TE OGH 1991/1/31 8Ob628/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz S*****, vertreten durch Dr.Elfriede Dämon, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wider die beklagte Partei Firma P***** KG *****, vertreten durch Dr.Erich Druckenthaner, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 216.343,90 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 26.April 1990, GZ 6 R 28/90-62, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 20.Oktober 1989, GZ 3 Cg 335/88-54, bestätigt wurde, den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.569 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 1.441,50 Umsatzsteuer und S 1.920 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zu Recht verweist der Revisionsgegner darauf, daß - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes und des Revisionswerbers - die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen.

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes geschlossen, daß mit dem Haftrücklaß in erster Linie eine Deckung für zunächst verborgene Mängel geschaffen und ein Hinausschieben der Endabrechnung im Hinblick auf allenfalls noch vorhandene, aber zunächst nicht erkennbare Mängel verhindert werden soll, daß damit aber nicht automatisch auf das darüber hinausgehende Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers mangels Fälligkeit des Werklohns wegen Unterlassung einer Verbesserung des mangelhaften Werkes verzichtet wird. Das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers ist bei einer von ihm verlangten Verbesserung des übernommenen mangelhaften Werkes dispositiver Natur. Ob die Vereinbarung eines Haftrücklasses in bestimmter Höhe das Recht auf Leistungsverweigerung auf den vereinbarten Betrag beschränken soll, ist nach den Auslegungsregeln der §§ 914 ff ABGB zu ermitteln (so OGH im ersten Rechtsgang WBl 1987, 314; ebenso Ecolex 1990, 283 ua). Da die Parteien hierüber nur schriftliche, aber keine zusätzliche mündliche Abreden getroffen haben, sind zur Auslegung nur die vereinbarte Ö-Norm B 2110 (P 2.27) in Verbindung mit der Ö-Norm A 1060 (P 2.25.3) sowie die besonderen rechtlichen Vertragsbedingungen (P 26f), heranzuziehen; daraus ist aber nicht abzuleiten, daß der Besteller bei Vereinbarung eines Haftrücklasses auf den Einwand mangelnder Fälligkeit wegen geschuldeter mangelhafter Verbesserung des Werkes verzichtet (so auch Aicher in Rummel ABGB2 Rd 13 a zu § 1052).

Damit ist aber für den Revisionswerber nichts gewonnen, weil die Vorinstanzen aus seinem nachfolgenden Verhalten den Schluß zogen, daß er nachträglich auf das Leistungsverweigerungsrecht verzichtet hat: Er hat nämlich in der Folge außergerichtlich kompensiert, indem er von der Fälligkeit des Werklohns ausging und nur den Haftrücklaß und - wie sich jedoch in der Folge als unberechtigt herausgestellt hat - ein Pönale wegen verspäteter Fertigstellung einbehielt. Der Frage, ob im konkreten Einzelfall aus dem Verhalten des Revisionswerbers auf einen solchen Verzicht zu schließen ist oder nicht, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weil die Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes sich jedenfalls mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hiezu (vgl Rummel in Rummel ABGB2 Rd 14 und 17 zu § 863 mwN) vereinbaren lassen.

Infolge schlüssigen Verzichts auf das Leistungsverweisungsrecht ist daher der restliche Werklohn fällig, sodaß es der zusätzlichen vom Berufungsgericht herangezogenen Gründe gar nicht mehr bedurfte. Da der Revionswerber auch diese als rechtsirrtümlich und der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes widersprechend bekämpft, wird hiezu bemerkt:

a) Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Ansicht ausgesprochen, daß bei geringfügigen (unerheblichen) Mängeln, die eine Verbesserung nicht rechtfertigen, dem Besteller kein vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht zusteht (JBl 1990, 248 ua). In diesem Fall muß der Unternehmer auch nicht ausdrücklich Rechtsmißbrauch durch den Besteller einwenden (SZ 52/23 ua). Ob es sich bei dem teilweise unterbliebenen Abschleifen der Pfeiler (S. 6 des Ersturteils) um einen solchen Mangel handelt, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalles, die vom Berufungsgericht in dem vom Obersten Gerichtshof vorgegebenen Rahmen gelöst wurde.

b) Was die Frage des Erlöschens des Leistungsverweigerungsrechts infolge Fehlens des "erforderlichen funktionellen Synallagmas" anlangt, weswegen das Berufungsgericht die Revison an den Obersten Gerichtshof zuließ, hat das Berufungsgericht zu Recht geschlossen, daß eine allfällige Verbesserung nicht mehr der beklagten Partei, sondern dem nunmehrigen Eigentümer der Liegenschaft zukommt. Die beklagte Partei hätte nur dann noch ein beachtliches Interesse an der Verbesserung, wenn sie dem nunmehrigen Eigentümer gegenüber zur Verbesserung verpflichtet wäre; dies hat sie nie behauptet. Ist das aber nicht der Fall, weil dem Erwerber keine Gewährleistungsansprüche gegen den Voreigentümer zustehen, etwa weil er die Liegenschaft exekutiv erworben (SZ 56/59) oder er sich mit dem Voreigentümer über die Bereinigung der Mängel anderweitig, zB durch Vereinbarung eines Preisnachlasses geeinigt hat (RdW 1984, 41), erlischt das Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers mangels Verbesserungsinteresses und der Werklohn wird fällig; einen allfälligen Preisminderungsanspruch infolge Mangelhaftigkeit der Sache müßte der Besteller ausdrücklich einwenden (SZ 55/27).

Auch diesbezüglich liegt daher eine gefestigte oberstgerichtliche Rechtsprechung vor, sodaß die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen ist.

Die Kosten der Revisionsbeantwortung sind dem Revisionsgegner, der auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat (§§ 41, 50 iVm § 508 a Abs 2 ZPO), zuzusprechen.

Anmerkung

E25486

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00628.9.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19910131_OGH0002_0080OB00628_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten