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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines Gemeindearztes auf Aufhebung von Bestimmungen des Nö Gemeindeärztegesetzes 1977 über die Dienstpflicht zur Leistung einer bestimmten Stundenzahl bzw die damit verbundene Abgeltung durch den vorgesehenen Dienstbezug infolge Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides sowie auf teilweise Aufhebung einer Übergangsbestimmung betreffend Höhe der Abfertigung bei einer Dienstentsagung mangels aktueller Betroffenheit des AntragstellersSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Der Antragsteller steht seit 1. April 1991 als Gemeindearzt in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Zunächst war er Gemeindearzt in Ebergassing, seit 1. Juli 1993 ist er als solcher in Weistrach tätig. Noch als Gemeindearzt in Ebergassing war er definitiv gestellt worden.
II. Der Einschreiter stellt die auf Art140 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten Anträge,
"der Verfassungsgerichtshof möge
1. §15 Abs2 Satz 2 NÖ Gemeindeärztegesetz 1977, LGBl. 45/1977 (9400-0), idF LGBl. 93/2000 (9400-7), als verfassungswidrig aufheben;
2. in eventu in §18 Abs1 NÖ Gemeindeärztegesetz 1977, LGBl. 45/1977 (9400-0), idF LGBl. 93/2000 (9400-7), die Wortfolge 'im Ausmaß des Monatsgehaltes' als verfassungswidrig aufheben;
3. in eventu den gesamten §18 Abs1 NÖ Gemeindeärztegesetz 1977, LGBl. 45/1977 (9400-0), idF LGBl. 93/2000 (9400-7), als verfassungswidrig aufheben;
4. in Artikel II Z1, 2. Alternative, des Gesetzes über die Änderung des NÖ Gemeindeärztegesetzes 1977, LGBl. 93/2000 (9400-7), das ist die Übergangsbestimmung der am 29. Juni 2000 beschlossenen Änderung des NÖ Gemeindeärztegesetzes 1977, ausgegeben am 31.08.2000, die Wortfolge 'von ihm geleisteten' sowie 'ohne Zinsenvergütung' als verfassungswidrig aufheben;
5. in eventu den gesamten ArtII des Gesetzes über die Änderung des NÖ Gemeindeärztegesetzes 1977, LGBl. 93/2000 (9400-7), als verfassungswidrig aufheben".
III. Die zum Zeitpunkt der Einbringung des Individualantrages in Kraft stehende Fassung des §15 Abs2 des Niederösterreichischen Gemeindeärztegesetzes 1977 idF der 7. Novelle, LGBl. 9400-7, (in der Folge NÖ GÄG 1977 idF LGBl. 9400-7), hat folgenden Wortlaut (die vom Antragsteller mit den Primäranträgen angefochtenen Wortfolgen sind jeweils hervorgehoben):
"§15
Pflichten
(1) ...
(2) Dem Gemeindearzt obliegen nach den Weisungen des Bürgermeisters die fachliche Beratung der Gemeindeorgane und die Erfüllung der Amtspflichten, die sich aus den von der Gemeinde zu besorgenden oder ihr übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ergeben. Der Gemeindearzt hat seine ärztliche Leistung im Ausmaß von insgesamt 28 Stunden pro Monat bei einem Durchrechnungszeitraum von einem Kalenderhalbjahr zur Verfügung zu stellen. Der Gemeindearzt ist verpflichtet, diese ärztliche Leistung sowohl in der Gemeinde (Sanitätsgemeinde), mit der er in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht als auch mit seinem Einvernehmen in anderen (Gemeinden) Sanitätsgemeinden zu erbringen.
