TE OGH 1991/2/12 10ObS41/91

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Veröffentlicht am 12.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (Arbeitgeber) und Franz Breit (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj. Silvia E*****, Schülerin, vertreten durch den Vater Dr. Walter E*****, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei ALLGEMEINE UNFALLVERSICHERUNGSANSTALT (Landesstelle Linz), 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Feststellung eines Arbeitsunfalles, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. November 1990, GZ 13 Rs 122/90-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 26. Juni 1990, GZ 13 Cgs 79/90-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie lauten:

"Gegenüber der beklagten Partei wird festgestellt, daß der Unfall der Klägerin am 18. März 1990 in W***** während des Schikurses der Übungshauptschule der Pädagogischen Akademie der D***** L***** ein Arbeitsunfall im Sinn des § 175 Abs. 4 und 5 ASVG war."

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.589,44 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 1.098,24 Umsatzsteuer), die mit S 6.036,48 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 1.006,08 Umsatzsteuer) und die mit S 3.623,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 603,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 30. Juli 1977 geborene Klägerin ist Schülerin der zweiten Klasse der Übungshauptschule der Pädagogischen Akademie der D***** L***** und war in der Zeit vom 17. März-24. März 1990 auf einem Schulschikurs. Die Klasse war während dieser Zeit im Jugendheim S***** in W***** untergebracht. Die Klägerin schlief in einem Zimmer mit drei Stockbetten, wobei ihr ein oberes Bett zur Verfügung stand, das etwa 1,5 m hoch und über eine Leiter erreichbar war. Es handelte sich um ein normales Stockbett aus Holz, wie es üblicherweise auf Hütten und in Jugendheimen verwendet wird. Der Klägerin war ein derartiges Bett nicht unbekannt; sie hatte in solchen Betten schon vorher bei anderen Gelegenheiten genächtigt. Das Stockbett in W***** war so aufgestellt, daß sowohl das Fußende als auch eine Längsseite des Bettes unmittelbar an die Wand anstanden; am Kopfende schloß das nächste Stockbett direkt an. Entlang der einzigen freien Seite des Bettes zum Gang hin waren keine Gitterstäbe oder ähnliche Vorrichtungen gegen ein Herabfallen angebracht. Der hölzerne Bettrand ragte nur einige Zentimeter über die Matratze. Schon in der ersten Nacht fiel die Klägerin während des Schlafens aus dem Stockbett zu Boden und erlitt dabei einen Bruch durch die Epiphyse des linken Oberschenkels mit Verschiebung.

Mit Bescheid vom 2. Mai 1990 lehnte die beklagte ALLGEMEINE UNFALLVERSICHERUNGSANSTALT den Anspruch der Klägerin auf Entschädigung aus Anlaß dieses Unfalles mit der Begründung ab, daß kein unter Versicherungsschutz stehender Schülerunfall vorliege.

Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Feststellungsbegehren, daß es sich bei dem Unfall um einen Schülerunfall handle, aus dem sie im gesetzlichen Ausmaß leistungsberechtigt sei. Dazu brachte sie unter anderem vor, daß sie zu Hause nicht in einem Stockbett schlafe und daß die ungewöhnliche Unterbringung für sie ursächlich mit dem Schulschikurs im Zusammenhang stünde.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Auch während des Schulschikurses sei das Schlafen als eigenwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, die nicht unter Unfallversicherungsschutz stehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei zu prüfen, ob der Versicherungsschutz durch die private Verrichtung der Klägerin, nämlich das Schlafen, unterbrochen worden sei oder ob sich wegen der besonderen Verhältnisse bei derartigen Schulveranstaltungen der Versicherungsschutz auf die gesamte Zeit der Schulveranstaltung erstrecke, unabhängig davon, welche Tätigkeiten dabei verrichtet würden. In der Lehre sei die Auffassung vertreten worden, daß der Ausbildungsbezug der Tätigkeit bei derartigen Schulveranstaltungen nicht zu prüfen sei, weil das erhöhte Risiko der Abwesenheit vom Wohnort, die fremde Umgebung, die gehobene Stimmung, die gruppendynamisch und altersbedingt erhöhte Abenteuerlust und andere Gefahren pauschal der Unfallversicherung zuzurechnen seien. Dieser Ansicht könne nicht gefolgt werden. Auch bei Schülern seien unversicherte eigenwirtschaftliche Tätigkeiten denkbar. Eine vollständige Übernahme der Rechtsprechung zu eigenwirtschaftlichen Handlungen auf Schüler sei zwar unbefriedigend. Ein wirksamer Unfallversicherungsschutz für Schüler verlange eine großzügigere Handhabung, um den Besonderheiten einer Schulveranstaltung gerecht zu werden. Andererseits könnten Tätigkeiten, die jedermann verrichten müsse, um seine physische Existenz zu erhalten, wie etwa Schlafen oder Körperpflege nicht deshalb geschützt sein, weil sie der Verletzte im Rahmen einer Schulveranstaltung vorgenommen habe. Derartige Handlungen seien nur dann von der Unfallversicherung geschützt, wenn sie infolge der Ausübung der geschützten Tätigkeit unter erhöhtem Gefahrenrisiko durchgeführt werden müßten und dieses erhöhte Risiko auch tatsächlich zum Unfall geführt habe. Insoweit sei auf die Schülerversicherung kein strenger Maßstab anzulegen. Das bloße Übernachten in einem Stockbett stelle jedoch keine im Zusammenhang mit der Schulveranstaltung stehende erhöhte Gefahr dar. Ein solches Übernachten sei keinesweges außergewöhnlich; gerade in kinderreichen Familien seien Schüler oft auch in der elterlichen Wohnung in Stockbetten untergebracht. Im Einzelfall sei nicht zu untersuchen, welche Schlafgelegenheit in der häuslichen Umgebung bestehe und ob das Kind an ein Schlafen im Stockbett gewohnt gewesen sei oder nicht. Das mit einer Schulveranstaltung verbundene Risiko sei nicht an individuellen häuslichen Gegebenheiten zu messen, sondern nach objektiven Kriterien auf Grund der besonderen Verhältnisse während der geschützten Schulveranstaltung. Auch das Fehlen einer Sicherung durch Gitterstäbe oder ähnliche Vorrichtungen könne den Versicherungsschutz nicht begründen, weil derartige Absicherungen bei Stockbetten nicht üblich und bei Kindern im Alter von 12 Jahren in der Regel auch nicht erforderlich seien. Während des Schlafens sei daher der Unfallversicherungsschutz vorübergehend unterbrochen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und erklärte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes für zutreffend. Der Gesetzgeber habe bei der Ausdehnung des Unfallversicherungsschutzes auf Schüler und Studenten die Absicht verfolgt, diese den Erwerbstätigen gleichzustellen, nicht aber zu bevorzugen. Typisch eigenwirtschaftliche Tätigkeiten seien auch auf Schulveranstaltungen nicht versichert, es sei denn, die eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten wären unter besonderen, durch die Schulveranstaltung bedingten Gefahren vorzunehmen. Die Klägerin sei bei der typisch eigenwirtschaftlichen Tätigkeit des Schlafens aus dem Bett gefallen, wobei die Unterbringung nicht so gewesen sei, daß damit gegenüber gewöhnlichen Bedingungen ein erhöhtes Unfallrisiko verbunden gewesen wäre.

Die gegen dieses Urteil von der Klägerin erhobene Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Schüler und Studenten sind seit der 32. ASVG-Novelle, die am 1. Jänner 1977 in Kraft trat, in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen. Dieser Schutz wurde durch die

44. und die 48. ASVG-Novelle erweitert. Gemäß § 175 Abs. 4 ASVG sind in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. h und

i ASVG Arbeitsunfälle Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Schul(Universitäts-)ausbildung ereignen. Abs. 2 Z 1, 2, 5, 6 und 7 sowie Abs. 6 leg cit sind entsprechend anzuwenden. Gemäß § 175 Abs. 5 Z 1 ASVG gelten in der Unfallversicherung der Schüler und Studenten als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen im Sinne der §§ 1 und 2 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst, BGBl. 1974/369, an gleichartigen Schulveranstaltungen an anderen vom Geltungsbereich der zitierten Verordnung nicht erfaßten Schularten sowie an schulbezogenen Veranstaltungen gemäß § 13a SchUG ereignen. Der Schulbesuch und der Besuch von Universitäten sollten damit im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung der beruflichen Ausbildung gleichgestellt und auf diese Weise ein durchgehender Versicherungsschutz von der Schule bis zum Betrieb, von der lernenden bis zur beruflichen Tätigkeit erreicht werden (RV 32. Novelle 181 BlgNR 14.GP 52). Bereits die Gesetzesmaterialien sprechen allerdings davon, daß sich neuerlich die Diskussion entzünden werde, ob nach dem heutigen Stand der sozialen Sicherheit in der Unfallversicherung das Kausalitätsprinzip, welches das Leistungsangebot auf die Unfallursachen abstelle, beibehalten werden solle, oder ob es nicht an der Zeit wäre, zum Finalitätsprinzip überzugehen, das vom eingetretenen Ereignis ausgehe, ohne nach der Unfallursache zu fragen (RV aaO; vgl. auch Ivansits, "Finalisierung" der Unfallversicherung, SozSi 1990, 415 ff). Hiezu wurde festgestellt, daß das Bundesministerium für soziale Verwaltung weder der aufgezeigten Kasuistik das Wort rede noch dem starren Festhalten am Kausalitätsprinzip verhaftet sei (RV aaO).

