TE OGH 1991/1/16 2Ob642/90

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Veröffentlicht am 16.01.1991
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Zehetner, Dr. Schwarz und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Otto Hauck, Rechtsanwalt in Kirchdorf, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Manfred Meyndt und Dr. Dominikus Schweiger, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 189.000 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6. September 1990, GZ 6 R 162/90-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 20. April 1990, GZ 6 Cg 385/89-90, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.131,60 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kaufte am 20. 3. 1989 bei der beklagten Partei einen PKW Marke Audi 200 Turbo, Baujahr 1984, um den Gesamtkaufpreis von S 189.000,-. Im Kaufvertrag ist festgehalten, daß der PKW der Klasse 3 der Gebrauchtwagen-Bewertungsskala zuzuordnen ist, der tatsächliche Zustand des Fahrzeuges stand mit dieser Einstufung auch in Einklang. Allerdings nahmen beide Parteien an, daß aufgrund eines Vorschadens nur der rechte vordere Kotflügel ausgetauscht worden war. Tatsächlich war der PKW in einem größeren Umfang beschädigt gewesen, was für einen Fachmann zu erkennen war. Unfallsbedingt hatte das Getriebegehäuse einen Riß. Daß zur Zeit der Übergabe der Kompressor der Klimaanlage oder die Servopumpe der Lenkung bereits undicht waren, steht nicht fest. Ein Defekt an der Zylinderkopfdichtung entstand erst während der Verwendung des PKW durch den Kläger. Der Schaden am Getriebegehäuse kann nur durch den Einbau eines neuen Getriebekorbes behoben werden. Die Kosten hiefür betragen S 11.500,- inklusive Umsatzsteuer. Hätte der Kläger vom Umfang der Vorschäden Kenntnis gehabt, hätte er den PkW nicht gekauft. Nachdem der Kläger Kenntnis vom Schaden am Getriebegehäuse erlangt hatte, reklamierte er Anfang Mai und ließ den PKW zur Durchführung einer entsprechenden Reparatur bei der beklagten Partei. Als er das Fahrzeug dann abholte, war entgegen seinen Erwartungen kein neuer Getriebekorb eingebaut. Da die Lieferfrist eines solchen sechs bis acht Wochen betrug, hat die beklagte Partei den Riß nur schweißen lassen. Dies war als Provisorium gedacht, die beklagte Partei hatte einen neuen Getriebekorb bestellt. Bei Abholung des PKW kam es zwischen dem in seinen Erwartungen über die Reparatur enttäuschten Kläger und dem Geschäftsführer der beklagten Partei zu einer heftigen Auseinandersetzung, es kam sogar zum Einschreiten der Polizei. Der Geschäftsführer der beklagten Partei teilte dem Kläger seine Absicht, einen neuen Getriebekorb einzubauen, nicht mit. Mit Schreiben vom 17. 8. 1989 forderte der Klagevertreter die beklagte Partei auf, verschiedene Mängel am PKW, unter anderem den Schaden am Getriebe, bis 18. 9. 1989 zu beheben; andernfalls werde der Kläger vom Vertrag zurücktreten oder die Mängel auf Kosten der beklagten Partei beheben lassen. Die beklagte Partei reagierte auf dieses Schreiben nicht.

Mit seiner am 18. 12. 1989 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises von S 189.000,-. Er führte aus, die beklagte Partei habe eine Mängelbehebung abgelehnt und das Schreiben, in welchem der Vertragsrücktritt angedroht worden sei, unbeantwortet gelassen. Die beklagte Partei habe den Irrtum des Klägers über den Zustand des PKW veranlaßt und verschuldet, bzw hätte ihr dieser auffallen müssen. Für den Fall, daß die Vertragsaufhebung als nicht gerechtfertigt angesehen werde, begehre der Kläger Preisminderung in der Höhe von S 94.500,-.