Die Aufgaben eines Gemeindearztes sind insbesonders:
1. Die Ausstellung von ärztlichen Zeugnissen für Bewerber um Aufnahme in den Gemeindedienst und von ärztlichen Befunden und Gutachten für Gemeindebedienstete;
2. Die Ausübung der Tätigkeit als medizinischer Sachverständiger im Bauverfahren;
3. Die Ausübung der Tätigkeit als medizinischer Sachverständiger bei Angelegenheiten des NÖ Leichen- und Bestattungsgesetzes 1978, LGBl. 9480;
4. Die Wahrnehmung der Aufgaben des Schularztes nach dem NÖ Pflichtschulgesetz, LGBl. 5000;
5. Die Durchführung von Untersuchungen von Kindergartenkindern;
6. Die Durchführung der Tauglichkeitsuntersuchungen für Feuerwehrmitglieder von Freiwilligen Feuerwehren.
Vor Betrauung mit diesen Aufgaben ist der Gemeindearzt anzuhören. Darüber hinausgehende Aufgaben können nur im Einvernehmen übertragen werden.
(3) ..."
§18 Abs1 leg. cit. lautet:
"§18
Bezüge
(1) Dem Gemeindearzt gebührt ab seinem Dienstantritt jährlich ein Dienstbezug im Ausmaß des Monatsgehaltes eines Beamten der Dienstklasse VII, der Gehaltsstufe 1 nach den Bestimmungen der Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, LGBl. 2200.
(2) ..."
Artikel II des Gesetzes über die Änderung des Niederösterreichischen Gemeindeärztegesetzes 1977, LGBl. 9400-7, lautet:
"Artikel II
Übergangsbestimmung
1. Gemeindeärzte, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes in einem definitiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu einer Gemeinde (Sanitätsgemeinde) stehen und einen Anspruch auf Ruhegenuß erworben haben, können bis zum Ablauf des 31.12.2001 ohne Angabe von Gründen dem Dienst entsagen. In diesem Fall steht dem Gemeindearzt ein Wahlrecht zu, entweder
* mit Erreichen des zum Zeitpunkt des Pensionsantritts geltenden Pensionsantrittsalters für einen Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand einen Ruhegenuß in jener Höhe zu erhalten, der seinem rechnerischen Pensionsanspruch zum Zeitpunkt der Dienstentsagung entspricht, oder
* einen Abfertigungsbetrag in der Höhe der von ihm geleisteten Pensionsbeiträge ohne Zinsenvergütung zu erhalten.
2. Entsagt ein Gemeindearzt bis zum 31.12.2001 seinem Dienst, hat er ein Wahlrecht, ob er die Wohnung und die Ordination binnen längstens drei Monaten räumt oder sie für den Zeitraum von drei Jahren ab Dienstentsagung noch behält."
IV. Zur Antragslegitimation führt der Antragsteller folgendes aus:
"(...)
1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt, die Antragslegitimation nach Artikel 140 Abs1 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt sein müssen und dass der durch Artikel 140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg nicht zur Verfügung steht (VfSlg. 15.030; 14.244; 12.374, jeweils mwN). Wesentlich ist dabei, dass der Eingriff nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist (VfSlg. 13.743).
2. Durch die bereits in Kraft getretene Novelle des NÖ Gemeindeärztegesetzes 1977 idF LGBl. 93/2000 (9400-7) wurden die Dienstpflichten der NÖ Gemeindeärzte gänzlich neu geregelt und dabei erheblich verändert, wobei nunmehr insbesondere für die Leistungen als Schularzt, Kindergartenarzt und zur Totenbeschau keine gesonderte Bezahlung erfolgt. Der niederösterreichische Gesetzgeber war sich bewusst, dass die neue Regelung der Aufgaben des Gemeindearztes - gerade im Hinblick auf das Bestehen bereits definitiver Dienstverhältnisse - verfassungsrechtlich unzulässig ist. Deshalb schuf er mit der bereits zitierten Übergangsbestimmung ArtII die Möglichkeit eines 'opting out'. Der Antragsteller kann also dem Dienst entsagen und ab Pensionsantritt einen Ruhegenuß beziehen oder die Rückerstattung der von ihm geleisteten Pensionsbeiträge ohne Zinsenvergütung verlangen.
