TE OGH 1991/2/20 13Os140/90

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Veröffentlicht am 20.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Februar 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Dr. Massauer, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Winge als Schriftführer in der Strafsache gegen Faruk A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Christian K***** gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 9.Oktober 1990, GZ 3 b Vr 590/90-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten Christian K***** der gesetzlichen Vertreterin des Angeklagten Brigitte K***** und des Verteidigers Dr. Bernhauser zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 30.März 1972 geborene Christian K***** wurde mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB (A/) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach dem § 135 Abs. 1 StGB (B/) schuldig erkannt. Laut Schuldspruch haben Faruk A*****, Robert B*****, Gerhard Z***** und Mehmed M***** am 21.Mai 1990 in Wien im bewußten und gewollten Zusammenwirken

A) dem Alfred P***** mit Gewalt gegen seine Person ca 450 S

Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, dadurch sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, indem sie Alfred P***** umringten, Robert B***** ihn festhielt, Christian K***** auf ihn einschlug und Faruk A***** ihm das Geld wegnahm; und

B) Alfred P***** dadurch vorsätzlich geschädigt, daß sie eine Geldbörse durch Wegwerfen aus dessen Gewahrsam dauernd entzogen, ohne die Sache sich oder Dritten zuzueignen.

Christian K***** bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 3, 5, 9 lit a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Als unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion stehenden Verfahrensmangel (Z 3) releviert der Beschwerdeführer, daß ihm (und den Mitangeklagten Robert B*****, Gerhard Z***** und Mehmed M*****) die zufolge abgesonderter Vernehmung der Angeklagten in seiner Abwesenheit gemachten Angaben der Mitangeklagten unter Mißachtung der Vorschrift des § 250 StPO nicht zur Kenntnis gebracht worden seien. Diese Formverletzung hatte jedoch auf die Entscheidung unzweifelhaft keinen dem Beschwerdeführer nachteiligen Einfluß (§ 281 Abs. 3 StPO), weil die Mitangeklagten Faruk A***** - dieser unter Vorhalt seiner niederschriftlichen Vernehmung vor der Polizei (AS 51) -, Robert B***** und Gerhard Z***** zur Frage einer Tatbeteiligung des Christian K***** in dessen Gegenwart ergänzend befragt wurden (AS 265, 266), sodaß er, dessen Verteidiger während des abgesonderten Verhörs anwesend war, von den ihn belastenden Angaben der Mitangeklagten Kenntnis erhielt (Mayerhofer-Rieder, StPO2, ENr 9 bis 11 zu § 250; ENr 8 zu § 281 Abs. 3).

Unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1, Z 5, 9 lit a und 10 StPO, der Sache nach jedoch primär als Subsumtionsrüge (Z 10), bestreitet der Beschwerdeführer mit dem Hinweis, der Raub sei im Zeitpunkt, als er auf das Tatopfer eingeschlagen habe, bereits vollendet gewesen, seine Mittäterschaft an diesem Verbrechen.

Nach den hiezu relevanten Urteilsfeststellungen hat der Beschwerdeführer, nachdem der Mitangeklagte Faruk A***** die Geldbörse bereits aus der Hosentasche des Alfred P***** gezogen hatte und während Robert B***** und Gerhard Z***** den Inhalt der Geldbörse unter sich verteilten, auf das Opfer eingeschlagen (US 5 f). Diese Gewaltanwendung hat demnach nicht den Gewahrsamsverlust des Überfallenen an der Geldbörse und dem darin befindlichen Bargeld bewirkt, die Täter haben vielmehr schon durch die vorangegangene Wegnahme der Sachen die alleinige Herrschaft über sie erlangt. Die Entscheidung, wann ein Raub vollendet ist, richtet sich nämlich (anders als beim Diebstahl) nicht nach den räumlichen Gewahrsamsverhältnissen, sondern nach der Abwehr- und Verteidigungssituation (Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr 21 a zu § 142; Kienapfel BT II2, RN 20 zu § 142 StGB; Zipf im WK, Rz 6 zu § 142 StGB). Im vorliegenden Fall war das Tatobjekt durch die erzwungene Wegnahme und die danach begonnene Verteilung dem unmittelbaren Zugriff des Opfers entzogen, der Raub daher in diesem Zeitpunkt bereits vollendet. Die erst danach (während der Verteilung der Beute am Tatort) vom Beschwerdeführer angewendete Gewalt ist diesbezüglich bedeutungslos. Dem Beschwerdeführer kann daher insoweit eine Mitwirkung bei der Ausführung des Raubes nicht angelastet werden.

