Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef K***** KG, *****Sch*****, vertreten durch Dr. ***** G***** und Dr. ***** Sch*****, Rechtsanwälte in Sch*****, wider die beklagte Partei Otto H***** V*****, vertreten durch Dr. ***** P*****, Rechtsanwalt in W*****, sowie die Nebenintervenientin B***** Handelsgesellschaft mbH, *****W*****, vertreten durch Dr. ***** Z*****, Dr. ***** Z***** und Dr. ***** P*****, Rechtsanwälte in W*****, wegen S 25.043,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 7. September 1989, GZ R 189/89-25, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 2. Dezember 1988, GZ 2 C 2768/88-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, 1.) dem Beklagten die mit S 3.622,08 (einschließlich S 603,68 Umsatzsteuer), und 2.) der Nebenintervenientin die mit S 3.622,08 (einschließlich S 603,68 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist in der L***** Zweigstelle der B***** Handelsgesellschaft mbH als Angestellter im Außendienst tätig und benützt dort einen Büroraum. Da eine im Innendienst beschäftigte Arbeitskollegin mit Zustimmung des Dienstgebers für ihr Büro Möbel bestellt hatte, hielt sich der Beklagte für berechtigt, für sein Büro ebenfalls Möbel zu bestellen. Er sprach am 1. April 1988 bei der klagenden Partei vor, erklärte, Möbel "im Namen der Firma B*****" erwerben zu wollen, und suchte sich solche zum Gesamtkaufpreis von netto S 68.670,-- (brutto S 82.405,--) aus. Vor Unterfertigung des Kaufvertrages erklärte er, er müsse vorerst bei seiner Firma anrufen, seine Sekretärin habe ebenfalls eine Büroeinrichtung gekauft, er müsse einen Preisvergleich anstellen und fragen, ob die Bestellung in Ordnung gehe. Sodann rief er seine Kollegin an, erfuhr von dieser, daß die von ihr bestellten Möbel etwas weniger als die von ihm ausgesuchten Möbel kosteten und unterschrieb hierauf ohne Zustimmung der Geschäftsleitung den Kaufvertrag. Im Kaufvetrag war sein Dienstgeber als Käufer eingesetzt und eine binnen 14 Tagen zu leistende Anzahlung von S 32.000,-- festgelegt worden. Die Rückseite des Kaufvertrages enthielt ua. folgende Abreden:
"A) Annahme des Kaufvertrages: Es bleibt dem Verkäufer vorbehalten, diesen Antrag anzunehmen oder abzulehnen. Der Antrag gilt als angenommen, wenn er nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen seitens des Verkäufers abgelehnt wird.
J) Rücktritt des Verkäufers: 1. Der Verkäufer ist berechtigt, im Falle des Verzuges des Käufers mit einer vertraglich festgelegten Geldleistung nach Setzung einer Nachfrist von drei Wochen vom Vertrag zurückzutreten. In diesem Falle ist er zur Geltendmachung einer Konventionalstrafe von 20 % des Kaufpreises berechtigt. Der darüber hinausgehende Schaden ist vom Besteller ebenfalls zu ersetzen, insbesondere, wenn der Verkäufer bereits Einrichtungsgegenstände angefertigt hat bzw. ihre Erzeugung bereits angelaufen ist oder diese Einrichtungsgegenstände bereits versandfertig sind, auch wenn die Schadenssumme die oben erwähnten 20 % des Kaufpreises übersteigt. 2. Der Verkäufer ist darüberhinaus berechtigt, den Kaufvertrag jederzeit aufzulösen, wenn wichtige Gründe, insbesondere Finanzierungsschwierigkeiten von Seiten des Bestellers, vorliegen oder zu erwarten sind."