3. Zur unmittelbaren Betroffenheit: Für die Antragslegitimation ist nun wesentlich, dass der Bezug bzw. Abfertigungsbetrag durch das Gesetz genau festgelegt ist (vgl. VfSlg. 13.743). In VfSlg. 13.982 hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass Individualanträge von Lehrberechtigten auf Aufhebung von Bestimmungen einer Lehrplanverordnung, die u.a. die Erhöhung der Gesamtstundenzahl normierten, zulässig sind. Die durch die Änderungen bewirkte Erhöhung der Anzahl der Unterrichtsstunden zeigt für den Lehrberechtigten nicht bloß faktische, sondern auch rechtliche Wirkungen, berührt also dessen Rechtssphäre.
4. Ganz ähnlich ist die Situation im vorliegenden Fall. §15 NÖ Gemeindeärztegesetz 1977 idF LGBl. 93/2000 (9400-7) bestimmt genau die Dienstpflichten der Gemeindeärzte. Die im Monatsdurchschnitt verlangten Dienststunden sind genau 28; eine diesbezügliche Änderung, Konkretisierung oder dgl. ist nicht vorgesehen. Es liegt daher ein direkt durch das Gesetz bestimmter Eingriff vor; der Eingriff ist unsachlich und unverhältnismäßig und verletzt den Antragsteller in seinem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG) und Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG; Art1, 1. ZProt. EMRK).
5. Auch Artikel II Z1, 2. Option des Gesetzes über die Änderung des NÖ Gemeindeärztegesetzes 1977, LGBl. 93/2000 (9400-7), stellt einen direkt durch das Gesetz bestimmten Eingriff dar. Diese Bestimmung normiert ganz genau, dass dem Gemeindearzt ein Abfertigungsbetrag in der Höhe der von ihm geleisteten Pensionsbeiträge ohne Zinsenvergütung zu leisten ist. Der festgesetzte Abfertigungsbetrag (ArtII der Übergangsbestimmung) ist unsachlich und stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in Rechte des Antragstellers dar. Der Antragsteller wird in seinen Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG) und Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG; Art1, 1. ZProt. EMRK) verletzt (näher zu den inhaltlichen Verfassungswidrigkeiten siehe unten IV).
6. Zur Unzumutbarkeit eines Umweges: Es ist dem Antragsteller nicht zumutbar, gegen §15 NÖ Gemeindeärztegesetz 1977 idgF zu verstoßen, um so ein Verwaltungsstrafverfahren zu provozieren, in dem er sich auf die Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung berufen könnte.
7. Auch im Falle des ArtII des Gesetzes über die Änderung des NÖ Gemeindeärztegesetzes 1977, LGBl. 93/2000 (9400-7), ist ein Umweg nicht zumutbar: Da erst die gesetzlich eingeräumte Wahlmöglichkeit eine tiefgreifende Veränderung der Dienstpflichten der niederösterreichischen Gemeindeärzte verfassungsrechtlich rechtfertigen könnte, muss die Wahlmöglichkeit selbst verfassungskonform gestaltet sein. Dazu gehört, dass den Betroffenen bereits vor seiner Wahl die Konsequenzen seiner Wahl erkennbar sind.
Wie oben dargelegt (II.2.), werden die Pensionsansprüche der Gemeindeärzte derzeit im Wesentlichen so gedeckt, dass der Gemeindearzt keinen Aktivbezug erhält, sondern sein fiktiver Gehalt als Pensionsbeitrag verbucht wird. Dieser Betrag deckt 20 % der Pensionszahlung ab. Weitere 80 % werden von Gemeinden und Land bezahlt. Daher ist es bei einer vorzeitigen Entschädigung des Gemeindearztes entscheidend, ob auch die Pensionsbeiträge von Ländern und Gemeinden, die den Großteil der Pensionslast decken, berücksichtigt werden.
Der Antragsteller ist an einem Abfertigungsbetrag nur dann interessiert, wenn er einen Abfertigungsbetrag erhält, der nach versicherungsmathematischen Berechnungen jene Pensionsansprüche abgilt, die er auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit erworben hat. Da das Land bzw. die Gemeinde ca. 80 % der Pensionslast trägt, hat der Antragsteller darauf vertraut, dass auch jeder von ihm geleistete Pensionsbeitrag (fiktives Gehalt) bei der Pensionsleistung an ihn verfünffacht wird. Dementsprechend muss auch der nunmehrig zu leistende Abfertigungsbetrag das Fünffache jenes Wertes betragen, der sich bei bloßer Berücksichtigung der vom Antragsteller geleisteten Einzahlungen ergibt. Er würde hingegen die Abfertigungsvariante nicht wählen, wenn ihm - wie derzeit vorgesehen - tatsächlich nur die von ihm geleisteten Pensionsbeiträge (20 % der Gesamtpension) ohne Zinsenvergütung erstattet werden. Es ist ihm daher nicht zumutbar, zunächst die Abfertigungsvariante wählen zu müssen, um erst dann gegen den entsprechenden Auszahlungsbescheid berufen und eine Gesetzesprüfung anregen zu können, weil ihm auf diese Weise die Wahlmöglichkeit genommen wäre. Sollte die Abfertigungsvariante nämlich als verfassungskonform erachtet werden, stünde es ihm nicht mehr offen, anders zu disponieren. Er hätte keinen Pensionsanspruch mehr.
Da der Antragsteller durch die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes unmittelbar in seinen Rechten verletzt wird und ihm das Erlangen eines Bescheides unzumutbar ist, ist der Individualantrag zulässig."
V. Die Niederösterreichische Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie primär beantragt, die Anträge des Einschreiters als unzulässig zurückzuweisen.
Zur Antragslegitimation führt sie wörtlich aus:
"1. Nach der Rechtsprechung des VfGH ist Voraussetzung der Antragslegitimation einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt zu sein, dann aber auch, dass das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung ist, dass das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteter Weise rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 13.743/1994, 11.726/1988).
2. Hinsichtlich der Antragslegitimation bringt der Antragsteller vor, dass aufgrund §15 NÖ GÄG 1977 idF LGBl. 9400-7, nunmehr die Dienstpflichten genau bestimmt werden und im Monatsdurchschnitt eine Dienststundenzahl von genau 28 verlangt würde. Daher liege ein direkt durch das Gesetz bestimmter Eingriff vor.
Unter I. Sachverhalt bringt der Antragsteller vor, dass er bisher durchschnittlich ungefähr 4 Stunden pro Monat als Gemeindearzt tätig war und dass ihm die Tätigkeit als Schularzt - rund 30 Stunden im Jahr - auf Grundlage eines Werkvertrages separat entgolten wurde. Auch die Totenbeschau sei eigens entlohnt worden.
Der Antragsteller bringt aber nicht vor, dass er seit Inkrafttreten der angefochtenen Bestimmungen seit 1. September 2000 nunmehr wirklich verpflichtet ist, ein höheres Stundenausmaß zu arbeiten, insbesondere dass er nunmehr im Rahmen seiner Dienstpflichten als Schularzt und als Feuerwehrarzt tätig zu sein hätte bzw. auch Kindergartenkinder untersuchen müsste. Weiters wird im Antrag nicht vorgebracht, dass zu erwarten wäre, diese Tätigkeiten in naher Zukunft ausüben zu müssen.
Wie im Antrag ausgeführt, bestimmt §15 Abs2 NÖ GÄG 1977 vor der 7. Novelle LGBl. 9400-7, dass dem Gemeindearzt die fachliche Beratung der Gemeindeorgane und die Erfüllung der Amtspflicht, die sich aus den von der Gemeinde zu besorgenden oder ihm in besonderen Vorschriften übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet des Gesundheitswesens ergeben, obliegen.
