TE OGH 1991/2/13 1Ob22/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Kellner, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann T*****, vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei REPUBLIK ÖSTERREICH, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen S 250.000,--s.A. und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.März 1990, GZ 5 R 259/89-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10.Oktober 1989, GZ 30 Cg 258/89-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Rechtliche Beurteilung

Begründung:

Der Kläger wurde am 20.April 1987, einem Ostermontag, um

10.15 Uhr von Beamten des Gendarmeriepostenkommandos ***** zur Verbüßung einer dreimonatigen Freiheitsstrafe (wegen Verletzung seiner Unterhaltsverpflichtung) dem landesgerichtlichen Gefangenenhaus ***** vorgeführt. Er ist Alkoholiker in der Art eines Quartalsäufers. Er litt vor dem 20.April 1987 nicht an Epilepsie. Während der Überstellung machte er auf die Gendarmeriebeamten einen leicht alkoholisierten Eindruck, er roch nach Alkohol und fiel durch gesteigerte Redseligkeit auf. Die Aufnahme im Gefangenenhaus nahm ein erfahrener und gewissenhafter Justizwachebeamter vor, der auch sonst stets mit dieser Aufgabe betraut ist. Diesem erschien der Kläger wegen seines Geruches nach Alkohol und seines schwankenden Ganges leicht angeheitert bis mittelgradig alkoholisiert. Weil er aber ohne fremde Hilfe gehen konnte und zeitlich orientiert erschien, sah der Aufnahmebeamte keinen Anlaß, am Vorliegen einer sonst unbedenklichen Alkoholisierung des Klägers zu zweifeln und den (Anstalts-)Arzt zu befassen. Er veranlaßte daher die Unterbringung des Klägers in einem regulären Haftraum, in dem sich schon fünf andere Häftlinge befanden, und teilte dem Stockkommandanten mit, daß der Kläger alkoholisiert sei und sich zur Ausnüchterung niederlegen solle. Gegen 17 Uhr des 20.April 1987 erlitt der Kläger einen Anfall, bei dem er zitterte, Harn ließ, kurzfristig im Gesicht "blau anlief" und die Pupillen nach oben verdrehte. Da dieser Anfall nach kurzer Zeit vorüberging, meldeten die Mithäftlinge ihre Beobachtungen nicht der Justizwache. Durch die "normale" Gucklochüberwachung der Zellen gelangte dieser Vorfall ebenfalls nicht zur Kenntnis der Justizwachebeamten. Der Kläger verhielt sich im übrigen weitgehend normal, er roch zwar weiterhin nach Alkohol und trank viel Wasser, konnte sich aber mit den Zellengenossen normal unterhalten. So bewirkte er etwa mit einem Zellengenossen den Tausch des ihm zugewiesenen oberen Stockbettenplatzes gegen einen unteren Platz. Nach 6 Uhr früh des 21.April 1987 stand der Kläger auf, hob nach einigen Schritten plötzlich beide Hände in die Höhe, als ob er sich durchstrecken wollte, fiel jedoch reaktionslos nach hinten und schlug mit dem Hinterkopf auf den Gußasphaltboden des Haftraumes auf. Er blieb unansprechbar auf dem Rücken liegen und ließ dabei erneut Harn. Der Kläger erlitt bei diesem Sturz einen Schädeldachbruch mit Aufplatzen eines Gehirngefäßes und anschließender Blutung in der Schädelkapsel. Die Zellengenossen meldeten diesen Vorfall durch Betätigen der