Gleichwohl verantwortet Christian KUBA das Verbrechen des Raubes. Das Erstgericht nahm nämlich als erwiesen an, daß dem Raubüberfall auf Alfred P***** ein gemeinsamer Tatentschluß sämtlicher Angeklagter zugrundelag, zu dessen Ausführung Christian K***** dem Mitangeklagten Mehmed M***** eine 1-Schilling Münze übergeben hat, damit er die Tür zu der als Treffpunkt von Homosexuellen bekannten WC-Anlage öffnen könne. Einer der Täter hat das Opfer tatplangemäß in Gegenwart des Beschwerdeführers um Geld angesprochen, das nach der Aufforderung eines Tatbeteiligten, den Mann "abzustieren", von einigen Angeklagten umringt, festgehalten, geschlagen und währenddessen von einem der Täter seiner Brieftasche beraubt wurde (US 5 f). Damit stellt aber das aktive Tätigwerden des Beschwerdeführers in der Vorphase des Raubes und seine gleichzeitige Ortsanwesenheit bei den raubspezifischen Tathandlungen mit entsprechendem Vorsatz bereits einen Beitrag zur Tatausführung dar, welcher zwar nicht Mittäterschaft, aber doch eine Beteiligung am Raub in der dieser rechtlich gleichwertigen Form der dritten Alternative des § 12 StGB begründet. Eine Beurteilung seines Tatverhaltens bloß als Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB ist deswegen ausgeschlossen.

Soweit der Beschwerdeführer die Feststellung, Alfred P***** sei ein Bargeldbetrag von ca 450 S weggenommen worden, unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels (Z 5) in Zweifel zieht, übersieht er die (in der Hauptverhandlung verlesene) Zeugenaussage des Tatopfers im Vorverfahren, in der P***** einräumte, daß sich in einer Geldbörse nicht, wie ursprünglich angegeben, 600 bis 700 S, sondern nur der von den Angeklagten Faruk A***** und Gerhard Z***** zugegebene geringere Betrag befunden haben könnte (AS 39, 43, 51, 112).

Das Einverständnis der Täter auch für das Wegwerfen der Geldbörse, also bezüglich einer dauernden Sachentziehung, wurde vom Erstgericht zureichend damit begründet, daß sich der Angeklagte Gerhard Z***** (AS 43, 265) im unmittelbaren Anschluß an die Wegnahme des Geldes in Anwesenheit sämtlicher Angeklagter der Geldbörse entledigt hat (US 10). Auch insoweit liegt demnach ein Begründungsmangel (Z 5) nicht vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Christian K***** war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte Christian KUBA nach dem § 142 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG zu acht Monaten Freiheitsstrafe, die gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Erschwerend war dabei das Zusammentreffen von zwei Delikten, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und die geringere Beteiligung des Angeklagten.

Die dagegen erhobene Berufung, die Strafherabsetzung anstrebt, ist unbegründet.

Sie macht geltend, das Erstgericht hätte die Milderungsgründe nicht hinreichend gewichtet und die Unbesonnenheit des Angeklagten bei der Tatverübung vernachlässigt.

Eine als mildernd ins Gewicht fallende Unbesonnenheit, bei der die Tathandlung auf einen Willensimpuls zurückzuführen ist, der aus besonderen Gründen dem ruhigen Denken entzogen ist und nach der charakterlichen Beschaffenheit des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre (Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr 26 zu § 34), kann indes angesichts des planmäßigen Vorgehens der Täter nach vorheriger Absprache nicht zugebilligt werden. Im Grunde dasselbe gilt für das weitere Berufungsvorbringen, der Angeklagte Christian K***** habe sich unter "gruppendynamischem Einfluß" zur Tat "hinreißen lassen". Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt und entsprechend gewürdigt.

Auch die Berufung muß deswegen versagen.

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angeführten gesetzlichen Bestimmung.

Anmerkung

E25554

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0130OS00140.9.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19910220_OGH0002_0130OS00140_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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