Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Hempel, Dr. Dieter Cerha, Dr. Benedikt Spiegelfeld und Dr. Edith Hlawati, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. G***** M*****, Rechtsanwalt, Wörgl, Speckbacherstraße 14, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des O***** M***** (AZl. S 47/83 des Landesgerichtes Innsbruck) wegen Feststellung (Streitwert S 2,190.079,50), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13. Juni 1990, GZ 2 R 80/90-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. November 1989, GZ 14 Cg 116/88-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.632,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 3.938,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Gemeinschuldner hatte in einem sale- und lease-back-Verfahren die Liegenschaft EZ 476 II KG ***** mit einer Doppelwohnhausanlage von der klagenden Partei geleast. Die klagende Partei löste den Leasingvertrag wegen qualifizierten Zahlungsrückstandes des Gemeinschuldners gemäß Punkt 13 zum 31. 12. 1982 vorzeitig auf. Nach Fällung eines den Zahlungsrückstand betreffenden Teilanerkenntnisurteils ist nur noch das Begehren der klagenden Partei auf Feststellung einer Konkursforderung dritter Klasse in Höhe von S 2,190.079,50 Gegenstand des Rechtsstreites. Die klagende Partei behauptet, daß ihr aus der Auflösung des Leasingvertrages ein Schaden in Höhe des Barwertes von S 10,634.988,07 entstanden sei, der sich durch die Mietzinseingänge von S 617.508,52 und den Erlös aus der Verwertung des Leasingobjektes von S 7,827.400,- auf S 2,190.079,50 verringert habe.
Der Beklagte hat unter anderem Verletzung der Schadensminderungspflicht bei Verwertung des Leasingobjektes geltend gemacht und die Abweisung des Klagebegehrens beantragt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen hat die klagende Partei in Zeitungsinseraten die Wohnungen angeboten und im Juni 1983 den Hausverwalter R***** R*****, ersucht, er möge Käufer für die Wohneinheiten zum Preise von rund S 8.700,- pro m2 finden. Aufgrund dieser Bemühungen gelang es ihr in der Zeit zwischen August 1982 bis September 1984 im Hause Nr. 3 die Wohnungen top. A, B, D, F und H und im Hause Nr. 4 die Wohnungen top. M, N und O, zusammen 613/1199-Anteile der Liegenschaft in Wohnungseigentum um insgesamt S 5,159.000,-
zu verkaufen. Der durchschnittliche Preis betrug S 7.904,- pro m2 Nutzfläche. Übrig blieben im Hause Nr. 3 die Wohneinheiten top. C, E und G und im Hause Nr. 4 die Wohneinheiten top. I, J, K, L und P, die instandsetzungsbedürftig waren. Mit Kaufvertrag vom 27. 2. 1986/27. 3. 1986 samt Nachtrag vom 12. 8. 1986/26. 8. 1986 und einer nachfolgenden Vereinbarung vom 30. 10. 1986 verkaufte die klagende Partei die Wohneinheiten top. C, E und G des Hauses Nr. 3 sowie die Wohneinheiten I, J, K, L und P des Hauses Nr. 4 (insgesamt 586/1199-Anteile) mit einer Nutzfläche von 620,15 m2, sowie die neun nicht parifizierten Garagen und die beiden nicht parifizierten Kellerabteile zu einem Gesamtkaufpreis von S 2,8 Mill. an E***** M*****. Irgendwelche Bemühungen der klagenden Partei zwischen September 1984 und Feber 1986, diese Einheiten zu verkaufen, konnten nicht festgestellt werden. Vor dem Verkauf an E***** M***** bot dieser der klagenden Partei die Verkaufsvermittlung im Rahmen eines Alleinvermittlungsauftrags an. Die klagende Partei erteilte ihm jedoch keinen Vermittlungsauftrag. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre es E***** M***** im Falle eines Alleinvermittlungsauftrags gelungen, etwa 1986 zumindest den Großteil der Wohneinheiten zu angemessenen Preisen zu verkaufen. Mit Kaufvertrag vom 1. 8. 1986 verkaufte E***** M***** die von der klagenden Partei gekauften Wohnungen, Garagen und Kellerabteile um insgesamt S 3,150.000,-