Die beklagte Partei wendete ein, die Mängel seien behoben worden, Gewährleistungsansprüche seien verfristet, der Kläger habe sich nicht im Irrtum befunden. Der Kläger sei seit der Übergabe mit dem PKW 31.000 km gefahren, der PkW sei dadurch um S 30.000,- bis S 40.000,- weniger wert geworden. Eine Klagsstattgebung könnte überdies nur Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW erfolgen.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit S 189.000,- und die Gegenforderung (eine solche hatte die beklagte Partei nie eingewendet) mit S 52.600,- zu Recht besteht und die beklagte Partei daher schuldig sei, dem Kläger Zug um Zug gegen Herausgabe des PKW den Betrag von S 136.400,- samt 4 % Zinsen seit 20. 3. 1989 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 52.600,- sowie das Zinsenmehrbegehren wurden abgewiesen. Das Erstgericht führte aus, der Kläger könne Gewährleistungsansprüche geltend machen. Der Schaden am Getriebe stelle einen wesentlichen behebbaren Mangel dar, der zunächst einen Verbesserungsanspruch des Klägers begründe. Da die beklagte Partei dem Verbesserungsbegehren nicht entsprochen habe, stehe dem Kläger ein Anspruch auf Vertragsaufhebung zu. Auf die Frage der Irrtumsanfechtung sei daher gar nicht mehr einzugehen. Im Zuge der Rückabwicklung sei allerdings zu beachten, daß der Kläger einen Ausgleich dafür leisten müsse, daß ihm der PKW durch eine geraume Zeit zur Verfügung gestanden sei. Diesen Vorteil nehme das Erstgericht mit S 52.600,- an. Dieser Betrag übersteige zwar die mit S 30.000,- bis S 40.000,- bezifferte Gegenforderung der beklagten Partei, jedoch erscheine eine strenge Anwendung des § 405 ZPO auf eine nur aufrechnungsweise geltend gemachte Forderung nicht notwendig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, der Kläger habe über das Maß der Schäden des PKW geirrt gehabt, dieser Irrtum sei auch wesentlich gewesen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung sei jedoch, daß der Vertragspartner entweder den Irrtum veranlaßt habe, dieser ihm aus den Umständen offenbar hätte auffallen müssen, oder der Irrtum rechtzeitig aufgeklärt worden sei. Die letztgenannte Voraussetzung scheide jedenfalls aus. Offenbar auffallen müsse ein Irrtum, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen, er demnach den Irrtum des Partners fahrlässig nicht entdeckt hätte. Im vorliegenden Fall wäre zwar der beklagten Partei als Sachverständigem erkennbar gewesen, daß nicht nur der rechte vordere Kotflügel vom Vorschaden betroffen gewesen sei, doch habe das Fahrzeug der im Kaufvertrag vermerkten Klasse 3 der Gebrauchtfahrzeug-Bewertungsskala entsprochen, nach welcher "frühere behobene Unfallschäden" an der Karosserie und Reparaturen und Abnützungserscheinungen am mechanischen Teil vorliegen dürfen. Es stehe nicht fest, daß der beklagten Partei erkennbar gewesen sei, der Kläger sei lediglich von einem geringfügigen Vorschaden ausgegangen. Der beklagten Partei habe der Irrtum des Klägers nicht auffallen müssen. Der Irrtum sei aber auch von der beklagten Partei nicht veranlaßt worden. Eine Veranlassung könnte nur in einem Nichtaufklären über den tatsächlichen Zustand des PKW erblickt werden. Lediglich dann, wenn entsprechende Aufklärungspflichten - die sich am Verkehrsüblichen orientierten - bestanden hätten, liege im Unterlassen der Aufklärung eine Irrtumsveranlassung vor. Eine generelle Pflicht zur Aufklärung des Käufers eines Gebrauchtwagens über die Zahl der Vorbesitzer und über die Art der Vorschäden bestehe grundsätzlich nicht, wenn im Zustandsbericht über das Fahrzeug festgehalten ist, daß Vorschäden vorliegen können. Lediglich im Falle einer ausdrücklichen Befragung wäre eine derartige Aufklärungspflicht anzunehmen (ZVR 1985/143), die jedoch weder behauptet noch festgestellt worden sei. Eine Anfechtung des Kaufvertrages wegen Irrtums sei daher nicht möglich, wohl aber infolge erfolglosen Verbesserungsbegehrens mit Nachfristsetzung. Zu prüfen sei nur, ob dieses Begehren nicht nach § 933 ABGB verfristet sei, weil auch der Vertragsrücktritt nach erfolglosem Verbesserungsbegehren innerhalb der Gewährleistungsfrist zu erfolgen habe. Die Frist beginne mit der Übergabe des Kaufgegenstandes. Anerkenne jedoch der Verkäufer einen Mangel und erkläre sich zur Verbesserung bereit, so unterbreche dies die Gewährleistungsfrist, dem Berechtigten stehe neuerlich die Gewährleistungsfrist zur Geltendmachung des anerkannten Mangels offen. Die Vereinbarung der Verbesserung selbst bewirke eine weitere Hemmung bis zum Ablauf der Verbesserungsfrist bzw bis zu jenem Zeitpunkt, an welchem klar sei, daß der Unternehmer den Mangel nicht beheben könne oder wolle bzw der Unternehmer die Verbesserung vorzeitig für beendet erkläre. Im vorliegenden Fall bedeute dies, daß die Gewährleistungsfrist Anfang Mai durch die Bereitschaft der beklagten Partei, den Mangel am Getriebe zu beheben, unterbrochen worden sei. Der Beginn der neuen Frist sei für die Dauer der vereinbarten Reparatur gehemmt gewesen. Da das Schweißen des Getriebekorbes bloß ein Provisorium gewesen sei, sei von einer Hemmung des Fristenlaufes bis zur Durchführung der endgültigen Reparatur, nämlich des Austausches des Getriebekorbes auszugehen. Dies würde, abgestellt auf die übliche Zeit der Beschaffung des Getriebes und seinen Einbau, eine Hemmung der Gewährleistungsfrist im Ausmaß von 6 bis 8 Wochen, beginnend Anfang Mai 1989, bedeuten. Zu prüfen sei allerdings, welchen Einfluß die Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der beklagten Partei Anfang Mai 1989 gehabt habe, als deren Folge sich der Kläger in seinen Erwartungen über eine ordnungsgemäße Reparatur getäuscht gefühlt habe, während der Geschäftsführer seine Absicht, einen neuen Getriebekorb einzubauen, nicht mitgeteilt habe. Bei objektiver Betrachtung dieser Auseinandersetzung könne nicht davon ausgegangen werden, die beklagte Partei habe die zugesagte Verbesserung vorzeitig für beendet erklärt bzw sich derart verhalten, daß klar gewesen sei, sie werde die Reparatur nicht zu Ende führen. Die Hemmung des Fristenlaufes sei also bis etwa Ende Juni 1989 anzunehmen, so daß die Klage rechtzeitig eingebracht worden sei.

Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt Abänderung der Entscheidung dahin, daß das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellt die beklagte Partei einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig (§ 502 Abs 1 ZPO) aber nicht berechtigt. Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, der Kläger könne sein Begehren nicht mit Erfolg auf den Titel der Gewährleistung stützen, die Gewährleistungsfrist sei zur Zeit der Einbringung der Klage bereits abgelaufen gewesen. Auf diese Ausführungen braucht jedoch nicht eingegangen zu werden, denn die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums führt jedenfalls zum Erfolg.

Wie schon das Berufungsgericht ausführte, ist auf Grund der Feststellungen davon auszugehen, daß sich der Kläger in einem Irrtum befand, weil er der Meinung war, der PKW sei bei dem Unfall nur in einem geringeren Ausmaß beschädigt worden, als dies tatsächlich der Fall war. Hätte der Kläger vom tatsächlichen Ausmaß der Schäden Kenntnis gehabt, hätte er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, der Irrtum war also wesentlich (JBl 1971, 304; JBl 1981, 452). Die Wesentlichkeit des Irrtums ergibt sich auch daraus, daß der Wert des PKW, den der Kläger um S 189.000,-

kaufte, laut Sachverständigengutachten ON 8 - insbesondere wegen der Vorschäden - nur S 147.000,- betrug. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes wurde der Irrtum von der beklagten Partei veranlaßt. Im Kaufvertrag ist festgehalten, das Fahrzeug sei fachmännisch überprüft worden und befinde sich in der Klasse 3 der Gebrauchtfahrzeug-Bewertungsskala. Nach dieser sind, den mechanischen Zustand betreffend, "mittlerem Kilometerstand entsprechende Reparaturen und Wartungsarbeiten erforderlich, z.B. Stoßdämpfer oder Zündkerzen defekt." Der Riß im Getriebegehäuse ist kein Defekt, der auf Grund eines "mittleren Kilometerstandes" zu erwarten war, dieser Schaden ist nicht darauf zurückzuführen, daß das Fahrzeug schon längere Zeit in Gebrauch war, sondern Ursache hiefür war ein Verkehrsunfall. Ein nicht behobener wesentlicher Defekt, der auf einen Unfall zurückzuführen ist, hätte bei einer Einstufung des Fahrzeuges in die Klasse 3 der Gebrachtfahrzeug-Bewertungsskala aber nicht vorhanden sein dürfen. Die im Kaufvertrag enthaltene Beschreibung des Zustandes des PKW war daher unrichtig, sodaß die beklagte Partei den Irrtum des Klägers veranlaßte. Daß auch die beklagte Partei keine Kenntnis vom Riß im Getriebegehäuse hatte, vermag daran nichts zu ändern, denn es genügt, daß das Verhalten der beklagten Partei, nämlich die unrichtige Beschreibung des Zustandes des PKW im Kaufvertrag, für den Irrtum des Klägers ursächlich war. Ein Verschulden der beklagten Partei am Zustandekommen des Irrtums des Klägers ist nicht erforderlich (Rummel in Rummel2 Rz 15 zu § 871; SZ 46/84; SZ 55/51 uva).

Der Kläger ist daher berechtigt, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten. Der sich aus der Rückabwicklung ergebende Anspruch des Klägers auf (teilweise) Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückstellung des PKW besteht somit zu Recht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E25030

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:002OB000642.9.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19910116_OGH0002_002OB000642_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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