Signalanlage. Der Nachtdienstposten der Justizwache, der den Vorschriften entsprechend keinen Zellenschlüssel bei sich hatte, sah durch das Guckloch der Zellentüre, daß der Kläger am Boden lag. Er veranlaßte die anderen Zelleninsassen, den Kläger auf das Bett zu legen. Sodann ersuchte er einen weiteren Justizwachebeamten um Assistenz bei der Öffnung des Haftraumes und Überprüfung des Vorfalles. Dieser andere Justizwachebeamte wußte auf Grund einer Mitteilung bei der Dienstübernahme, daß der Kläger Alkoholiker sei, nicht jedoch, daß er Epileptiker sei. Er brachte den nach wie vor unansprechbaren Kläger in stabile Seitenlage, nahm jedoch bei seinen Untersuchungen weder am Kläger, noch auf dem Zellenboden Blutspuren wahr. Er sagte den Mithäftlingen, sie sollten den Kläger auf das Bett heben, wenn er wieder zu sich komme, der Anstaltsarzt komme um 8 Uhr. Sodann erstattete er Meldung über den Vorfall, wobei er den Kläger als Alkoholiker bezeichnete. Die Zellengenossen hoben den Kläger sodann auf sein Bett. Er versuchte jedoch gegen die Ratschläge und Bemühungen der anderen Zellengenossen immer wieder aufzustehen und stieß dabei wiederholt mit dem Kopf gegen den oberen Einsatz des Stockbettes. Schließlich gelang es ihm etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde später, sich (zum Aufstehen) auf die Bettkante aufzusetzen. Plötzlich kippte er ohne Reaktion nach vorne und prallte mit dem Gesicht hart auf dem Zellenboden auf, wobei er eine Platzwunde im Bereich der Nasenwurzel erlitt. Die Mithäftlinge schlugen nun neuerlich sofort Alarm. In der Folge wurde der Kläger gegen 8.45 Uhr dem Anstaltsarzt vorgeführt. Dieser diagnostizierte nach der Untersuchung des Klägers keinen dringlichen Notfall, erkannt die schweren Kopfverletzungen nicht, und wies ihn wegen Verdachts auf Intoxikation und Nasenbeinbruch in die Psychiatrische Abteilung des Landeskrankenhauses ***** ein. Gegen 11 Uhr des 21.April 1987 wurde der Kläger sodann in dieses Spital eingeliefert. Dort wurde bei ihm wegen seines unangepaßten Verhaltens, starken Zitterns und seiner Unansprechbarkeit "alkoholisches Delirium und Epilepsie" diagnostiziert. Erst gegen 18 Uhr wurde auf Grund des beim Kläger beobachteten beiderseitigen Babinski-Phänomens, eines auf ein pathologisches Geschehen im zentralen Nervensystem hinweisenden Fußsohlenreflexes, und eines Schädelröntgens der Schädeldachbruch und die subdurale Blutung festgestellt. Sodann wurde der Kläger in der Nacht zum 22.April 1987 operiert. Auch wenn der Kläger früher als um 11 Uhr des 21.April 1987 in das Landeskrankenhaus ***** überstellt worden wäre, wäre seine alarmierende gesundheitliche Situation mit höchster Wahrscheinlichkeit erst gegen 18 Uhr des 21.April 1987 erkennbar gewesen, weil die Symptome (Babinski-Phänomen) im allgemeinen erst nach einem gewissen Ausmaß der inneren Schädelblutung auftreten. Bei Alkoholikern treten sogenannte alkoholepileptische Anfälle als Folge einer Alkoholschädigung des zentralen Nervensystems oder einer abrupten Alkoholabstinenz auf. Die genaue Ursache der epileptischen Anfälle des Klägers am 20. und 21. April 1987 ist nicht feststellbar.