an die C***** Gesellschaft mbH & Co KG, deren Alleingesellschafter er ist. Diese Gesellschaft konnte binnen weniger Wochen die Einheiten top. K, P, E, I und G und im Jänner 1988 die Einheit top. C, sohin sechs Wohnungen mit einer Gesamtnutzfläche von rund 470 m2 um S 3,806.000,- (=zum Mittelwert von S 8.098,- pro m2 Nutzfläche) verkaufen. Die an E***** M***** verkauften Wohnungen, Garagen und Kellerabteile hatten einen Verkehrswert von S 5,066.281,-, wovon S 4,536.281,-
auf die Wohnungen entfielen. Der mit E***** M***** vereinbarte Kaufpreis hat somit nur 55,27 % des Verkehrswertes des gesamten Kaufgegenstandes ausgemacht. Im Falle angemessener, zu einem Verkauf derartiger Wohnungen üblicherweise erforderlicher Bemühungen - durch Einschalten von Realitätenvermittlern und Aufgabe von Inseraten - wäre es der klagenden Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen 1985 und 1986 gelungen, die acht Wohneinheiten zu einem zumindest um S 2,190.079,50 höheren Verkaufserlös zu veräußeren. Der Lärm und der Gestank von der nahe der Wohnhausanlage vorbeiführenden Inntalautobahn sind zwar nachteilig, aber die Wohnhausanlage ist in relativ ansprechender Bauweise errichtet und wird von einer großen Grünfläche umgeben; dies wirkt sich vorteilhaft aus. Die Wohnhausanlage liegt am nördlichen Ortsrand von R***** in einem relativ dicht besiedelten Großraum mit zahlreichen mittelständischen Betrieben. In diesem Bereich besteht und bestand auch schon in den Jahren 1985 und 1986 eine vermehrte Nachfrage nach Eigentumswohnungen. Bei ordnungsgemäßer kaufmännischer Verwertung der seit 1984 übrig gebliebenen Wohneinheiten hätte die klagende Partei mit hoher Wahrscheinlichkeit angemessene Preise in Höhe etwa des Verkehrswertes erzielen können.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei die klagende Partei infolge der berechtigten vorzeitigen Auflösung des Leasingvertrages gehalten gewesen, den Leasinggegenstand mit kaufmännischer Sorgfalt bestmöglich zu verwerten. Gegen diese Schadensminderungspflicht habe die klagende Partei verstoßen, weil sie nach Auflösung des Vertrages nur geringe Anstrengungen zur bestmöglichen Verwertung des Leasinggegenstandes unternommen habe. Da die klagende Partei bei entsprechend sorgfältigen Verkaufsbemühungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen insgesamt um S 2,190.079,50 höheren Verkaufserlös hätte erzielen können, habe sie keinen Anspruch auf Ersatz ihres, diesen Betrag nicht übersteigenden Schadens.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revivison nach § 502 Abs.1 ZPO zulässig ist. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte im wesentlichen auch dessen Rechtsansicht.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die in der Revision gerügte Aktenwidrigkeit liegt, wie die Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ergibt, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die klagende Partei hat das Dauerschuldverhältnis der Parteien auf Grund eines dem Gemeinschuldner zurechenbaren Verhaltens aufgelöst und ist daher berechtigt, von ihm den Ersatz des ihr durch die Vertragsverletzung entstandenen Schadens zu fordern. Es stand ihr frei, diesen Schaden abstrakt oder, wie hier nach Abschluß eines Deckungsgeschäftes, konkret zu berechnen und geltend zu machen (JBl. 1983, 534 mwN). Es ist auch zwischen den Parteien nicht strittig, daß die klagende Partei zur Verwertung des Leasinggegenstandes berechtigt war. Es traf sie aber die Obliegenheit, den Schaden möglichst gering zu halten und ein möglichst günstiges Deckungsgeschäft vorzunehmen (SZ 57/129 mwN). Diese Pflicht ergibt sich daraus, daß nach Auflösung des Vertragsverhältnisses die primären Leistungsansprüche aus dem Schuldverhältnis zwar erlöschen, die Schutz- und