Nachdem der Beklagte seinen Dienstgeber durch Übermittlung einer Durchschrift des Vertrages vom Kauf verständigt hatte, lehnte dieser gegenüber der klagenden Partei die Übernahme der Vertragspflichten zunächst telefonisch und sodann am 6. April 1988 auch schriftlich mit dem Hinweis auf die mangelnde Bevollmächtigung des Beklagten ab. Dieser teilte der klagenden Partei mit Schreiben vom 8. April 1988 mit, daß die Bestellung "in diesem Ausmaß auf einem Mißverständnis beruhe, zumal er nicht zum Abschluß bevollmächtigt gewesen sei und selbst nie die Absicht gehabt habe, die Einrichtungsgegenstände für sich zu erwerben". Die klagende Partei hat wegen dieses Rücktrittes ihrerseits die bestellten Möbel nicht in Auftrag gegeben. Durch den Entfall dieses Geschäftes erlitt sie einen Gewinnentgang von S 25.043,--.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die klagende Partei den Beklagten als Scheinvertreter ("falsus procuratur") für den ihr aus dem Gewinnentgang - nach Klageeinschränkung in der vorgenannten Höhe - entstandenen Schaden in Anspruch.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil er sein Mißverständnis gegenüber der klagenden Partei umgehend aufgeklärt habe und ihr auch kein Schaden entstanden sei. Sein Dienstgeber trat dem Verfahren als Nebenintervenient bei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Beklagte als Vertreter ohne Vollmacht gemäß Art. 8 Nr. 2 EVHGB für den der klagenden Partei entgangenen Gewinn hafte.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und erklärte die Revision für zulässig. Es verwies grundsätzlich auf die Haftung nach Art. 8 Nr. 11 EVHGB, weil das Geschäft ein beiderseitiges Handelsgeschäft gewesen wäre. Nach überwiegender Lehre umfasse in diesem Falle die Ersatzpflicht des Vertreters ohne Vertretungsmacht auch den entgangenen Gewinn. Das Erstgericht habe sich jedoch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die im Wege der Einrede erfolgte Irrtumsanfechtung des Beklagten berechtigt sei. Der Irrtum des Beklagten bei der Abgabe seines Anbotes über seine Vertretungsmacht betreffe nicht ein Motiv zum Vertragsabschluß, sondern den Geschäftsinhalt selbst und sei nach Ansicht des Berufungsgerichtes Geschäftsirrtum. Der Irrtum sei auch sogleich nach dem Osterwochenende aufgeklärt worden, noch bevor die klagende Partei Dispositionen im Vertrauen auf das Geschäft getroffen gehabt habe, zumal noch nicht einmal eine ausdrückliche Annahme erfolgt sei. Bei rechtzeitiger Aufklärung, das ist zu einem Zeitpunkt, bevor der Vertragspartner noch rechtliche oder wirtschaftliche Verfügungen im Vertrauen auf den Vertrag getroffen oder eine Gelegenheit zum Abschluß eines anderen Vertrages versäumt habe, sei die Anfechtung auch dann zulässig, wenn der Irrende den Irrtum hätte vermeiden können. Dieses Recht zur Anfechtung bestehe insbesondere deshalb, weil der Vertragspartner in diesem Falle nicht schutzwürdig erscheine.
Hier bestehe kein Zweifel daran, daß der Beklagte das Geschäft bei Kenntnis seines Mangels der Vertretungsmacht nicht abgeschlossen hätte. Im übrigen könne der herrschenden Lehre, wonach der zu ersetzende Schaden im Falle der Haftung nach Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB stets auch den entgangenen Gewinn umfasse (Art. 8 Nr. 2 EVHGB), nicht beigetreten werden. Die Lehrmeinungen von Welser in GesRZ 1975, 6 und Schumacher in Straube, Komm. zum HGB Rz 20 zu Art. 8 Nr. 11 EVHGB stützten den Umfang dieser Ersatzpflicht lediglich auf Art. 8 Nr. 2 EVHGB ohne weitere Begründung. Schon wegen der von Welser selbst zutreffend aufgezeigten Sonderstellung der Haftung des Scheinvertreters nach Art. 8 Nr. 11 EVHGB (GesRZ 1975, 4 ff) könne dem nicht gefolgt werden. Wie Welser selbst zeige, hafte der Vertreter, der den Mangel der Vertretungsmacht positiv gekannt habe, nach dem ersten Absatz dieser Gesetzesstelle. Der Vertragspartner könne hier entweder Erfüllung oder den Ersatz seines Schadens verlangen. Absatz 2 dieser Gesetzesstelle schränke die Haftung des Scheinvertreters, der seinen Vollmachtsmangel nicht positiv gekannt habe, gegenüber der Haftung nach