Diese Bestimmung war schon im NÖ Gemeindeärztegesetz 1969 enthalten (§15 Abs1). Aus dem Motivenbericht, Seite 2f (GZ VII/8-2710/170-1969), welcher als Beilage 1 angeschlossen ist, ergibt sich, dass die dem Gemeindearzt zukommenden Aufgaben sehr weit gesehen wurden und praktisch fast alle nunmehr deklarativ in § 15 Abs2 Satz 4 NÖ GÄG 1977 idF LGBl. 9400-7 aufgezählten Aufgaben bereits umfassten.
Wie in den ausführlichen Begründungen des Initiativantrages für die 7. NÖ GÄG-Novelle (im folgenden als Erläuterungen bezeichnet), welche als Beilage 2 angeschlossen sind, zu §15 Abs2 ausgeführt wird, waren die bisher sehr allgemein gehaltenen Dienstpflichten weder zeitmäßig begrenzt noch wurde darauf Rücksicht genommen, ob der Gemeindearzt seine Aufgaben in einer großen Gemeinde/Sanitätsgemeinde oder in einer kleinen Gemeinde/Sanitätsgemeinde zu erfüllen hatte. Auch führte die sehr allgemein gehaltene Formulierung der bisherigen Aufgaben vielfach dazu, dass diese von den Gemeinden unterschiedlich auf den Gemeindearzt übertragen wurden. Weiters wird in den Erläuterungen ausgeführt, dass die demonstrative Aufzählung der Aufgaben eines Gemeindearztes einem Bedürfnis der Gemeinden als auch der Gemeindeärzte entspricht. 'Damit soll zweifelsfrei klargestellt sein, welche Aufgaben jedenfalls im Rahmen der vom Gemeindearzt zu erbringenden Dienstzeit auf Weisung des Bürgermeisters vom Gemeindearzt zu erbringen sind. Diese Klarstellung bedeutet - rechtlich gesehen - keine Ausweitung der Aufgaben des Gemeindearztes, da er bereits bisher ebenfalls alle Aufgaben zu besorgen hatte, die sich aus den von der Gemeinde zu besorgenden oder ihr in besonderen Vorschriften übertragenen Aufgaben ergeben. Wesentlich ist, dass die Anzahl der von einem Gemeindearzt zu erbringenden Arbeitsstunden in einem sachlich gerechtfertigten Verhältnis zu seinem Entgelt stehen.'
Schon daraus ist zu schließen, dass durch die Neufassung des §15 Abs2 NÖ GÄG 1977 keine Ausweitung der Aufgaben des Gemeindearztes stattgefunden hat. Daher wird kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers bewirkt. Dies hat zur Folge, dass er hinsichtlich dieser Bestimmung nicht antragslegitimiert ist.
3. Zur unmittelbaren Betroffenheit durch ArtII Z. 1 2. Option bringt der Antragsteller lediglich vor, dass diese den Abfertigungsbetrag genau definiere und einen direkt durch das Gesetz bestimmten Eingriff darstelle. Zur Frage des zumutbaren Umweges führt der Antragsteller aus, dass er nur dann am Abfertigungsbetrag interessiert sei, wenn er einen Abfertigungsbetrag erhält, der nach versicherungsmathematischen Berechnungen jene Pensionsansprüche abgilt, die er aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit erworben hat. Er würde hingegen die Abfertigungsvariante nicht wählen, wenn ihm - wie derzeit vorgesehen - tatsächlich nur die von ihm geleisteten Beiträge (20 % der Gesamtpension) ohne Zinsenvergütung erstattet werden. Es sei ihm nicht zumutbar, zunächst die Abfertigungsvariante wählen zu müssen, um erst dann gegen den entsprechenden Auszahlungsbescheid berufen und eine Gesetzesprüfung anregen zu können, weil ihm auf diese Weise die Wahlmöglichkeit genommen wäre.
Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden, da es dem Antragsteller sehr wohl frei steht, zunächst zu wählen:
-
entweder weiterhin als Gemeindearzt tätig zu sein oder
-
zu entsagen und bei Erreichen des Pensionsantrittsalter einen (entsprechend niedrigeren) Ruhegenuss zu beanspruchen oder
-
zu entsagen und den Abfertigungsbetrag in der Höhe der von ihm geleisteten Pensionsbeiträge ohne Zinsenvergütung zu erhalten. Außerdem ist es dem Antragsteller sehr wohl zumutbar, gegen den Bescheid, mit welchem über den Abfertigungsbetrag entschieden wird, zu bekämpfen und auf diesem Weg letztlich eine Gesetzesprüfung anzuregen.