Sorgfaltspflichten aber bis zur Rückabwicklung aufrechtbleiben. Beide Teile haben daher dafür einzustehen, daß dem jeweiligen Vertragspartner aus der Liquidation des Vertragsverhältnisses kein Schaden zugefügt wird (Esser-Schmidt6 Schuldrecht I 428; vgl. auch Rummel in Rummel2 Rz 8 zu § 859). Der Standpunkt der klagenden Partei, sie sei mangels einer entsprechenden Vereinbarung in der Verwertung des Leasinggegenstandes ohne Rücksicht auf die Interessen des Vertragspartners völlig frei gewesen, ist daher abzulehnen; auch außerhalb bestehender oder bestandener, aber nachwirkender Vertragsverhältnisse ist der Geschädigte verpflichtet, den Schaden möglichst gering zu halten und von sich aus alle zumutbaren Maßnahmen zur Schadensminderung zu treffen (SZ 56/3 mwN). Richtig ist lediglich, daß die klagende Partei mangels einer entsprechenden Vereinbarung nicht zu einer bestimmten Verwertungsart verpflichtet war. Zu Unrecht beruft sich die klagende Partei darauf, daß bei einer Gesamtverwertung ein geringerer Erlös erzielt worden wäre. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat sich die klagende Partei vom September 1984 bis Feber 1986 um die Verwertung der restlichen Wohneinheiten nicht ernsthaft bemüht, diese aber schließlich um 55,27 % des Verkehrswertes veräußert. Bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wäre die klagende Partei verpflichtet gewesen, sich durch zumutbare verkehrsübliche Maßnahmen, wie Erteilung eines Vermittlungsauftrags oder Aufgabe von Inseraten, um die Verwertung der Wohnungseinheiten zum Verkehrswert zu bemühen (vgl. SZ 56/3). Hat sich die klagende Partei nicht so verhalten, wie sie sich verhalten hätte sollen und können, handelte sie rechtswidrig und schuldhaft (vgl. Koziol-Welser8 I 419). Insoweit die Revision davon ausgeht, daß eine ordnungsgemäße kaufmännische Verwertung stattgefunden hat, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt. Fraglich ist demnach lediglich, ob es für die Zurechnung eines höheren Verkaufserlöses an die klagende Partei genügt, daß bei entsprechenden Bemühungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ein den behaupteten Schaden der klagenden Partei erreichender oder übersteigender Verkaufserlös hätte erzielt werden können. Die von der Rechtsmittelwerberin für ihren ablehnenden Standpunkt bezogenen Entscheidungen betrafen anders gelagerte Sachverhalte und Fragen, so daß aus ihnen für die klagende Partei nichts zu gewinnen ist. Der klagenden Partei fällt zur Last, daß sie die bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes geboten gewesenen Maßnahmen zum Abschluß möglichst günstiger Deckungsgeschäfte unterlassen hat. Bei Schadenszufügung durch Unterlassung ist aber in der Regel nur auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges Bedacht zu nehmen. Der Geschädigte ist nur dafür beweispflichtig, daß überwiegende Gründe für die Annahme vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten des Schädigers herbeigeführt worden (SZ 56/181 mwN). Nichts anderes kann auch für den Schadensminderungspflichtigen gelten. Hat dieser die gebotenen Maßnahmen zum Abschluß eines möglichst günstigen Deckungsgeschäftes unterlassen, genügt es, wenn feststeht, daß bei Vornahme entsprechender Bemühungen der Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können. Da dies hier feststeht, ist die klagende Partei dem Gemeinschuldner wegen Verletzung der Schadensminderungspflicht ersatzpflichtig und hat mit Rücksicht auf die Höhe der versäumten Minderung nichts mehr zu fordern (Koziol, Die Schadensminderungspflicht in JBl. 1972, 228).
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E27152European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00038.9.0117.000Dokumentnummer
JJT_19910117_OGH0002_0080OB00038_9000000_000