Absatz 1 ein. Absatz 3 dieser Gesetzesstelle schließe ganz im Gegensatz zur Haftung nach dem ABGB die Haftung des Vertreters überhaupt aus. Schon die Wortinterpretation dieser gesamten Gesetzesstelle zeige, daß hier eine Abstufung der Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht nach dem Umfang seiner Kenntnis vom Vollmachtsmangel einerseits (Abs. 1 und 2) sowie nach der Kenntnis des Geschäftspartners hievon (Abs. 3) vorgenommen werde. Diese Sondervorschrift, die dem § 179 BGB nachgebildet erscheine, sei nach Ansicht des Berufungsgerichtes eine lex specialis zu Art. 8 Nr. 2 EVHGB. Würde nämlich der nach Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB haftende Scheinvertreter auch dem entgangenen Gewinn zu ersetzen haben, so wäre er nicht besser gestellt als jener Scheinvertreter, der den Mangel der Vertretungsmacht positiv gekannt habe und nach Abs. 1 dieser Gesetzesstelle ebenfalls in diesem Umfang hafte. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes sei im Falle einer Haftung nach Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB lediglich das negative Vertragsinteresse (der Vertrauensschaden) zu ersetzen und der Dritte wirtschaftlich so zu stellen, wie er stünde, wenn er sich nicht auf das Zustandekommen des Vertrages eingerichtet hätte. Dies führe im konkreten Fall dazu, daß der klagenden Partei überhaupt kein Schaden entstanden sei, weil sie vor Aufklärung des Irrtums überhaupt noch keine Dispositionen getroffen gehabt habe. Die klagende Partei bestelle bei ihren Zulieferern die Waren erst, wenn sie mit einem Dritten einen Kaufvertrag hierüber abgeschlossen habe. Hätte der Beklagte bei ihr nicht bestellt, so hätte die klagende Partei nach ihrer Organisationsstruktur auch keine Waren bestellt und es sei bei dieser Geschäftsorganisation auch auszuschließen, daß sie im Vertrauen auf die Gültigkeit dieses Geschäftes den Abschluß eines anderen Geschäftes mit einem anderen Kunden unterlassen haben könnte. Durch den rechtzeitig aufgeklärten Irrtum des Beklagten würde die klagende Partei im Falle seiner Haftung auch nach Art. 8 Nr. 2 EVHGB in Wahrheit bereichert werden, denn sie würde hier in den Genuß des Gewinnes aus einem Geschäft gelangen, das sie ohne Irrtum niemals hätte abschließen können.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revisionswerberin bringt vor, der Beklagte habe in erster Instanz eine Irrtumsanfechtung nicht vorgenommen. Selbst wenn eine solche erfolgt sei, handle es sich hier aber um einen unerheblichen Motivirrtum im Sinne des § 901 ABGB und nicht um einen Geschäftsirrtum, denn der Beklagte habe über Natur und Inhalt des Geschäftes nicht geirrt, sondern über Beweggründe. Davon abgesehen seien im vorliegenden Fall die Regeln über die Irrtumsanfechtung überhaupt nicht anwendbar. Nach übereinstimmender Ansicht aller Prozeßbeteiligten sei zwischen ihnen nämlich in keinem Falle ein Vertrag zustandegekommen, sodaß eine Vertragsanfechtung nicht möglich sei. Das Berufungsgericht habe schließlich auch zu Unrecht die herrschende Lehre zur Frage abgelehnt, ob im Falle der Haftung nach Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB auch der entgangene Gewinn zu ersetzen sei. Die Anordnung des Art. 8 Nr. 2 EVHGB sei klar und deutlich. Art. 8 Nr. 11 EVHGB stelle keine lex specialis dar. Erstere Bestimmung normiere generell die Haftung auch für den entgangenen Gewinn, letztere Bestimmung ordne dies unter bestimmten Voraussetzungen für den Vertreter an, der den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt habe. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die klagende Partei habe überhaupt keinen Schaden erlitten, entbehre einer entsprechenden Feststellungsgrundlage. Es sei durchaus möglich, daß die klagende Partei bereits mit Unterfertigung des Kaufvertrages gegenüber ihren Angestellten provisionspflichtig geworden seien. Von einer Bereicherung der klagenden Partei könne nicht die Rede sein, da eine solche eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung voraussetze.
Rechtliche Beurteilung
Den Revisionsausführungen kann im Ergebnis nicht gefolgt werden.