Der Zustand des Klägers wurde erstmals auch für einen medizinischen Laien so auffällig, daß eine Meldung zum Zwecke medizinischer Behandlung indiziert war, als er am 20.April 1987 gegen 17 Uhr erste epileptische Symptome zeigte. Der erste starke Anfall nach 6 Uhr früh des 21.April 1987 war für jedermann unbedingter Anlaß, eine unverzügliche ärztliche Untersuchung des Klägers oder dessen vorsorgliche Verlegung in das Krankenrevier zu veranlassen. Weder in diesem Stadium noch bis zur tatsächlichen Überweisung des Klägers in das Landeskrankenhaus ***** war aber für den medizinischen Laien, aber auch für den Arzt im Rahmen einer bloß klinischen Untersuchung der Schädeldachbruch des Klägers und die Blutung im Schädelinnenraum erkennbar.

Der Kläger begehrt im Amtshaftungswege Schmerzengeld in der Höhe von S 250.000,-- und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Schäden auf Grund seiner in der Nacht vom 20. zum 21.April 1987 als Strafgefangener des landesgerichtlichen Gefangenenhauses ***** erlittenen Verletzungen. Schon auf Grund der von ihm bei der Aufnahme gezeigten Symptome einer leichten bis mittelgradigen Alkoholisierung, eines schwankenden Ganges und einer Desorientiertheit hätte durch den aufnehmenden Justizwachebeamten sofort ärztliche Betreuung des Klägers oder doch seine Unterbringung im Krankenrevier mit entsprechender Beaufsichtigung veranlaßt werden müssen, wodurch die schweren Sturzverletzungen mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit unterblieben wären. Jedenfalls aber wäre nach dem schweren Anfall nach 6 Uhr früh des 21.April 1987 umgehende ärztliche Betreuung anzufordern gewesen, so daß jedenfalls der weitere Sturz mit der Nasenverletzung (nach Angaben des Klägers ein Nasenbeinbruch) verhindert worden wäre.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, die Beamten des Gefangenenhauses treffe kein Verschulden an den Verletzungen des Klägers. Bloß auf Grund einer wahrgenommenen leichten bis mittelgradigen Alkoholisierung des Klägers habe noch nicht auf eine Erkrankung oder Krankheit mit der Notwendigkeit umgehender ärztlicher Betreuung geschlossen werden können. Ein Anfallsleiden des Klägers sei weder bekanntgegeben worden, noch erkennbar gewesen. Der Vorfall vom 20. April 1987 17 Uhr sei ebenfalls nicht zur Kenntnis der Justizwachebeamten gelangt. Nach dem zur Kenntnis gebrachten Sturz des Klägers nach 6 Uhr früh des 21.April 1987 sei sofort die ärztliche Untersuchung des Klägers und sodann seine Überweisung in das Landeskrankenhaus ***** veranlaßt worden. Es sei nicht vorhersehbar gewesen, daß der Kläger noch vor dem Erscheinen des Arztes neuerlich aus dem Bett auf den Zellenboden stürzen und sich dort verletzen werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein rechtswidriges Verhalten und Verschulden des aufnehmenden Beamten liege nicht vor, weil erkennbare Umstände für eine ernstliche oder gar gefährliche Krankheit des Klägers nicht vorgelegen seien. Es erscheine nicht vertretbar, jeden leicht- bis mittelgradig alkoholisierten Neuankömmling automatisch einer sofortigen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, sodaß auch im Fehlen entsprechender Weisungen der Gefangenenhausleitung kein Organisationsverschulden zu erblicken sei. Die in regelmäßigen Intervallen erfolgende Überwachung der Hafträume über das Guckloch in der Zellentüre sei bei weiters nicht auffälligen Häftlingen jedenfalls dann ausreichend, wenn noch mehrere Mithäftlinge im Haftraum untergebracht seien. Anderes wäre nur bei erkennbarer Krankheit oder Desorientiertheit des Häftlings zu fordern gewesen. Die schwere Krankheit des Klägers sei aber jedenfalls nach dem ersten massiven epileptischen Anfall des Klägers nach 6 Uhr früh des 21.April 1987 bekannt geworden und hätte vor allem wegen der Unansprechbarkeit (Ohnmacht) des Klägers zur sofortigen ärztlichen Betreuung führen müssen. Im Ergebnis hätte sich jedoch nichts geändert, weil der Schädeldachbruch und die Blutung im Schädelraum des Klägers weder in diesem Zeitpunkt, noch nachher bis zur Einweisung in das öffentliche Krankenhaus für die Justizwachebeamten oder den Anstaltsarzt bei bloß klinischer Untersuchung erkennbar gewesen seien. Das insoweit fehlerhafte Verhalten der Justizwachebeamten sei somit für den beim Kläger eingetretenen Erfolg nicht kausal gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Der Vollzug von Freiheitsstrafen erfolge nur hoheitlich. Den Bund träfen daher sonst dem privaten Bereich zuzuordnende Pflichten, wie etwa die Gesundheitsobsorge (§§ 66 ff StVG) als hoheitliche Pflichten. Die Voraussetzungen für die sofortige Meldung an den Anstaltsarzt im Sinne des § 68 Abs 1 StVG seien bei der Aufnahme des Klägers nicht vorgelegen, weil nur dessen Alkoholisierung, nicht aber ein Anfallsleiden oder eine schwere Krankheit (Epilepsie) erkennbar gewesen sei. Der leichtere epileptische Anfall des Klägers vom 20.April 1987 17 Uhr sei den Justizwachebeamten von den Mithäftlingen des Klägers nicht gemeldet worden und hätte ihnen wegen des sonst unauffälligen Verhaltens des Klägers über die bloße Gucklochbeobachtung auch nicht auffallen müssen. Aber selbst die Folgen des schweren Sturzes nach 6 Uhr früh des 21.April 1987 hätten sich die Beamten noch mit der beim Kläger vorgelegenen Alkoholisierung erklären können, so daß nicht die sofortige Behandlung durch den Anstaltsarzt geboten erscheinen müßte. Das weitere Zuwarten bis zur Arztvorstellung um etwa 8.45 Uhr sei nicht vorwerfbar bzw. hinsichtlich der den Justizwachebeamten nicht erkennbaren schweren Kopfverletzungen nicht kausal gewesen. Daß der Kläger bis zu diesem Termin noch einmal stürzen und noch weitere Verletzungen (im Gesicht) erleiden könnte, sei nicht vorhersehbar gewesen. Auf ein Fehlverhalten des Anstaltsarztes bzw. ein Organisationsverschulden der Gefangenenhausleitung sei mangels derartiger Behauptungen des Klägers im Aufforderungsschreiben nicht einzugehen.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Klägers ist insoweit - inhaltlich allerdings nur