4. Auch die Antragslegitimation des Antragstellers hinsichtlich §18 wird bestritten, da dieser durch die 7. NÖ GÄG-Novelle, LGBl. 9400-7, keine inhaltliche Änderung erfuhr. In den Erläuterungen wird ausgeführt, dass die Bezugnahme auf die Dienstpragmatik der Landesbeamten 1972, LGBl. 2200, welche dem ehemaligen Gehaltsschema der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 entspricht, notwendig geworden war, da mit deren 32. Novelle, LGBl. 2440.34, ein - für die Gemeindeärzte ungeeignetes neues Gehaltsschema für Gemeindebedienstete eingeführt wurde. Eine vom Antragsteller angeführte Änderung des Leistungsverhältnisses könnte allenfalls durch Art1 Z. 11 der 7. NÖ GÄG-Novelle, LGBl. 9400-7, bewirkt werden (Entfall von §19 (Nebenbezüge)). Gegen diese Bestimmung wurden jedoch keine verfassungsgerichtlichen Bedenken vorgebracht."
VI. Dieser Äußerung der NÖ Landesregierung trat der Antragsteller in einer Replik mit näherer Begründung entgegen.
VII. Der Antrag ist nicht zulässig.
1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Der Verfassungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze auch voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hierfür nicht zur Verfügung steht (z.B. VfSlg. 10.481/1985, 11.864/1988; VfGH 26.9.2000, G197/98).
2. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass durch §15 Abs2 Satz 2 NÖ GÄG 1977 idF LGBl. 9400-7 eine Stundenzahl gesetzlich festgelegt wird, bis zu deren nachweislichem Erreichen der Gemeindearzt im Rahmen des in §18 leg. cit. dafür vorgesehenen Bezuges zur Leistungserbringung verpflichtet ist.
Der Verfassungsgerichtshof ist jedoch der Ansicht, dass dem Antragsteller durch das Begehren eines Bescheides hinsichtlich des §15 Abs2 sowie des §18 des NÖ GÄG 1977 idF LGBl. 9400-7 eben ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung zur Verfügung steht:
a) §15 Abs2 des NÖ GÄG 1977 idF LGBl. 9400-7 regelt die dem Gemeindearzt obliegenden Pflichten und zählt diese demonstrativ auf. Der Gemeindearzt hat seine ärztliche Leistung im Ausmaß von insgesamt 28 Stunden pro Monat bei einem Durchrechnungszeitraum von einem Kalenderhalbjahr zur Verfügung zu stellen.
Die erläuternden Bemerkungen zum Initiativantrag für die 7. Novelle zum NÖ GÄG 1977 führen zu dieser Bestimmung folgendes aus:
"Der Gemeindearzt steht auf Grund seiner Bestellung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Gemeinde. Auf Grund dieses Dienstverhältnisses treffen den Gemeindearzt bestimmte Dienstpflichten. Die bisher sehr allgemein gehaltenen Dienstpflichten waren weder zeitmäßig begrenzt, noch wurde darauf Rücksicht genommen, ob der Gemeindearzt seine Aufgaben in einer großen Gemeinde/Sanitätsgemeinde oder in einer kleinen Gemeinde/Sanitätsgemeinde zu erfüllen hatte. ...
... Entsprechend der dienstrechtlichen Stellung des Bürgermeisters als Vorgesetzter aller Gemeindebediensteten hat der Gemeindearzt seine Dienstleistung über Anordnung des Bürgermeisters zu erbringen. ...