Die Haftung des vollmachtlos Handelnden im Sinne des (§ 179 d BGB nachgebildeten) Art. 8 Nr. 11 EVHGB ist eine verschuldensunabhängige Garantie- und Erklärungshaftung eigener Art; es kommt nicht darauf an, ob und welche Art von Vertretungsmacht bewußt oder irrtümlich vorgegeben oder überschritten wurde (Welser, Vertretung ohne Vollmacht 164 ff derselbe in GesRZ 1975, 2, 4, 6; vgl. Thiele in Münchner Kommentar2 Rz 1, 34 zu § 179 d BGB). Auch in dem in Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 leg cit geregelten Falle ist die Haftung nicht verschuldensabhängig; auch die gleichlautenden Bestimmung des § 179 Abs. 2 d BGB wird - in Analogie zur Regelung der Irrtumsanfechtung nach den §§ 119, 122 d BGB - als Erklärungshaftung verstanden (Welser, Vertretung 166 u. GesRZ 1975, 3). Der Scheinvertreter haftet demnach unabhängig davon, ob er deswegen fahrlässig war, weil er den Mangel der Vollmacht kennen mußte, oder ob er über das Vorhandensein der Vertretungsbefugnis schuldlos irrte (Welser Vertretung 164, 183 und GesRZ 1975, 3, 5; Thiele aaO Rz 34). Voraussetzung der Haftung ist, daß das von ihm geschlossene Geschäft bei Vorhandensein der behaupteten Vertretungsbefugnis ein Handelsgeschäft gewesen wäre (Welser Vertretung 168 ff und GesRZ 1975, 4; Schumacher in Straube HGB Rz 3 zu Art. 8 Nr. 11 zur 4. EVHGB; Strasser in Rummel ABGB2 Rz 20 zu §§ 1016, 1017; JBl. 1978, 34; SZ 56/39), und daß der Vertretene die Genehmigung verweigert hat.
Der Scheinvertreter, der den Mangel seiner Vertretungsmacht nicht positiv kannte, hat gemäß Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB dem anderen Teil jenen Schaden zu ersetzen, den dieser durch sein Vertrauen auf die Vertretungsmacht erleidet, ("Vertrauensschaden"); seine Haftung geht jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, das der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrages hat. Der Dritte ist also so zu stellen, wie er wirtschaftlich stehen würde, wenn er sich nicht auf das Zustandekommen des Vertrages eingerichtet hätte (Welser Vertretung 183, 129 f und GesRZ 1975, 5; Schumacher aaO Rz 19; Thiele aaO Rz 35 zu § 179; Kramer in Münchner Kommentar2 RZ 8 zu § 122; vgl. Palandt BGB 49 Anm. 2 zu § 122). Zu fragen ist demnach, was gewesen wäre, wenn der Scheinvertreter dem Dritten den Vollmachtsmangel mitgeteilt bzw. den Abschluß unterlassen hätte. Das Verhalten des Scheinvertreters kann beim Dritten nutzlose Aufwendungen, die Übernahme von Verpflichtungen im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages, Verfahrenskosten aus der Geltendmachung des vermeintlichen vertraglichen Anspruches und dgl., insbesondere aber auch die Unterlassung des Abschlusses eines anderen gewinnbringenden Geschäftes (= "Ersatzgeschäftes") verursachen. Durch den Ersatz des Vertrauensschadens soll der Dritte so gestellt werden, wie er stünde, wenn er nicht in Irrtum geführt worden wäre (Welser Vertretung 129 f und GesRZ 1975, 5 f; Kramer in Münchner Kommentar2 Rz 8 zu § 122). Voraussetzung dafür, daß mit dem Vertrauensschaden auch ein entgangener Geschäftsgewinn ersetzt werden kann, ist aber immer, daß der Dritte ein sonstiges "Ersatzgeschäft" versäumt (Welser Vertretung 184 und GesRZ 1975, 6; vgl. Kramer in Straube Rz 4 zu Art. 8 Nr. 2 EVHGB), also z.B. im Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages ein günstiges Offert ausgeschlagen hat (Kramer in Münchner Kommentar2 aaO Rz 8 zu § 122).
Die Berechnung des Vertrauensschadens kann konkret - z.B. durch den Nachweis eines versäumten Ersatzgeschäftes - und abstrakt dann erfolgen, wenn die geschuldete Leistung einen Markt- oder Börsenpreis hat (Welser Vertretung 182 f, 184 f und GesRZ 1975, 6; vgl. Schumacher aaO Rz 20; Thiele aaO Rz 35).