teilweise - berechtigt, als sie zur Aufhebung der Urteile beider Vorinstanzen führt.

Freiheitsstrafen werden nur hoheitlich vollzogen, insbesondere fällt die Anwendung des StVG (BGBl. 1969/144) ausschließlich in den Bereich der Hoheitsverwaltung. Der Entzug der Freiheit bewirkt, daß den Bund zahlreiche Verpflichtungen treffen, die sonst dem privaten Verantwortungsbereich jedes einzelnen zuzuordnen sind, als Folge der Zuweisung eines Zwangsaufenthaltes aber hoheitliche Verpflichtung werden (EvBl. 1989/158; 1 Ob 27/88; 1 Ob 17/86; 1 Ob 19/82; Schragel AHG2 98). Unter diese Pflichten fällt auch die ärztliche Betreuung der Strafgefangenen im Sinne der §§ 66 ff StVG. Nach dem JAB (511 BlgNR 11. GP 63) führt § 66 StVG, wonach für die Erhaltung der körperlichen und geistigen Gesundheit der Strafgefangene Sorge zu tragen und ihr Gesundheitszustand zu überwachen ist, die Vorschrift über die Unterhaltspflicht (§ 31 StVG) in bezug auf die Gesundheit der Gefangenen näher aus. Gemäß § 68 Abs 1 StVG ist dem Anstaltsarzt (nach dem JAB: unverzüglich) Mitteilung zu machen, wenn ein Strafgefangener einen Unfall erlitten hat oder auf andere Weise verletzt worden ist oder wenn sein Aussehen oder Verhalten sonst die Annahme nahelegen, daß er körperlich oder geistig krank ist. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle hat der Anstaltsarzt in diesen Fällen den Strafgefangenen zu untersuchen und dafür Sorge zu tragen, daß ihm die nötige ärztliche, gegebenenfalls fachärztliche Behandlung und Pflege zuteil wird.