Nach der derzeitigen, insbesondere durch die 44. und die

48. ASVG-Nov modifizierte Rechtslage ist der hier interessierende Schutzbereich analog § 175 Abs. 1 ASVG generalklauselartig in der Weise umschrieben, daß er die die Versicherung begründende Schul(Universitäts-)ausbildung umfaßt. Der Klarstellung dient der Hinweis, daß § 175 Abs. 2 Z 1, 2, 5, 6 und 7 sowie Abs. 6 leg cit entsprechend anzuwenden sind und daß gemäß § 175 Abs. 5 ASVG als Arbeitsunfälle auch Unfälle gelten, die sich unter anderem bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen ereignen (vgl. Tomandl, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 47). Geschützt soll nach der Grundintention des Gesetzes jede Tätigkeit sein, die sich als Ausübung der Rolle des Schülers oder Studenten darstellt (Tomandl im SV-System 4. ErgLfg. 298; Wachter, Entscheidungsbesprechung ZAS 1983, 232 f; Firlei, Probleme des Schutzbereiches der Schüler- und Studentenversicherung, DRdA 1984, 98 ff besonders 107 f und 112). Festzuhalten ist freilich, daß auch die Schüler- und Studentenunfallversicherung nach richtiger Auffassung dem Kausalitätsprinzip und nicht dem Finalitätsprinzip folgt (Firlei aaO 98; abweichend Wachter aaO 233), der von einer "Zwischenetappe auf dem Weg zu einer überhaupt vom Finalitätsprinzip gekennzeichneten Unfallversicherung" spricht.

Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien strittig, ob sich der während des Schlafens zugetragene Unfall der Klägerin im Sinne des § 175 Abs. 5 Z 1 ASVG bei der Teilnahme an einer Schulveranstaltung im definierten Sinn ereignet hat. Daß es sich bei dem Schulschikurs um eine Schulveranstaltung nach § 13 SchUG, welcher durch die Schulveranstaltungsverordnung BGBl. 1974/369 (ab 1. September 1990 nunmehr BGBl. 1990/397) näher ausgeführt wurde, handelte, ist mit Recht weder von der beklagten Partei noch von den Vorinstanzen bezweifelt worden. Neben pädagogischen Zielen sollen die Schüler im Rahmen einer Wintersportwoche (Schulschikurs) mit den Eigenheiten der winterlichen Bergwelt und dem Erkennen der Gefahren vertraut gemacht werden; das Erleben der Schulpartnerschaft und der Gemeinschaft ist der Verbesserung der sportlichen Inhalte zumindest gleichzuhalten (vgl. jüngst Gimpl-Hinteregger, Schulschikurse und Schneemangel, JBl. 1991, 7).

Die Vorinstanzen vertraten die Auffassung, daß das Schlafen dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sei und daher nicht zum geschützten Lebensbereich zähle. Diese Auffassung entspricht grundsätzlich auch der bisherigen Judikatur. Wird etwa eine an sich unfallversicherte Fahrt nach kurzer Zeit unterbrochen, um auf einem Parkplatz den aus privaten Gründen versäumten Schlaf nachzuholen, steht ein während des Schlafes erlittener Unfall nicht unter Unfallversicherungsschutz (SSV-NF 4/65 mwN aus der deutschen Literatur). In der österreichischen Lehre wurde zwar betont, daß auch für Schüler verschiedene eigenwirtschaftliche Tätigkeiten in Betracht kommen, bei denen jeder innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit fehlt; gleichzeitig wurde aber eine unbesehene Übernahme der bisherigen Rechtsprechung auf Schüler als unbefriedigend bezeichnet (Barta/Eccher, Verbesserung von Lebenschancen durch Unfallversicherung, DRdA 1981, 95 ff besonders 100 f). Der Auffassung des Berufungsgerichtes, der Gesetzgeber habe Schüler gegenüber anderen Erwerbstätigen nicht bevorzugen wollen, kann nur mit Einschränkungen beigestimmt werden. Anläßlich der Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes für Schüler durch die