Im vorliegenden Fall ist das Handeln des Beklagten bei der festgestellten Sach- und dargestellten Rechtslage - er hielt sich - aufgrund einer sehr eigenwilligen "Rechtsanschauung" - zur Bestellung der Möbel für seinen Dienstgeber ermächtigt - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht als das eines Vertreters ohne Vollmacht im Sinne des Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB zu beurteilen. Demgemäß haftet der Beklagte mangels Genehmigung des Geschäftes durch den Vertretenen für einen allfälligen, von der klagenden Partei erlittenen Vertrauensschaden. Sein Irrtum über die mangelnde Bevollmächtigung ist, wie dargelegt wird, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes völlig unerheblich. Gerade für seinen Irrtum hat der Beklagte im Sinne der Anordnung des Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB einzustehen. Diese Haftung entspricht allerdings im Ergebnis ohnehin jener bei einem rechtzeitig aufgeklärten Irrtum nach § 871 ABGB (siehe auch die diesbezüglichen Regelungen der §§ 179, 119 und 122 d BGB), denn auch in diesem Falle ist für den Vertrauensschaden einzustehen. Die Kritik des Berufungsgerichtes an Welser - ähnlich Schumacher aaO Rz 18 -, er halte in Vertretung eines in sich widersprüchlichen Standpunktes im Rahmen der Haftung nach Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 EVHGB ganz allgemein die Anordnung des Art. 8 Nr. 2 leg cit über den Ersatz entgangenen Gewinnes für anwendbar, beruht offenbar auf einem Mißverständnis:
Nach den Ausführungen Welsers im einzelnen als auch insgesamt (vgl. die oben ausgeführten Belegstellen) besteht kein Zweifel, daß auch er dem Dritten auf der Grundlage der von Art. 8 Nr. 2 EVHGB unabhängigen speziellen Regelung des Art. 8 Nr. 11 leg cit im Rahmen des Art. 8 Nr. 11 Abs. 2 leg cit nur bei Versäumnis eines möglichen Ersatzgeschäftes den Ersatz des diesbezüglich entgangenen Gewinnes zugesteht. Diesen entgangenen Gewinn kann der Dritte auch abstrakt berechnen, wenn die Leistung einen Markt- oder Börsenpreis hat, weil damit die Möglichkeit eines Ersatzgeschäftes dargetan ist.
Den Entgang des Abschlusses eines möglichen Ersatzgeschäftes hat die klagende Partei im vorliegenden Falle aber in erster Instanz gar nicht behauptet; sie hat dort auch nicht vorgebracht, im Vertrauen auf die Bestellung des Beklagten - deren mangelnde Annahme ist ohne Bedeutung, weil jedenfalls der Beklagte während der vereinbarten, noch laufenden vierwöchigen Annahmefrist an sein Offert gebunden war - bereits wirtschaftliche oder rechtliche Dispositionen getroffen und Aufwendungen gemacht oder Verpflichtungen übernommen zu haben. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hatte die klagende Partei zur Zeit der Aufklärung des Scheinvertretungsfalles einen Auftrag zur Lieferung der vom Beklagten bestellten Möbel an ihren Lieferanten noch nicht weitergegeben und sie hatte auch noch keine sonstigen Dispositionen im Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages mit dem Scheinvertretenen vorgenommen. Ihr geschütztes Vertrauen auf den mit dem Beklagten getätigten Geschäftsabschluß hatte somit für sie noch keinen Nachteil zur Folge, sie steht wirtschaftlich nicht schlechter da, als wenn der Abschluß des unwirksamen Geschäftes von vornherein unterblieben wäre.
Die Beantwortung der Frage, ob das Verhalten des Beklagten als schuldhaft zu werten und ihm eine Haftung wegen culpa in contrahendo anzulasten sei, kann offen bleiben. Welser vertritt grundsätzlich die gegenteilige Ansicht (Vertretung 166 f), "weil Art. 8 Nr. 11 den Charakter einer ausschließlichen und abschließenden Regelung von Haftungsfolgen trägt", und hält die Feststellung, daß der Scheinvertreter auch eine culpa in contrahendo gesetzt habe, im Ergebnis für bedeutungslos. Die Haftung für culpa in contrahendo beschränkt sich grundsätzlich jedenfalls auch auf den Vertrauensschaden (vgl. Schumacher aaO Rz 1 zu Art. 8 Nr. 11 mwN), sodaß selbst die Bejahung einer solchen Haftung - vgl. zu §§ 122, 179 d BGB bei Palandt aaO Anm. 1 zu § 179, Anm. 3 zu § 122; vgl. Schumacher aaO Rz 1 zu Art. 8 Nr. 11; Strasser aaO Rz 18 zu §§ 1016, 1017 - mangels eines bei der klagenden Partei eingetretenen Nachteiles folgenlos bliebe.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E25267European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1991:0080OB00514.9.0131.000Dokumentnummer
JJT_19910131_OGH0002_0080OB00514_9000000_000