Unter diesen Gesichtspunkten ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß nach den maßgeblichen Feststellungen über die Begleitumstände der Einlieferung und Aufnahme des Klägers im Gefangenenhaus am Vormittag des 20.April 1987 dem Aufnahmebeamten kein Versehen bei der Wahrnehmung und Beurteilung des Gesundheitszustandes des Klägers anzulasten ist. Entgegen der Auffassung der Revision hat die beklagte Partei weder in der Klagebeantwortung noch im weiteren Verfahren außer Streit gestellt, daß der Kläger bei der Aufnahme desorientiert und damit nach der Ansicht des ärztlichen Sachverständigen krank und dem Anstaltsarzt zu melden gewesen sei, vielmehr hat die beklagte Partei aus dem Bericht des Leiters des Gefangenenhauses vom 5.Mai 1987 wiedergegeben, daß der Kläger auf den Aufnahmebeamten unter anderem wegen seines als desorientiert bezeichneten Zustandes einen alkoholisierten Eindruck gemacht habe. Das Zustandekommen dieses Berichtes und das Verständnis desselben waren in ausreichender und abschließender Weise Gegenstand des Verfahrens vor den Tatsacheninstanzen. Der zu Gesundheitsvorsorgemaßnahmen für den Kläger Anlaß bietende Anfall des Klägers vom 20.April 1987 17 Uhr wurde der Justizwache von den Mithäftlingen nicht gemeldet und müßte auch im Rahmen der intervallmäßigen Gucklochüberwachung nicht erkannt werden.

Nach Kenntnis des schweren Anfalles und Sturzes des Klägers nach 6 Uhr früh des 21.April 1987 waren die Justizwachebeamten aber verhalten, dem Kläger sofort ärztliche Betreuung zukommen zu lassen. Dem Berufungsgericht kann nicht darin beigepflichtet werden, daß auch der Sturz des Klägers auf den Hinterkopf mit anschließender Ohnmacht bzw. Unansprechbarkeit durch geraume Zeit noch auf seine vortägige leicht- bis mittelgradige Alkoholisierung zurückgeführt werden durfte. Selbst wenn für die Beamten und den Anstaltsarzt bei der klinischen Untersuchung die schwere Kopfverletzung und die innere Blutung des Klägers nicht erkennbar waren, bestand die Verpflichtung zur ärztlichen bzw. sanitären Betreuung und Sicherung des Klägers sowie zur ehebaldigen Zuweisung in ein öffentliches Krankenhaus zum Röntgen oder zur weiteren Untersuchung innerer nicht erkennbarer Verletzungen.

Wenn daher der Kläger nach seinem ersten Sturz (nach 6 Uhr früh) nach Anweisung der Justizwachebeamten nur in der Zelle belassen und auf das Bett gelegt wurde und solcherart mehrmals mit dem Kopf gegen den oberen Einsatz des Stockbettes stoßen und sodann noch einmal auf das Gesicht stürzen konnte, waren diese weiteren Verletzungen dem pflichtwidrigen Verhalten der Justizwachebeamten zuzuschreiben.

Die Vorinstanzen haben es auf Grund ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht unterlassen, die beim zweiten Sturz des Klägers (ca. eine halbe bis dreiviertel Stunde nach dem ersten Sturz) am 21.April 1987 erlittenen behaupteten Verletzungen und ihre allfällige Mitwirkung an der Gesamtverletzung des Klägers festzustellen. Dies erfordert die Aufhebung ihrer Urteile und die Rückverweisung der Sache an das Prozeßgericht erster Instanz. Sollte sich herausstellen, daß die Verletzungen des Klägers beim zweiten Sturz nicht zur schweren Gesamtverletzung (Schädeldachbruch und subdurale Blutungen) beigetragen haben, werden sie gesondert festzustellen und einer Beurteilung im Rahmen des Klagebegehrens zu unterziehen sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E25431

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00022.9.0213.000

Dokumentnummer

JJT_19910213_OGH0002_0010OB00022_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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