Die Besorgung der in den Ziffern 1 bis 6 beispielhaft angeführten Aufgaben ist mit der Dienstzeit von 28 Stunden pro Monat bei einem Durchrechnungszeitraum von einem Kalenderhalbjahr begrenzt. Dies bedeutet, dass die Arbeitsleistung in einem Monat mehr bzw. auch geringer sein kann. Für diese Dienstleistung bezieht der Gemeindearzt sein Gehalt. ...
...
Die demonstrative Aufzählung der Aufgaben eines Gemeindearztes entspricht einem Bedürfnis der Gemeinden als auch der Gemeindeärzte. Damit soll zweifelsfrei klar gestellt sein, welche Aufgaben jedenfalls im Rahmen der vom Gemeindearzt zu erbringenden Dienstzeit auf Weisung des Bürgermeisters vom Gemeindearzt zu erbringen sind. Diese Klarstellung bedeutet - rechtlich gesehen - keine Ausweitung der Aufgaben des Gemeindearztes, da er bereits bisher ebenfalls alle Aufgaben zu besorgen hatte, die sich aus den von der Gemeinde zu besorgenden oder ihr in besonderen Vorschriften übertragenen Aufgaben ergeben. ..."
Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass §15 Abs2 leg. cit. die Aufgaben des Gemeindearztes bis zu einer maximalen Stundenzahl als Dienstpflicht normiert und in diesem Rahmen die aufgezählten Tätigkeiten als Gemeindearzt als abgegolten betrachtet; die Regelung sieht auch vor, dass der Bürgermeister - als Dienstbehörde - Weisungen zur Konkretisierung dieser Dienstpflichten erteilen kann. Es ist für den Verfassungsgerichtshof nun nicht ersichtlich, weshalb es dem Antragsteller nicht zumutbar sein sollte, einen bescheidmäßigen Abspruch über die konkrete Ausgestaltung seiner Dienstpflichten zu begehren (arg.: "Vor Betrauung mit diesen Aufgaben ..." in §15 Abs2 vorletzter Satz leg. cit.).
Sein Antrag auf Erwirkung eines entsprechenden Bescheides wäre ein taugliches Mittel der Rechtsverfolgung; er hätte Anspruch auf Erlassung eines solchen dienstrechtlichen Bescheides (vgl. VfSlg. 10.200/1984, 10.293/1984, 10.591/1985, 12.096/1989; VfGH 26.9.2000, G197/98).
b) In eventu begehrt der Antragsteller mit näherer Begründung, die Wortfolge "im Ausmaß des Monatsgehaltes" in §18 Abs1 NÖ GÄG idF LGBl. 9400-7 als verfassungswidrig aufzuheben.
Behauptet der Antragsteller, er hätte von Verfassungs wegen "aufgrund der nunmehr vorgesehenen Dienstverpflichtung" einen Anspruch auf Auszahlung von Bezügen "im Ausmaß von zwei Monatsgehältern eines Beamten der Dienstklasse VII", so ist ihm in diesem Fall zumutbar, eine Feststellung darüber zu begehren, welcher Dienstbezug ihm gem. §18 NÖ GÄG idF LGBl. 9400-7 zusteht, oder einen Antrag auf gesonderte Abgeltung bestimmter Leistungen zu stellen, da er ein rechtliches Interesse an der Klarstellung hat, in welcher Höhe sein Bezugsanspruch zu Recht besteht.
Für die Zumutbarkeit eines Umweges kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nämlich auf die Erfolgsaussichten der Parteien in der Sache nicht an (z.B. VfSlg. 12.914/1991, 13.226/1992, 13.754/1994).
Wenn der Antragsteller auf den erörterten Weg verwiesen wird, kann aber im vorliegenden Fall zudem auch nicht von ins Gewicht fallenden Nachteilen, insbesondere einer besonderen Härte für den Antragsteller, gesprochen werden (vgl. dazu VfGH 26.9.2000, G197/98), die die Zulässigkeit eines Antrages gem. Art140 B-VG rechtfertigen würden. Es steht dem Antragsteller nämlich frei, eine abweisende oder zurückweisende Entscheidung - nach Erschöpfung des Instanzenzuges - beim Verfassungsgerichtshof in Beschwerde zu ziehen und in deren Rahmen die gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Vorschrift sprechenden Bedenken darzulegen.
