Apathy) = ZAS 1977, 102 (zustimmend Mayer-Maly) = Arb 9427 sowie vom 27.7.1977, ZAS 1978, 225 (zustimmend Müller) = Arb 9625 daran fest, daß es zulässig sei, dem Angestellten einen Remunerationsanspruch unter der Bedingung des aufrechten Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag zuzugestehen.

Unter ausführlicher Darstellung der zu § 16 Handlungsgehilfengesetz und § 16 AngG bestehenden Rechtsprechung und Lehre vertrat auch Binder in "Rechtsgrundlagenprobleme der Remunerationsgewährung" ZAS 1984, 49 ff (58 ff), die Ansicht, daß - entgegen der vom Obersten Gerichtshof in seiner älteren Rechtsprechung und vom Landesgericht für ZRS Wien in der Entscheidung vom 20.2.1975, Arb 9380, vertretenen

Auffassung - § 16 AngG der Vereinbarung von an die Betriebszugehörigkeit anknüpfenden Leistungsgewährungsklauseln nicht entgegenstehe. Hingegen erachten neben Tomandl (in seiner oben zitierten Entscheidungsbesprechung) auch Spielbüchler in Spielbüchler - Floretta - Strasser, Arbeitsrecht I3, 179, Schwarz - Löschnigg in Arbeitsrecht4, 256 und Martinek-Schwarz in Angestelltengesetz6, 326 f, eine derartige aufschiebende Bedingung für gesetzwidrig.

In der zum gegenständlichen Kollektivvertrag ergangenen Entscheidung vom 30.8.1989, 9 Ob A 177/89, RdW 1990, 25, schloß sich der Oberste Gerichtshof der von der zuletzt zitierten Lehre vertretenen Auffassung an; eine Bestimmung, die das Entstehen des Anspruches auf Sonderzahlungen vom einjährigen ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses abhängig mache, verstoße gegen die zwingende Vorschrift des § 16 AngG.

Die Argumentation des Antragstellers bietet keinen Anlaß, von dieser am Regelungszweck des § 16 AngG orientierten Rechtsauffassung abzugehen. Wie schon Mayer - Grünberg im Kommentar zum Handlungsgehilfengesetz, 194, überzeugend dargelegt haben, verstoßen Bedingungen gegen den Gesetzeszweck, die ein Erlöschen des Anspruches wegen Beendigung des Dienstverhältnisses vor dem Fälligkeitstag vorsehen. Geht man vom Zweck der zwingenden Bestimmung des § 16 AngG aus, dem Angestellten das durch die Arbeitsleistung quotenmäßig fortlaufend von Tag zu Tag verdiente Entgelt auch dann zu sichern, wenn er vorzeitig ausscheidet (siehe Grünberg, Das österreichische Angestelltenrecht 1926, 53 f; Tomandl ZAS 1976, 149), dann ist der einleitende Halbsatz des § 16 AngG "falls der Angestellte Anspruch auf eine periodische Remuneration oder auf eine andere besondere Entlohnung hat" einschränkend dahin auszulegen, daß das Entstehen des Anspruches auf Remuneration nicht von der aufschiebenden Bedingung des aufrechten Bestehens des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden darf. § 3 Abs 3 und 4 des gegenständlichen Kollektivvertrages machen jedoch den Anspruch auf Remuneration vom einjährigen Bestehen des ungekündigten Dienstverhältnisses abhängig und verstoßen mit dieser auf einen Stichtag abzielenden Bedingung, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der obzitierten Entscheidung vom 30.8.1989 ausgesprochen hat, daher gegen die zwingende gesetzliche Regelung des § 16 AngG.

Der Feststellungsantrag war daher abzuweisen.

Anmerkung

E25494

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00609.9.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19910116_OGH0002_009OBA00609_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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