48. ASVG-Nov wurde etwa in den Materialien ausgeführt, daß zu den lebensnotwendigen Bedürfnissen eines Schülers bis zur Erfüllung der gesetzlich vorgeschriebenen Schulpflicht - also in der Regel bis zum 15. Lebensjahr - auch die Befriedigung eines adäquaten Spiel- und Bewegungsdranges gehört (RV 1098 BlgNR 17.GP 14). Richtig ist freilich, daß das Schlafen ebenso wie das Essen grundsätzlich überwiegend persönlichen unversicherten Bedürfnissen dient. Das Schlafbedürfnis kann aber durchaus auch im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen (vgl. Brackmann, Handbuch der SV 72. Nachtrag 481 h II; SSV-NF 4/65). Wo ein qualifizierter ursächlicher Zusammenhang vorliegt, können auch Unfälle geschützt sein, die sich nicht bei Ausübung einer geschützten Tätigkeit ereignen. Hier ist aber zu fordern, daß eine über bloß raum-zeitliche Verursachung hinausgehende Gefährdung durch die Erwerbstätigkeit (Ausbildung) vorliegt. Unfälle bei - an sich - eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten, die unter einem

erwerbstätigkeits(ausbildungs-)bedingt erhöhten Risiko verrichtet werden, können so über das Mittel der Kausalitätsprüfung geschützt sein (Firlei aaO 102). Das Gesetz will auch Tätigkeiten schützen, die zur Erwerbstätigkeit (Ausbildung) nur insofern einen Zusammenhang aufweisen, als sie wegen der Erwerbstätigkeit (Ausbildung) zur Anwesenheit des Versicherten am Unfallort geführt haben, so daß es zu einem Auftreffen sonstiger Kausalketten (zB auch von Zufällen) auf den Versicherten kam (Firlei aaO 105).

Neben all diesen Erwägungen muß man im vorliegenden Fall in Betracht ziehen, daß sich der Unfall der Klägerin während des Schlafes, aber doch anläßlich der Teilnahme an einer Schulveranstaltung ereignete. Auf die Art der Unterbringung in dem Jugendheim, insbesondere aber auf die Beschaffenheit der im Schlafraum aufgestellten Betten konnte die Klägerin nicht Einfluß nehmen. Die dabei wirksam gewordene erhöhte Gefährdung bestand in der Notwendigkeit der Benützung eines Stockbettes, das nicht gegen die Gefahr des Herabfallens während des Schlafes gesichert war. Ob die Klägerin mit der Übernachtung in Stockbetten vertraut war, ist nicht entscheidend. Durch die Notwendigkeit der Übernachtung in einem Stockbett ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen der ursächliche Zusammenhang des an sich während der ungeschützten Tätigkeit des Schlafens geschehenen Unfalls mit der Schulveranstaltung zufolge einer typischerweise damit verbundenen Gefahr hergestellt. Es mag sein, daß das Schlafen von Kindern in Stockbetten - namentlich bei kinderreichen Familien in kleinen Wohnungen - nicht als außergewöhnlich angesehen werden muß. Dies ändert aber nichts daran, daß die Klägerin während der Schulveranstaltung zwangsläufig und ohne ihr Zutun einem erhöhten Risiko ausgesetzt war und dieses erhöhte Risiko auch tatsächlich zum Unfall führte.

In diesem Zusammenhang muß nämlich auch berücksichtigt werden, daß sich die Klägerin auf völlig geänderte Schlafverhältnisse umstellen mußte, wobei während des Schlafes in gewohnter Umgebung ungefährliche unbewußte Reaktionen - etwa eine gewohnheitsmäßige Art, sich während des Schlafes im Bett umzudrehen - in fremder Umgebung zu einer Erhöhung des Risikos führen können. Übrigens wurde auch in der Bundesrepublik Deutschland die Auffassung vertreten, auf einer lehrplanmäßig und unter schulischer Aufsicht durchgeführten Klassenreise hänge der Versicherungsschutz während der von den Schülern getrennt in verschiedenen Zimmern eines Hotels verbrachten Nachtruhe davon ab, ob besonders gefährdende Umstände, die dem Nachtquartier eigentümlich sind, den Unfall wesentlich verursacht haben (Brackmann aaO 483 t). Daß die konkreten Unfallsfolgen erst durch den Sturz aus größerer Höhe verursacht wurden, kann nach den Regeln des Anscheinsbeweises angenommen werden. Der Unfall ist daher als Arbeitsunfall im Sinn des § 175 Abs. 4 und 5 ASVG anzusehen, ohne daß zu der Frage Stellung genommen werden muß, ob sich der Versicherungsschutz von Schulveranstaltungen auf die gesamte Zeit der Veranstaltung unabhängig von der verrichteten Tätigkeit erstreckt (in diesem Sinn Firlei aaO 118 f).

In Stattgebung der Revision waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Stattgebung des Feststellungsbegehrens

(§ 65 Abs. 2 ASGG, vgl. auch § 82 Abs. 5 ASGG) abzuändern, dabei aber nicht am Wortlaut des Begehrens zu haften, sondern dem Begehren eine deutlichere Fassung zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. a ASGG.

Anmerkung

E25506

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:010OBS00041.91.0212.000

Dokumentnummer

JJT_19910212_OGH0002_010OBS00041_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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