Daraus ergibt sich, dass es dem Antragsteller auch hinsichtlich der Wortfolge "im Ausmaß des Monatsgehaltes" an der Legitimation zur Stellung eines Individualantrages mangelt.
3. Das weitere Eventualbegehren, den gesamten §18 Abs1 NÖ GÄG 1977 idF LGBl. 9400-7 als verfassungswidrig aufzuheben, ist schon allein deshalb als unzulässig zurückzuweisen, da im Falle der Aufhebung die Abs2 bis 6 leg. cit., die u.a. auch die Vorrückung und Auszahlungsmodalitäten der Bezüge regeln, keinen Sinn mehr ergeben würden. Der Antrag ist somit überschießend und schon aus diesem Grunde unzulässig.
4.a) Hinsichtlich der in Artikel II des Gesetzes über die Änderung des NÖ GÄG 1977 normierten Übergangsbestimmung vertritt der Verfassungsgerichtshof - entgegen dem Vorbringen des Antragstellers - die Auffassung, dass keine aktuelle Beeinträchtigung i.S. des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG vorliegt:
Nach dieser Übergangsbestimmung steht es dem Antragsteller zunächst frei zu wählen, entweder weiterhin als Gemeindearzt tätig zu sein oder dem Dienst zu entsagen und bei Erreichen des Pensionsantrittsalters einen (entsprechend niedrigeren) Ruhegenuss zu beanspruchen oder dem Dienst zu entsagen und den Abfertigungsbetrag in der Höhe der von ihm geleisteten Pensionsbeiträge ohne Zinsenvergütung zu erhalten.
Wenn nun der Antragsteller zur unmittelbaren Betroffenheit zusammenfassend vorbringt, es sei ihm "nicht zumutbar, zunächst die Abfertigungsvariante wählen zu müssen, um erst dann gegen den entsprechenden Auszahlungsbescheid berufen zu können", ist ihm folgendes entgegenzuhalten:
Erst durch die Disposition des Antragstellers, nämlich durch Ausübung seines durch ArtII des Gesetzes über die Änderung des NÖ GÄG 1977 eingeräumten Wahlrechtes wird die von ihm bekämpfte Bestimmung im Sinne der Rechtsprechung aktuell. Ohne Dazwischentreten eines Willensaktes des Antragstellers selbst ist dieser nämlich durch die als gleichheitswidrig und als ins Eigentumsrecht eingreifend gerügte Z1 zweite Alternative der Übergangsbestimmung des ArtII des Gesetzes über die Änderung des NÖ GÄG 1977 nicht unmittelbar und aktuell betroffen.
b) Der Eventualantrag, den gesamten ArtII des Gesetzes über die Änderung des NÖ GÄG 1977 als verfassungwidrig aufzuheben, ist überschießend und unzulässig, weil damit auch die Möglichkeit entfallen würde, dass ein Gemeindearzt, welcher Anspruch auf Ruhegenuss erworben hat, bis zum Ablauf des 31. Dezember 2001 ohne Angabe von Gründen dem Dienst entsagen kann und ihm trotzdem mit Erreichen des zum Zeitpunkt des Pensionsantritts geltenden Pensionsantrittsalters für einen Anspruch auf Versetzung in den dauernden Ruhestand ein Ruhegenuss in jener Höhe zustünde, die seinem rechnerischen Pensionsanspruch zum Zeitpunkt der Dienstentsagung entspricht.
VIII. Zusammenfassend ergibt sich somit, dass es dem Einschreiter an der Legitimation zur Stellung eines Individualantrages mangelt. Dieser Antrag war daher zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen.
IX. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Ärzte, Berufsrecht, Dienstrecht, Dienstpflichten, Übergangsbestimmung, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2001:G121.2001Dokumentnummer
JFT_09988873_01G00121_00